Wolfsgehege (Kurzlösung)
Die Klage des Brückmann gegen die Baugenehmigung hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges (§ 40 VwGO)
- (+) Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO; streitentscheidende Normen der §§ 29 ff. BauGB öffentlich-rechtlich
- (+) Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO; angegriffene Baugenehmigung VA i.S.d. § 35 VwVfG
III. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO
- (P) Baugenehmigung muss gegen Vorschriften verstoßen, die zumindest auch Brückmann als Grundstücksnachbarn schützen; nach Schutznormtheoriemuss die Norm, um drittschützend in diesem Sinne zu sein, zumindest auch dem Schutz der Interessen des Antragsstellers dienen
1. Mögliche Verletzung drittschützender Vorschriften
- drittschützende Normen: Bauplanungsrecht, §§ 29 ff. BauGB; Vorschriften sind grundsätzlich anwendbar, denn Vorhaben weist erhebliche „bodenrechtliche“ bzw. „städtebauliche“ Relevanz auf
- Vorhaben im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Tiergarten West“, der Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung enthält
- (+) möglicherweise verletzte drittschützende Normen:
a) § 30 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 9a Nr. 1 lit. a BauGB i.V.m. den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan „Tiergarten West“,
(P) Zwar im selben Bebauungsplanbereich, aber gebietsübergreifen;
letztlich aber baugebietsüberschreitender Erhaltungsanspruch, da Nachbarschaft gerade mit jeweiligem Ruhebedürfnis der beiden Nutzungsarten begründet
=> drittschützende Festsetzungen des Bebauungsplans möglicherweise verletzt
b) § 30 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 9a Nr. 1 lit. a BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO (baurechtliches Rücksichtnahmegebot)
=> kommt ebenfalls ins Betracht
2. Keine Einwendungspräklusion nach § 70 Abs. 1 S. 3 BauO Bln
Nicht einschlägig.
- (+) durchgeführt.
V. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
- Land Berlin, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
VI. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)
- Brückmann, § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO; Land Berlin, § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO
- Land Berlin handelt im Prozess nach § 62 Abs. 3 VwGO durch gesetzl. Vertreter
VII. Notwendige Beiladung (§ 65 VwGO)
- Zoologischer Garten Berlin AG als Betreiber des Zoos unmittelbar betroffen, notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO, nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligtenfähig, handelt im Prozess gem. § 62 Abs. 3 VwGO durch gesetzl. Vertreter
- zulässig
B. Begründetheit
- begründet gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, soweit Baugenehmigung rechtswidrig und Brückmann dadurch in seinen Rechten verletzt
- nur möglich, wenn die erteilte Baugenehmigung Normen verletzt, die gerade die Interessen Brückmanns schützen sollen; Prüfung auf Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit solchen Vorschriften beschränkt
I. Überschreitung der zulässigen Art der baulichen Nutzung?
- Baugenehmigung für das Wolfsgehege könnte gegen § 30 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 9a Nr. 1 lit. a BauGB, § 1 Abs. 3 S. 1 BauNVO verstoßen, wenn Vorhaben genehmigt, das seiner Art nach in dem festgesetzten Plangebiet nicht zulässig wäre
- (-) geplante Wolfsgehege soll nicht im Wohngebiet selbst, sondern auf den Zoogrundstücken errichtet werden; hierbei handelt es sich um ein Sondergebiet i.S.d. § 11 BauNVO; Errichtung von Käfigen, Zwingern, Schuppen und Freiluftgehegen gerade zulässig.
II. Verstoß gegen § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO
- § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO Gebot der Rücksichtnahme; stellt für Frage der Unzumutbarkeit auf Umgebung ab; Abwägung zwischen den Interessen Brückmanns und des Zoobetreibers
- kein Verstoß gegen Rücksichtnahmegebot wg. generell störender Tierhaltung neben reinen Wohngebieten; Abwägung der widerstreitenden Belange schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans
- kein unerträglicher psychischer Druck, weil keine Privathaltung, sondern sichere Einfriedung; langjährige Nachbarschaft führt darüber hinaus zu Duldungspflicht
- kein Anspruch auf Aufrechterhaltung des status quo
- Lärmemissionen sind störend, aber keine wesentliche Verschlechterung durch nähere Ansiedelung
- (-); Rücksichtnahmegebot nicht verletzt
- Klage unbegründet
C. Gesamtergebnis
- Klage zulässig aber unbegründet, daher erfolglos
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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Jannik Bach, Michael Feldner
Stand der Bearbeitung: Februar 2020