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Manche sind gleicher (Kurzlösung)

 

Als Vorfrage ist zu klären, ob es einer Aufhebung der Beseitigungsverfügung überhaupt bedarf oder ob diese nicht ohnehin gegenstandslos ist.

 

A) Wirksamkeit der Beseitigungsverfügung

 

I. Vorliegen eines Verwaltungsaktes

(+), da Handeln des Gemütlich dem Bezirk zurechenbar

 

II. Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wirksam geworden, da er ihm im Sinne des § 41 VwVfG bekanntgegeben wurde

--> laut SV per Zustellung, bestimmt sich nach § 5 VwVfG Bln  i.V.m. §§ 1 ff. VwZG.

 

III. Ergebnis zu A

Wirksamer VA (+)

 

B) Rechtmäßigkeit einer Aufhebung der Beseitigungsverfügung

als Rechtsgrundlage der Aufhebung käme nur § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG oder § 49 Abs. 1 VwVfG in Betracht.

 

I. Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde für die Aufhebung

Zuständig für die Aufhebung eines VAs ist die Behörde, die für den Erlass des aufzuhebenden VAs jetzt zuständig wäre

Ermächtigungsgrundlage für die Beseitigungsverfügung --> § 79 S. 1 BauO Bln

  • Sachliche: § 58 Abs. 1 BauO Bln, da in der Bauordnung Berlin für Beseitigungsverfügungen nichts anderes bestimmt ist: Gem. § 4 Abs. 2 S. 2 AZG, § 2 Abs. 4 S. 1 ASOG, Nr. 15 Abs. 1 ZustKat ASOG ist damit die Bauaufsichtsbehörde auf Bezirksebene zuständig.
  • Örtliche: § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG.

--> Bezirksamt des Bezirks Steglitz-Zehlendorf

 

II. Möglichkeit der Aufhebung der Beseitigungsverfügung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG

 

1. Rechtswidrigkeit der Beseitigungsverfügung

 

a) Formelle Rechtmäßigkeit

Zuständigkeit (+), s.o.

Anhörung gem. § 28 Abs. 1 VwVfG fehlt

 

aa) Heilung der fehlenden Anhörung?

Heilung nach  § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG?

·         (-) in Bezug auf den „Beschwerdebrief“?

·         aber nachholbar? (-) wg. Ablauf der Frist nach § 45 Abs. 2 VwVfG

 

bb) Unbeachtlichkeit der fehlenden Anhörung?

eine etwaige Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers nach § 46 VwVfG steht der formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht entgegen

 

cc) Ergebnis zu a

Beseitigungsverfügung war formell rechtswidrig

 

b) Materielle Rechtmäßigkeit

(+), wenn die TB-Voraussetzungen des § 79 S. 1 BauO Bln vorlagen (aa) und wenn das von dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde (bb).

 

aa) Tatbestandsvoraussetzungen des § 79 S. 1 BauO Bln

"Anglerhütte" ist eine bauliche Anlage i.S.d. der Legaldefiniton des § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln

sie müsste in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden sein und es müssten auf andere Weise als durch eine vollständige Beseitigung der "Anglerhütte" rechtmäßige Zustände nicht wieder hergestellt werden können.

 

(1) Errichtung in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften

(+), da keine Baugenehmigung vorlag, diese war nach § 60 Abs. 1 BauO Bln notwendig war, da sich aus § 61 ff. BauO Bln nichts anderes ergibt

 

(2) Fehlen einer Möglichkeit, auf andere Weise als durch eine Beseitigung rechtmäßige Zustände wieder herzustellen

(+), wenn materiell baurechtswidrig, also wenn nicht nachträglich eine Baugenehmigung erteilt werden kann und die bauliche Anlage nicht gegen solche bauordnungsrechtlichen Vorschriften verstößt, die im Baugenehmigungsverfahren (ggf. in Form des vereinfachten Verfahrens) nicht (mehr) geprüft werden.

BauO-Recht --> keine Bedenken, aber möglicherweise Verstoß gegen BauGB

 

(a) Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB

bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB?

--> deckt sich grundsätzlich mit dem Begriff des § 2 Abs. 1 BauO Bln, jedoch muss hinzukommen, dass das Vorhaben eine gewisse städtebauliche Relevanz aufweist und die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange berühren kann. à Bei "Anglerhütte" (+), da sie eine Größe aufweist, die das Landschaftsbild (nachteilig) beeinflussen kann.

 

(b) Zulässigkeit nach den §§ 29 ff. BauGB

da kein Bebaaungsplan à §§ 34 und 35 BauGB

hier: unbeplanter Außenbereich, § 35 BauGB

privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB?

·         § 35 Abs. 1 Nr. 1 (-)

·         § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB?

--> Wochenendhäuser sind keine Anlagen, welche wegen ihrer besonderen Anforderung an die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Dies zeigt deutlich § 10 Abs. 1 BauNVO

 

allenfalls Zulässigkeit als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB, wenn dem keine öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen

·         § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB?

(+), wenn das Wohnhaus die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt. Der Begriff der natürlichen Eigenart der Landschaft umfasst den Schutz des Außenbereichs vor einer wesensfremden Nutzung, sowie den Schutz vor ästhetischen Beeinträchtigungen.

--> Wegen des Erholungswerts des Außenbereichs soll dieser für die Allgemeinheit von Bebauung möglichst freigehalten werden

·         § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB à Gefahr einer Splittersiedlung (+)

 

i.E. ist das Vorhaben insgesamt mit § 35 BauGB unvereinbar.

 

(c) Ergebnis zu (2)

die "Anglerhütte" verstößt gegen Bauplanungsrecht und ist damit materiell illegal.

 

(3) Ergebnis zu aa

Der Tatbestand § 79 S. 1 BauO Bln war erfüllt.

