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Südumfahrung Fürstenwalde (Lösungsvorschlag)

Die Verfassungsbeschwerden der Stadt Fürstenwalde

Da die Stadt sich hier sowohl auf Grundrechte – Art. 14 Abs. 1 GG – als auch auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung beruft, liegen in Wirklichkeit zwei Verfassungsbeschwerden vor, nämlich eine "Jedermann-Verfassungsbeschwerde" nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90ff. BVerfGG und eine "Kommunalverfassungsbeschwerde" nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, §§ 91ff. BVerfGG. Beide Verfahren sind getrennt voneinander auf ihrer Zulässigkeit und Begründetheit hin zu untersuchen.

 

Erster Teil: Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90ff. BVerfGG

Die von der Stadt Fürstenwalde erhobene "Jedermann-Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90ff. BVerfGG hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

 

A) Zulässigkeit

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und §§ 90ff. BVerfGG erfüllt sind.

 

I. Beteiligtenfähigkeit

Dann müsste die Stadt Fürstenwalde in diesem Verfahren überhaupt beteiligtenfähig sein. Dies wäre sie, wenn sie "jedermann" i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG wäre. Dann müsste sie fähig sein, Trägerin der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte zu sein. Inwieweit juristischen Personen des öffentlichen Rechts Grundrechte zustehen können, ist im Einzelnen sehr umstritten.[1]

In Bezug auf die Geltung des Art. 14 Abs. 1 GG hat das BVerfG in der Sasbach-Entscheidung[2] ausgeführt, dass eine Geltung des Art. 14 Abs. 1 GG zugunsten einer Gemeinde seinem Wesen nach nicht in Betracht komme: Zwar billige die Rechtsordnung den Gemeinden die Möglichkeit zu, (privatrechtliches) Eigentum innezuhaben. Dies bedeute aber noch nicht, dass dieses Eigentum grundrechtsgeschützt sein müsste. Eine besondere "grundrechtstypische Gefährdungslage", die allenfalls eine Anwendung der Grundrechte auf juristische Personen des öffentlichen Rechts rechtfertigen könnte, bestehe selbst dann nicht, wenn das Eigentum der öffentlichen Hand – wie im vorliegenden Fall die Obstbaumgrundstücke der Gemeinde Fürstenwalde – nicht unmittelbar öffentlichen Aufgaben, sondern allein fiskalischen Zwecken diene. Denn in der Hand einer Gemeinde diene das Eigentum nicht der Funktion, derentwegen es durch das Grundrecht geschützt sei, nämlich dem Eigentümer als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privaten Interesse von Nutzen zu sein. Art. 14 GG als Grundrecht schütze nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater.[3]

Nach diesen Grundsätzen ist auch die Stadt Fürstenwalde im vorliegenden Fall nicht grundrechtsberechtigt und kann sich daher gegen ihre Legalenteignung durch das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" mangels Beteiligtenfähigkeit nicht mit der "Jedermann-Verfassungsbeschwerde" wehren.

 

II. Ergebnis zu A

Die Verfassungsbeschwerde ist somit unzulässig.

 

B) Ergebnis des Ersten Teils

Eine auf eine Verletzung des Art. 14 GG gestützte Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG wäre somit unzulässig und hat damit keine Aussicht auf Erfolg.

 

Zweiter Teil: Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, §§ 91ff. BVerfGG

Die von der Stadt Fürstenwalde erhobene Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und §§ 91ff. BVerfGG hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

 

A) Zulässigkeit

Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, §§ 91ff. BVerfGG erfüllt sind.[4]

 

I. Beteiligtenfähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b, § 91 BVerfGG)

Die Stadt Fürstenwalde ist eine Gemeinde und damit beteiligtenfähig.

 

II. Beschwerdegegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG)

Die Stadt Fürstenwalde greift das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" an. Dies ist ein "Gesetz des Bundes" i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b, § 91 BVerfGG und kann damit grundsätzlich Gegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG sein.

Anmerkung: Als Gegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde kommen ausschließlich Rechtsnormen in Betracht.[5] Wer dies in der Praxis übersieht und mit einer Kommunalverfassungsbeschwerde Gerichtsurteile angreift, muss mit einer Missbrauchsgebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG rechnen.[6]

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 Satz 2 BVerfGG unzulässig sein, da in Brandenburg nach §§ 12 Nr. 5, 51 VerfGGBbg nur gegen eine Verletzung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung durch ein Landesgesetz vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Brandenburg eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann. Hier wendet sich die Stadt Fürstenwalde jedoch gegen ein Bundesgesetz. Das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" ist damit tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG.

