Biergarten (Kurzlösung)
I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)
(+), Streitentscheidende Normen: §§ 29 ff. BauGB und §§ 59 ff. BauO Bln
I. Statthafte Klageart
Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO
III. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)
(+), Hein könnte Anspruch auf Baugenehmigung aus § 71 Abs. 1 S. 1 BauO Bln zustehen; durch Ablehnung Rechtsverletzung möglich
IV. Vorverfahren (§ 68 VwGO)
(+), form- und fristgerecht; Widerspruchsbehörde ist nach § 27 Abs. 1 lit. b AZG i.V.m. §§ 185 Abs. 7, 7 Abs. 1 Nr. 2 VwGO das Bezirksamt Reinickendorf.
V. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
(+)
VI. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)
(+)
VII. Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO)
(+)
VII. Ergebnis zu A
Klage zulässig
Die Klage ist begründet, soweit die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 VwGO). Voraussetzung dafür ist, dass Hein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung aus § 71 Abs. 1 S. 1 BauO Bln hat.
I. Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens
- bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 BauO Bln (+)
- „errichten“ i.S.d. § 59 Abs. 1 BauO Bln (+), da keine bloße Intensivierung der Nutzung
- keine Genehmigungsfreiheit nach § 61 BauO Bln
=> Genehmigungsbedürftig
II. Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens
- § 71 Abs. 1 BauO Bln: genehmigungsbedürftiges Bauvorhaben zu genehmigen, wenn es den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, die im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen sind.
- Biergarten kein Sonderbau, daher vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 63 BauO Bln
1. Vereinbarkeit mit den §§ 29 ff. BauGB
a) Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB
(+), da bauliche Anlage i.S.d. § 29 BauGB.
- für Auslegung des Begriffes kommt es neben § 2 BauO Bln auf die bodenrechtliche" bzw. "städtebauliche" Relevanz an; durch Gebäude müssen die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berührt werden, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer seine Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen
- ist bei der Einrichtung eines Biergartens für 600 Gäste zu bejahen; Erfordernis der Abstimmung u. a. mit den Belangen der Nachbarn besteht.
b) Vereinbarkeit mit § 30 BauGB
- einfacher Bebauungsplan, wird nach § 30 Abs. 3 BauGB durch §§ 34, 35 BauGB ergänzt
c) Vereinbarkeit mit § 34 BauGB
- Grundstück, auf dem Hein den Biergarten errichten will, liegt nicht mehr im Innenbereich, dieser endet unmittelbar hinter letztem Baukörper des im Zusammenhang bebauten Ortsteils
d) Vereinbarkeit mit § 35 BauGB
aa) Zulässigkeit als privilegiertes Vorhabens nach § 35 Abs. 1 BauGB
- allenfalls Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, jedoch ist § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB eng auszulegen, weil andernfalls § 35 BauGB seiner Funktion der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs vor Bebauung nicht gerecht werden kann.
- Vorhaben muss daher in der konkreten Situation der jeweiligen Gemeinde im Außenbereich „erforderlich“ und nicht nur zweckmäßig oder sinnvoll sein, d.h. es muss aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise in einer Weise billigenswert sein, die es rechtfertigt, das Vorhaben bevorzugt im Außenbereich zuzulassen
=> (-), insb. keine notwenige Versorgung im Außenbereich (z.B. Berghütte)
bb) Zulässigkeit als "sonstiges Vorhaben" nach § 35 Abs. 2 BauGB
möglicherweise Beeinträchtigung öffentlicher Belange, insb. im Hinblick auf Regelbeispiele des § 35 Abs. 3 BauGB
- unerwünschte Vorbildwirkung nach § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB möglich
- jedenfalls schädliche Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 Nr. 3) durch Lärm, wie Hein selbst zurecht annimmt
- darüber hinaus beeinträchtigt Anlage die natürliche Eigenart der friedlichen Landschaft und damit auch ihren Erholungswert (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB)
=> Vorhaben widerspricht somit § 35 BauGB.
2. Vereinbarkeit mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften
Versagung hätte möglicherweise noch aus anderen Gründen erfolgen können; Bezirkstadtrat Folltoll geht von Versagungsmöglichkeit wegen Verstößen Heins gegen GastG aus
- nicht-baurechtliche Vorschriften gehören aber nur zum Prüfungskatalog, soweit wegen Baugenehmigung Entscheidung nach diesen Vorschriften entfällt; Verstöße gegen andere Vorschriften stehen damit Erteilung der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren nicht entgegen
- auch § 71 Abs. 1 S. 3 BauO Bln ändert daran nichts; Gesetzgeber wollte nur Verfahrensvereinfachung gesetzlich niederschreiben und nicht Bauaufsichtsbehörde zusätzliche Kompetenzen im Hinblick auf fachfremde Rechtsfragen gewähren
Vorhaben entsprich wegen Verstoß gegen § 35 Abs. 2 BauGB nicht im vereinfachten Verfahren zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften
kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung.
Klage zwar zulässig, aber unbegründet und wird daher keinen Erfolg haben.
Dokumente
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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Dominik Steiger, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: November 2016 (Änderungen des Dritten Gesetzes zur Änderung der BauO von Berlin sind bereits eingearbeitet)