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Versprochen ist versprochen (Sachverhalt)

 

Das Land Berlin ist Eigentümerin eines Grundstücks im landschaftlich besonders reizvollen Außenbereich in Lübars (Bezirk Reinickendorf). Dieses Grundstück diente schon seit unvordenklicher Zeit dem Obstanbau. Es war jedoch vor zwei Jahren vom Bund durch das „Bahn 2020 Eurasia Gesetz“ enteignet worden, weil u.a. dieses Grundstück für den Bau der Hochgeschwindigkeitstrasse Madrid-Paris-Berlin-Moskau-Peking benötigt wurde. Nachdem alle Obstbäume auf dem Grundstück abgeholzt worden waren, scheiterte jedoch das Projekt aufgrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, und der Bund übereignete dem Land das Grundstück zurück. Deshalb stellte sich nun die Frage, was man mit dem Grundstück anfangen könne. Auf Anregung von Oberbürgermeister Bernd Bussi setzte sich die Ansicht durch, unter Anzapfung verschiedener europäischer Kulturförderungsfonds eine Freiluftbühne mit 15.000 Zuschauerplätzen zu errichten: die "Berlin-Bowl". Man rechnet mit großen Zuschauerströmen, wenn dort sommers Konzerte des Rocks und der Klassik aufgeführt werden und die geplanten Bär-Festspiele (mit mittelalterlichem Turnier) stattfinden. Neben der Wuhlheide bedürfte die sommerliche Kultur eines zweiten Standbeines in Berlin.

Nach umfangreichen Planungsarbeiten erlässt der gem. § 6 AGBauGB Bln zuständige Bezirk Reinickendorf den Bebauungsplan "Berlin-Bowl", dessen Geltungsbereich sich allein auf das Grundstück des Landes erstreckt, das gemäß § 11 BauNVO als Sondergebiet "Freiluftbühne" ausgewiesen wird. Hierbei geht der Bezirk davon aus, dass der für das fragliche Gebiet 1970 aufgestellte Flächennutzungsplan, der dort ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung vorsieht, durch das später erlassene „Bahn 2020 Eurasia Gesetz“ aufgehoben worden sei, das ja bereits eine dem Flächennutzungsplan widersprechende Legalplanung enthalten habe. Außerdem nimmt man an, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 BauGB vorlägen, da mit einer öffentlichen Förderung des Projekts nicht zeitlich unbeschränkt gerechnet werden könne.

Nach In-Kraft-Treten des Bebauungsplans stellt das Land schließlich einen Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung für die "Berlin-Bowl" bei der Bauaufsichtsbehörde des Bezirks Reinickendorf. Vor Erteilung der Baugenehmigung werden sämtliche Eigentümer der Nachbargrundstücke, u.a. auch  Knut Dörfle, von dem Vorhaben benachrichtigt. Während alle übrigen Nachbarn mit dem Vorhaben einverstanden sind, erhebt Dörfle Einwendungen: Da er auf seinem Grundstück eine Obstbaumplantage betreibe (seine Bäume waren vor dem Scheitern des Eurasia Projekts gerade noch nicht abgeholzt worden), sehe er durch das Vorhaben des Landes Berlin den Obstbaum-Standort Lübars gefährdet. Insbesondere bezweifelt er, ob der Bebauungsplan "Berlin-Bowl" ordnungsgemäß zustande gekommen sei, weil hier wohl keine ordnungsgemäße Abwägung i.S.d. § 1 Abs. 6 BauGB stattgefunden habe, sondern allein fiskalische Erwägungen für die Planung maßgeblich gewesen seien. Auch bestehe die Gefahr, dass seinem Obstbaumgelände das Grundwasser entzogen werde, wenn es zu den geplanten notwendigen Ausschachtungen komme. Schließlich widerspreche der Bebauungsplan auch dem Flächennutzungsplan von 1970, der durch das "„Bahn 2020 Eurasia Gesetz“ nicht aufgehoben worden sei, sondern subsidiär weitergegolten habe und damit nach dem Scheitern des Projekts erneut Wirksamkeit entfalte. Dörfle kündigt daher an, dass er gegen die Baugenehmigung in jedem Fall vorgehen werde, wenn es zu ihrer Erteilung komme.