 

III. Beschwerdebefugnis (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG: "Behauptung einer Verletzung der Vorschrift des Art. 28 GG")

Die Stadt Fürstenwalde müsste behaupten können, dass durch das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" das Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 28 GG verletzt wird.

 

1. Notwendigkeit eigener, gegenwärtiger und unmittelbarer Betroffenheit

Nach wohl herrschender Ansicht ist eine solche Verletzung von vornherein ausgeschlossen, wenn die Gemeinde nicht selbst, gegenwärtig und unmittelbar von dem Gesetz betroffen wird. Nach dem Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und des § 91 BVerfGG scheint dagegen die Kommunalverfassungsbeschwerde selbst dann zulässig zu sein, wenn keine gegenwärtige und unmittelbare Selbstbetroffenheit vorliegt.[7] Dem braucht hier jedoch nicht näher nachgegangen zu werden, weil die Stadt Fürstenwalde von dem Gesetz selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen wird: Die gegenwärtige Selbstbetroffenheit ist immer schon dann gegeben, wenn die fragliche Norm den Beschwerdeführer rechtlich, also nicht bloß mittelbar faktisch berührt, ihn mithin nicht lediglich eine Reflexwirkung der Norm trifft, sondern seine geschützte Rechtssphäre nach Zweck und Hauptwirkung der Regelung deren eigentliches Ziel ist.[8] Hier schränkt das Gesetz mit seinem In-Kraft-Treten gerade die Planungsmöglichkeiten der Gemeinde Fürstenwalde ein. Dies geschieht auch unmittelbar, ohne dass es weiterer Vollzugsakte in Form einer Rechtsverordnung oder eines sonstigen Rechtsakts bedürfte.[9]

Anmerkung: Da Beschwerdegegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde nur ein Gesetz sein kann, verlangt das BVerfG für das Vorliegen einer unmittelbaren Beschwer nicht, dass die Gemeinde Vollziehungsakte, die der Umsetzung der Rechtsnorm dienen, abwartet und hiergegen im Verwaltungsrechtsweg vorgeht. An der unmittelbaren Betroffenheit soll es vielmehr nur dann fehlen, sofern ein Gesetz erst vollziehbar wird, wenn es durch eine Rechtsverordnung konkretisiert worden ist.[10]

 

2. Notwendigkeit einer Behauptung der Verletzung gerade des Art. 28 Abs. 2 GG

Fraglich ist jedoch, ob eine Verletzung gerade des Art. 28 Abs. 2 GG durch das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" als möglich erscheint. Diese Gewährleistung sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich (sog. Allzuständigkeit) sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu. Nach Ansicht des BVerfG gewährleistet Art. 28 Abs. 2 GG jedoch den Gemeinden nicht Selbstverwaltungsrechte in allen Einzelheiten. Gesetzliche Beschränkungen der Selbstverwaltung sind vielmehr mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, wenn und soweit sie deren Kernbereich unangetastet lassen.[11] Dabei hat das BVerfG bisher immer offen lassen können, inwieweit die sogenannte Planungshoheit der Gemeinden, also die Kompetenz der Gemeinde insbesondere durch Bauleitpläne eigenverantwortlich städtebauliche Konzepte zu entwickeln und so das Gemeindegebiet zu gestalten, zu diesem unentziehbaren Kernbereich der Selbstverwaltungsrechte gehört.[12]

 

a) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (nur) als institutionelle Garantie?

