Panzer unter den Linden
Der eingetragene Verein für angewandte Kunstkritik (aKK e.V.) möchte in Berlin ein Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine setzen. Dazu soll auf dem Mittelstreifen der Straße „Unter den Linden“ vor der russischen Botschaft ein Panzerwrack aufgestellt werden. Dieses stammt aus russischen Beständen und wurde nachweißlich in der Ukraine abgeschossen. Der aKK e.V. steht im Kontakt mit dem ukrainischen Kulturministerium, in deren Beständen sich mehrere solcher Wracks befinden. Bevor der Panzer nach Berlin transportiert werden soll, würde er von Fachkräften „entmilitarisiert“ werden, um jegliche Sicherheitsbedenken auszuräumen. Der Panzer soll als Mahnmal gegen den Angriffskrieg dienen und für zwei Wochen in Berlin ausgestellt werden, bevor er auf „Tournee“ durch die Bundesrepublik gehe. Bei der Straße „Unter den Linden“ handelt es sich um eine Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 2. Der ca. zwanzig Meter breite Mittelstreifen ist Teil dieser Bundesstraße und steht dem Fußgängerverkehr offen.
Um seine Pläne in die Tat umzusetzen, beantragt der aKK e.V. zunächst eine straßenverkehrsrechtliche Sondererlaubnis nach § 46 I StVO. Das zuständige Bezirksamt Mitte weist den Antrag jedoch zurück. Unter dem Mittelstreifen befinde sich ein U-Bahnschacht und die Bodendecke sei für eine solche Belastung – das Panzerwrack wiegt 40 Tonnen – nicht ausgelegt. Der aKK e.V. hält dies für vorgeschoben.
Hilfsweise beantragt der Verein jedoch eine Sondernutzungserlaubnis für den „Vorplatz“ vor der russischen Botschaft. Dieser steht im Eigentum Berlins und ist zur Nutzung als öffentliche Straße gewidmet und Fußgänger*innen vorbehalten. Der Platz ist 50m lang und 20m breit. Das Panzerwrack hat die Maße 9,6 x 3,8m und soll so aufgestellt werden, dass ein Durchkommen auch für Rollstuhlfahrer*innen ohne Umstände möglich ist.
In dem ordnungsgemäßen Antrag führt der Antragsteller aus, der Antrag müsse positiv beschieden werden. Die Installation des Panzerwracks sei als Kunstaktion und Meinungskundgabe von den Grundrechten geschützt. Das Panzerwrack spreche für sich und entfalte seine volle „Message“ gerade dadurch, dass es kommentarlos in den öffentlichen Raum gestellt werde. Diese Message könne sich auch nur an der vorgesehenen Örtlichkeit voll entfalten.
Das zuständige Bezirksamt lehnt auch diesen Antrag vollumfänglich ab. Es gäbe bereits genug politische Spannungen mit der russischen Regierung, eine weitere Eskalation könne außenpolitisch nicht verantwortet werden. Das Panzerwrack sei keine Kunst, sondern Schrott. Mangels konkreter Meinungskundgabe sei auch Art. 5 I GG nicht einschlägig. Im Übrigen behindere das Panzerwrack den Verkehr durch Fußgänger*innen, da mit Menschenansammlungen etwa durch Touristengruppen zu rechnen sei. Außerdem könnten Verkehrsteilnehmer*innen auf der Straße durch das Panzerwrack abgelenkt werden, wodurch vermehrt mit Unfällen zu rechnen sei. Schließlich sei das Aufstellen des Panzers pietätslos, da in dem Wrack womöglich Menschen gestorben seien.
Der aKK e.V. legt dagegen Widerspruch ein und beantragt einen Tag später einstweiligen Rechtsschutz vor dem VG Berlin. Der Antragsteller ist der Ansicht, ihm sei die Erlaubnis zu erteilen. Er beruft sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit. Auf diese Grundrechte könne er sich auch als juristische Person berufen. Öffentliche Belange stünden der Sondernutzung nicht entgegen. Der Ausgang eines Hauptverfahrens könne nicht abgewartet werden, weil es dann für die Ukraine schon zu spät sein könnte. Politische Kunst müsse anlassbezogen ausgestellt werden können, um seiner Funktion in einer Demokratie genügen zu können.
Der aKK e.V. beantragt daher beim VG Berlin, dem Bezirksamt Mitte aufzugeben, einstweilig eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis zu erteilen. Hilfsweise begehrt der aKK e.V. die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis für den Vorplatz der russischen Botschaft.
Hat der Antrag des aKK e.V. vor dem VG Berlin Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk
- Es ist davon auszugehen, dass Fußgänger*innen und Rollstuhlfahrer*innen das Panzerwrack ohne große Umstände umfahren bzw. umgehen könnten, sie dazu aber einen geringfügigen Umweg in Kauf nehmen müssten.
- Die dargestellten örtlichen Begebenheiten entsprechen nicht 1:1 den tatsächlichen Begebenheiten. Bitte halten Sie sich an den Sachverhalt.
© Markus Heintzen und Heike Krieger (Freie Universität Berlin) Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Dr. Andreas Buser Stand der Bearbeitung: Mai 2025 |
Zur zuletzt besuchten Textpassage | Zum Seitenanfang