 

bb) Ordnungsmäßige Ermessensausübung (§ 40 VwVfG)

 

(1) Missachtung schutzwürdigen Vertrauens?

denkbar weil: Behörde ist nie eingeschritten

aber: ist nicht schützenswert, außerdem wusste Piätsch, dass die Wochenendhäuser illegal sind

 

(2) Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes?

Zwar werden durch die Beseitigungsverfügung erhebliche Vermögenswerte vernichtet. Dies steht aber nicht außer Verhältnis zu dem Anliegen der Durchsetzung des Baurechts. Andernfalls hätte es letztlich der Bauherr in der Hand, sich durch Schaffung vollendeter Tatsachen über die geltenden baurechtlichen Bestimmungen hinwegzusetzen.

 

(3) Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes?

--> keine Gleicheit im Unrecht

 

(4) Ergebnis zu bb

Dementsprechend ist das Ermessen durch die Bauaufsichtsbehörde nicht fehlerhaft ausgeübt worden.

 

cc) Ergebnis zu b

Die Beseitigungsverfügung war somit materiell rechtmäßig.

 

c) Ergebnis zu 1

Tb des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (+)

 

2. Ermessensausübung (§ 40 VwVfG)

§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist Ermessensnorm

a)   Bindung durch das Versprechen des Regierenden Bürgermeisters

Zusicherung ist gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder nicht zu erlassen.

Gemeint ist eine einseitige Selbstverpflichtung einer Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen gegenüber einem bestimmten Erklärungsempfänger.

--> entscheidend ist der Bindungswille der Behörde

Diese Zusage ist auch auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts nämlich auf die Aufhebung eines Verwaltungsaktes (der Beseitigungsverfügung) gerichtet

aus § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ergibt sich, dass die zuständige Behörde die Zusicherung abgeben muss à Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf!

--> Zusicherung unwirksam, so dass Bezirksamt nicht schon deshalb zur Rücknahme der Beseitigungsverfügung verpflichtet ist

 

b) Beachtung der Ermessensgrenzen (§ 40 VwVfG)

wird Aufhebung der Beseitigungsverfügung dem Zweck der Ermessensermächtigung des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gerecht?

Abwägung öffentlichen Interesses auf Beachtung der formellen Bestandskraft des Verwaltungsaktes mit Interesse des Betroffenen, von der Belastung mit rechtswidrigen Maßnahmen verschont zu bleiben.

·         Es stellt keinen Ermessensfehler dar, wenn ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt aufgehoben wird

·         Allerdings darf auch nicht verkannt werden, dass die Beseitigungsverfügung hier materiell nicht zu beanstanden ist, sondern sich ihre Rechtswidrigkeit allein aus der fehlenden Anhörung ergibt.

Insoweit hat das BVerwG aus der Wertung des § 49 Abs. 1 VwVfG den allgemeinen Grundsatz entnommen, dass eine Rücknahme ausgeschlossen sei, wenn sofort wieder ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erlassen werden müsste

·         Hier ist die Sachlage ohnehin so, dass der Verwaltungsakt nicht wegen des Anhörungsfehlers aufgehoben werden soll, sondern letztlich aus wirtschaftspolitischen Gründen. Dies aber ist ermessensfehlerhaft und deshalb nach § 40 VwVfG rechtswidrig

 

3. Ergebnis zu II

Da eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht aus Gründen erfolgen soll, zu denen der Behörde das Rücknahmeermessen eingeräumt wird, wäre eine dennoch getroffene Rücknahmeentscheidung rechtswidrig, so dass eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vorliegend nicht in Betracht kommt.

 

III. Möglichkeit der Aufhebung der Beseitigungsverfügung nach § 49 Abs. 1 VwVfG

Es ist weitgehend anerkannt, dass rechtswidrige Verwaltungsakte erst recht auch nach § 49 Abs. 1 VwVfG widerrufen werden können, da dort, wo der rechtmäßige Verwaltungsakt widerrufen werden kann, der rechtswidrige keinen Schutz vor Aufhebung verdient

 

1. Vorliegen von Widerrufsausschlussgründen

§ 49 Abs. 1 Halbsatz 2 Alt. 1 VwVfG? (-), da ein VA gleichen Inhalts nicht sofort wieder neu erlassen werden müsste:

§ 79 S. 1 BauO Bln räumt der Bauaufsichtsbehörde Ermessen ein. Da es auch Gründe geben kann, von einem bauaufsichtsrechtlichen Einschreiten gegenüber Piätsch abzusehen, die nicht ermessensfehlerhaft sind à (-)

 

2. Ordnungsgemäße Ermessensausübung

Zweck der Ermächtigung des § 49 Abs. 1 VwVfG ist, der Behörde die Möglichkeit zu geben, einen Verwaltungsakt, an dessen Durchsetzung sie kein Interesse mehr hat, (auch) im Interesse des Belasteten zu beseitigen.

Davon ist aber nicht gedeckt, einen VA, an dessen Aufrechterhaltung nach wie vor ein öffentliches Interesse besteht, nur deshalb zu widerrufen, weil man eine "wichtige Persönlichkeit" aus politischen Gründen nicht verärgern will;

andere Gründe nicht ersichtlich, damit ermessensfehlerhaft

 

3. Ergebnis zu III

Aufhebung nach § 49 Abs. 1 VwVfG kommt vorliegend nicht in Betracht

 

IV. Ergebnis zu B

Da die Voraussetzung für eine Aufhebung der Beseitigungsverfügung nach den §§ 48 ff. VwVfG nicht vorliegen, wäre eine dennoch ausgesprochene Aufhebung rechtswidrig.

 

Fragen und Anregungen zur Lösung? info@hauptstadtfälle.de


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