Dies muss auch hier nicht geklärt werden, wenn Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (nur) eine institutionelle Garantie kommunaler Selbstverwaltungsrechte zu entnehmen wäre, die den Gemeinden zwar generell gegenüber dem Bund und den Ländern das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, aber dann schon nicht mehr eingreift, wenn nicht die kommunale Selbstverwaltung als Institution eingeschränkt, sondern nur in die Kompetenzen einzelner Gemeinden eingegriffen wird. Denn bei einem solchen engen Verständnis der Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG wäre im vorliegenden Fall von vornherein ausgeschlossen, dass das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" die kommunale Selbstverwaltung (in Form der kommunalen Planungshoheit) verletzt, da es die Befugnis gemeindlicher Gestaltung nicht als Institution einschränkt oder beseitigt, sondern (bloß) die Planungshoheit einer einzelnen Gemeinde einschränkt: Nur der Stadt Fürstenwalde werden nach dem Sachverhalt städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten (Vergrößerung des Baugebietes nach Süden hin) genommen.[13]

 

b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG als Schutz vor ungerechtfertigten "Sonderopfern"?

Jedoch hat das BVerfG angenommen, Art. 28 Abs. 2 GG schütze auch davor, dass einer einzelnen Gemeinde durch Gesetz ein ungerechtfertigtes gesetzliches Sonderopfer auferlegt wird. Es leitet aus Art. 28 Abs. 2 GG eine gegenüber den einzelnen Gemeinden bestehende Pflicht des Gesetzgebers her, derartige Eingriffe in die Kompetenzsphäre einzelner Gemeinden nur unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des rechtsstaatlichen Willkürverbots vorzunehmen.[14] Eine Verletzung dieser Grundsätze erscheint im vorliegenden Fall als nicht von vornherein ausgeschlossen: Denn der Stadt Fürstenwalde wird durch die gesetzliche verbindliche Festlegung der "Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" die Möglichkeit genommen, durch Erlass von Bauleitplänen im Süden des Stadtgebiets andere städtebauliche Ziele zu verfolgen. Dass dieser gesetzliche Eingriff in die ihr jedenfalls durch §§ 1ff. BauGB gewährte Planungshoheit unverhältnismäßig und/oder willkürlich ist, erscheint nicht von vornherein als ausgeschlossen, so dass die Stadt Fürstenwalde insoweit als beschwerdebefugt anzusehen ist.

 

c) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG als Schutz vor in jeder Hinsicht verfassungsmäßigen Eingriffsgesetzen?

Fraglich ist, ob die Stadt Fürstenwalde im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG darüber hinaus geltend machen kann, ein Gesetz, das ihr ein Sonderopfer auferlegt, stelle deshalb keinen rechtmäßigen Eingriff in Art. 28 Abs. 2 GG dar, weil es gegen Grundrechte Dritter oder gegen allgemeine staatsorganisatorische Bestimmungen verstoße. Dies wäre dann der Fall, wenn die für die Verfassungsmäßigkeit von Grundrechtseingriffen entwickelten Grundsätze der Elfes-Entscheidung, nach der jedermann im Wege der Individualverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG geltend machen kann, ein seine Grundrechte beschränkendes Gesetz bilde keine taugliche Ermächtigung für Grundrechtseingriffe, weil es (formell oder inhaltlich) gegen einzelne Verfassungsbestimmungen oder allgemeine Verfassungsgrundsätze verstoße,[15] auch auf die Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG übertragen werden könnte. Dann könnte jede Gemeinde sich gegen jedes Gesetz, das in ihre Kompetenzen eingreift, mittels der Kommunalverfassungsbeschwerde mit der Begründung wehren, es bilde keine taugliche Grundlage für Eingriffe in ihr Selbstverwaltungsrecht, weil es – unabhängig von einem Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG – formell oder materiell (z. B. wegen Verletzung Grundrechte Dritter) verfassungswidrig sei.[16]

Das BVerfG hat jedoch bisher abgelehnt, auf diese Weise die Beschwerdebefugnis (und damit den Prüfungsgegenstand) der Kommunalverfassungsbeschwerde auszuweiten:[17] Denn damit würde den Gemeinden letztlich das Recht eingeräumt, eine allgemeine Normenkontrolle gegen solche Gesetze einzuleiten, die ihre Interessen berühren; dies wäre mit der ausdrücklichen Begrenzung des Prüfungsmaßstabs des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG auf Verletzungen (nur) des Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. Jedoch erkennt das BVerfG an, dass auch Art. 28 Abs. 2 GG in Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Grundgesetzes steht und damit auch durch andere grundgesetzliche Normen geprägt wird. Daher erlaubt es in erweiternder Auslegung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG den Gemeinden auch die Verletzung solcher Normen des Grundgesetzes zu rügen, die ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind[18] und sich daher in gewisser Weise als Konkretisierung des Art. 28 Abs. 2 GG darstellen.[19]