Auf Anregung Bussis lädt der Bezirksstadtrat BauwesenReinickendorf, Fabian Folltoll, daraufhin Dörfle und Bussi  zu einem gemeinsamen Mittagessen ins Borchardts ein. Beim Aperitif legt der Bezirksstadtrat zunächst Bussi und Dörfle dar, dass die Bedenken Dörfles gegen die Zulässigkeit der Baugenehmigung für die "Berlin-Bowl" nicht völlig aus der Luft gegriffen seien, dass aber angesichts der § 214 und § 215 BauGB auch nicht klar sei, ob das Verwaltungsgericht den Bedenken Dörfles im Ernstfall wirklich folgen und überhaupt eine Verletzung seiner Rechte annehmen würde. Was letzteres beträfe, sei die Rechtsprechung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht ganz einheitlich. Bezüglich der Grundwasserfrage sei zudem zweifelhaft, ob es sich hierbei um einen im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Aspekt handle oder nur um ein Problem des Privatnachbarrechts. Der Bezirksstadtrat fragt daher, ob man sich nicht angesichts der Unsicherheit der Sach- und Rechtslage irgendwie vergleichen könne. Schließlich beschließt man Folgendes: Dörfle solle auf jeglichen Rechtsbehelf gegen die vom Bezirksstadtrat zu erteilende Baugenehmigung für die "Berlin-Bowl" nach Maßgabe der auch Dörfle bekannten Pläne verzichten. Das Land Berlin solle an Dörfle wegen der Gefahr einer Grundwassersenkung eine Abfindungssumme in Höhe von 7.500,- Euro zahlen. Der Bezirksstadtrat solle sich verpflichten, sowohl die Baugenehmigung für die "Berlin-Bowl" als auch für einen Geräteschuppen zu erteilen, die der Dörfle erst kürzlich beantragt hatte. Der Geräteschuppen besitzt eine 60 qm große Grundfläche, 4 Fenster, Toilette, Dusche, Ofen, Küchenzeile sowie eine überdachte Terrasse mit Grillplatz. Wegen der geglückten Einigung sind beim Digestif alle Freunde.

Entsprechend dieser Verabredung lässt der Bezirksstadtrat einen schriftlichen Vertrag aufsetzen, der unter Beachtung aller Förmlichkeiten von ihm für den Bezirk Reinickendorf, von Bussi für das Land Berlin und von Dörfle unterzeichnet wird. Zwei Wochen später ist die Baugenehmigung für die "Berlin-Bowl" erteilt und wird nicht nur das Land Berlin und Dörfle, sondern auch allen  übrigen Grundstücksnachbarn unter Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung zugestellt.

Unter diesen Umständen sieht sich Dörfle hintergangen, als der Bezirksstadtrat  zwei Monate später die Erteilung einer Baugenehmigung für seinen Geräteschuppen mit der Begründung ablehnt, dass es sich bei dem "Schuppen" in Wirklichkeit um ein Wochenendhaus handele, das nach § 35 BauGB nicht genehmigt werden könne. Hierzu habe sich der Bezirksstadtrat auch nicht vertraglich verpflichten können, so dass insoweit der geschlossene Vergleich nichtig sei. Nach ordnungsgemäß, aber erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhebt Dörfle schließlich Klage auf Erteilung der Baugenehmigung vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Ein Anspruch hierauf ergäbe sich unmittelbar aus dem mit dem Bezirksstadtrat und dem Land Berlin abgeschlossenen Vertrag, aber auch aus aus den allgemeinen baurechtlichen Bestimmungen.

 

Hat diese Klage Aussicht auf Erfolg?


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