Unstr. gehören dagegen die Grundrechte und die grundrechtsgleichen Rechte Dritter nicht zu derartigen mit Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren (indirekt) rügefähigen Bestimmungen.[20]Anderes hat das BVerfG der Sache nach jedoch bei allen das Bund-Länder-Verhältnis regelnden Grundgesetzbestimmungen an, jedenfalls soweit sie sich auch auf verwaltungsorganisationsrechtliche Fragen beziehen und damit auch direkt oder indirekt für die Stellung der Kommunen im Staatsaufbau maßgeblich sind. Dies betrifft etwa die grundgesetzlichen Regelungen über die Verteilung der Ausgabelasten zwischen Bund und Ländern, wovon auch die den Ländern zugehörigen Gemeinden betroffen werden,[21] die Regelungen über die den Gemeinden zustehenden Steuererträge,[22] die Regelungen der Art. 70 ff. GG über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern (weil diese Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht durch den Bundesgesetzgeber grundsätzlich ausschließen)[23] und das Bundesstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG , soweit es einen unmittelbaren Durchgriff auf die betroffenen Gemeinden ausschließt[24]. Entsprechendes müsste an sich auch für die Verteilung der Verwaltungskompetenzen nach Art. 30, Art. 83ff. GG gelten,[25] das BVerfG ist jedoch jedenfalls im Hinblick auf Art. 84 a. F. GG eher unnötig restriktiv verfahren.

Folgt man dem, fehlt der Stadt Fürstenwalde insoweit die Beschwerdebefugnis als sie geltend macht, das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" verletze sie deshalb in ihrem Recht aus Art. 28 Abs. 2 GG, weil es gegen die Grundrechte der Enteigneten aus Art. 14, Art. 19 Abs. 4 GG und das Verbot des Einzelfallgesetzes (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG) verstoße und deshalb verfassungswidrig sei. Demgegenüber kann sie geltend machen, dem Bund habe für den Erlass des Gesetzes die Gesetzgebungskompetenz gefehlt. Zudem prägt der ebenfalls gegen das Gesetz angeführte Grundsatz der Gewaltenteilung im Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Verwaltung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) auch die Stellung der Gemeinden im Staatsgefüge, weil er auch einen Bezug zum Verhältnis zwischen der Bundesgesetzgebung und der Landesverwaltung hat. Damit kann dieser Grundsatz auch als Grundsatz angesehen werden, der das verfassungsrechtliche Bild der kommunalen Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet ist.

Anmerkung: Angesichts der sehr restriktiven Tendenz des BVerfG[26] im Zusammenhang mit der Rügbarkeit des Art. 84 Abs. 1 GG im Rahmen einer kommunalen Verfassungsbeschwerde, wird man jedenfalls den Gewaltenteilungsaspekt auch für "unrügbar" im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG halten können. Dann wäre dieser Aspekt im Rahmen der Verfassungsbeschwerde Dörfles zu prüfen.

d) Ergebnis zu 2

Die Stadt Fürstenwalde kann somit eine Verletzung des sich aus Art. 28 Abs. 2 GG ergebenden Rechts auf Verschonung von ungerechtfertigten Sonderopfern, sowie eine Verletzung der Gesetzgebungskompetenzverteilung nach den Art. 70 ff. GG und den Grundsatz der Gewaltenteilung im Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive geltend machen. Insoweit erscheint es nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass diese Grundsätze durch das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" verletzt werden.

 

3. Ergebnis zu III

Die Stadt Fürstenwalde ist damit nur insoweit beschwerdebefugt als sie gegenüber dem "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG, der Art. 70 ff. GG und des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) geltend macht. Soweit sie sich auf eigene Grundrechte und Grundrechte Dritter beruft, fehlt ihr demgegenüber die Beschwerdebefugnis, so dass die Verfassungsbeschwerde insoweit unzulässig ist.

 

IV. Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG)

Das BVerfG bezieht § 90 Abs. 2 BVerfGG grundsätzlich auch auf die Kommunalverfassungsbeschwerde, sofern sie sich gegen nicht-förmliche Gesetze richtet (Verweis auf die Normenkontrolle nach § 47 VwGO). Bei Kommunalverfassungsbeschwerden gegen förmliche Gesetze verneint es dagegen die Anwendbarkeit der Vorschrift.[27] Da sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein förmliches Bundesgesetz richtet, ist ohnehin ein zu erschöpfender Rechtsweg nicht ersichtlich.

 

V. Frist (§ 93 Abs. 3 BVerfGG)

Die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG wurde nach dem Sachverhalt eingehalten.

 

VI. Ergebnis zu A

Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist damit (weitgehend) zulässig.

 

B) Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" Art. 28 Abs. 2 GG sowie solche anderen Bestimmungen des Grundgesetzes verletzt, die ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind. Dementsprechend ist das Gesetz hier (nur) am Maßstab der Art. 70 ff. GG, des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) und des Art. 28 Abs. 2 GG zu messen (s. o. Zweiter Teil A III 2).

 

I. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Fraglich ist daher zunächst, ob der Bundesgesetzgeber zum Erlass des "Gesetzes über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" überhaupt zuständig war. Insoweit könnte sich eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 6a GG ergeben, der den Bund u. a. die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den "Bau von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes" zuweist. Entsprechend der Legaldefinition des Begriffs "Eisenbahnen des Bundes" in Art. 73 Nr. 6a GG gehören hierzu alle (privatrechtlich organisierten, vgl. Art. 87e Abs. 3 GG) "Eisenbahnen" (= Eisenbahnunternehmen, vgl. § 2 Abs. 1 AEG), die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen. Dies ist bei der Deutschen Bahn AG der Fall, für die die Südumfahrung Fürstenwalde gebaut werden soll, da sie offenbar den Euroflèche auf der deutschen Teilstrecke betreuen soll. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist somit gegeben.

 

II. Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung im Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG)

Fraglich ist jedoch, ob der Erlass des "Gesetzes über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" gegen das in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG niedergelegte Prinzip der Gewaltenteilung verstößt. Dies wäre denkbar, wenn sich diesem Prinzip ein Verwaltungsvorbehalt entnehmen ließe. Dann müsste das Grundgesetz einen bestimmten Bereich der vollziehenden Gewalt vor Eingriffen durch die Legislative (mit der Folge der Nichtigkeit dieser Eingriffe) abschirmen und zu diesem Bereich müsste auch der Bereich der anlagenbezogenen Fachplanung – im konkreten Fall die Zulassung von Schienenbauvorhaben für Eisenbahnen des Bundes (vgl. §§ 18 ff. AEG) – gehören.[28]

 

1. Existenz eines unentziehbaren Kernbereichs exekutivischer Befugnisse

Das BVerfG scheint jedenfalls anzunehmen, es gebe einen unentziehbaren Kernbereich exekutivischer Befugnisse, in den durch die Legislative nicht eingegriffen werden dürfe[29]: Es hebt hervor, dass die Teilung der Gewalten ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip sei, das der gegenseitigen Kontrolle und damit der Mäßigung der Staatsherrschaft diene. Es ziele darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, d.h. von den Organen getroffen werden, die dafür nach Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Das Prinzip der Gewaltenteilung sei allerdings nirgends rein verwirklicht, es beständen zahlreiche Gewaltenverschränkungen. Das Grundgesetz fordere damit keine absolute Trennung der Gewalten. Jedoch dürfe keine Gewalt ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhalten und/oder der für die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden. Der Kernbereich der verschiedenen Gewalten sei damit unveränderbar. Der Exekutive obliege die Regierung und Verwaltung und damit auch die Vollziehung von Gesetzen, die Legislative habe die Aufgabe der Normsetzung.

 

2. "Verwaltungsvorbehalt" und anlagenbezogene Fachplanung nach Auffassung des BVerfG

Nach Ansicht des BVerfG[30] ist aber der Bereich der staatlichen Planung weder eindeutig der Legislative noch eindeutig der Exekutive zugeordnet. Planung könne weder als Vorgang der Subsumtion eines bestimmten Lebenssachverhaltes unter die Tatbestandsmerkmale einer generell-abstrakten Norm verstanden werden noch als generelle Vorgabe für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen. Es handele sich vielmehr um einen komplexen Prozess der Gewinnung, Auswahl und Vorbereitung von Informationen und der Auswahl einzusetzender Mittel. Dementsprechend könne das Parlament durch Gesetz einen Plan beschließen, sofern die Materie ihrer Natur nach geeignet sei, gesetzlich geregelt zu werden. Teilweise sei dies auch – wie beim Haushaltsplan – verfassungsrechtlich geboten. Dementsprechend könnten auch Detailpläne der anlagenbezogenen Fachplanung durch Gesetz geregelt werden. Da diese Art der Planung aber üblicherweise der Verwaltung vorbehalten sei, die hierfür – eher als das Parlament – den erforderlichen Verwaltungsapparat und Sachverstand besitze, dürfe der Gesetzgeber eine solche Entscheidung nur an sich ziehen, wenn hierfür gute Gründe beständen. Ein solcher guter Grund läge etwa dann vor, wenn die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl sei. Insofern stehe dem Gesetzgeber ein Ermessensspielraum zu.

Nach diesen Grundsätzen läge im vorliegenden Fall keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes vor, da sich der Gesetzgeber auf "gute Gründe" für die Legalplanung stützen konnte: Nach dem Sachverhalt ergeben sich als Grund für die Wahl der Gesetzesform zum einen die Sicherung der Durchführung des EUROFLÈCHE-Projekts, das die Französische Regierung von einer schnellen Durchführung des Planverfahrens abhängig machte und das die Bundesregierung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet (durch Anhebung der Attraktivität des brandenburgischen Wirtschaftsstandorts) für notwendig hält. Zum anderen war für die Wahl der Gesetzesform maßgeblich, dass nur so die Projektförderung durch die Europäische Kommission gewährleistet werden konnte, die ebenfalls an die Einhaltung der vorgesehenen Inbetriebnahmefristen gebunden war. Damit bestanden wohl triftige Gründe für die Annahme, dass die Durchführung einer behördlichen Planfeststellung mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden wäre, denen nur durch eine gesetzliche Regelung begegnet werden kann.[31] Jedenfalls durfte der Gesetzgeber annehmen, durch die gesetzliche Feststellung des Vorhabens werde eine erhebliche Beschleunigung des Planungsverfahrens gegenüber dem regulären eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren erreicht, an das sich in der Regel umfangreiche fachgerichtliche Auseinandersetzungen anschließen, während die von einer Legalplanung Betroffenen Rechtsschutz allenfalls beim BVerfG erhalten können (siehe hierzu auch Lösungsvorschlag zur Verfassungsbeschwerde des Karl Dörfle, B I 3). Schon damit bewirkt die Legalplanung gegenüber dem normalen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18ff. AEG einen erheblichen Zeitgewinn.

 

3. Kritik an der Auffassung des BVerfG

Es ist jedoch zweifelhaft, ob dem Ausgangspunkt der Überlegungen des BVerfG, nach dem der Bereich der staatlichen Planung weder eindeutig der Legislative noch eindeutig der Exekutive zugeordnet sei, gefolgt werden kann: Zutreffend ist, dass sich die Materie der staatsleitenden Planung, also des Haushaltsplans (Art. 110 GG), der Finanzplanung (Art. 106 Abs. 3 Satz 4, Art. 109 Abs. 3 GG), der Verteidigungsplanung (Art. 53a Abs. 2 Satz 1 GG), der Rahmenplanung nach Art. 91a GG, der Bildungsplanung nach Art. 91b GG und der allgemeinen raumbezogenen Planung (etwa der Raumordnung), von der Natur der Sache her nicht eindeutig dem legislativen oder exekutiven Bereich zuordnen lässt. Hieraus folgt aber nicht, dass jede Maßnahme, die als Plan bezeichnet wird, diesen ambivalenten Charakter teilt. Eine allgemeingültige Definition des Plans gibt es nämlich nicht, sondern allenfalls eine Definition der Planung, also damit nur eine Definition dessen, wie geplant wird,[32] nicht aber dessen, wer plant und was geplant wird. Genauso wenig wie sich etwa alles Geschriebene einer bestimmten Staatsfunktion zuordnen lässt, lässt sich alles Geplante einer (oder mehreren) Staatsfunktion(-en) zuordnen; vielmehr kann diese Zuordnung nicht ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der in Frage stehenden Planung erfolgen. Dementsprechend hat Pabst[33] zu Recht darauf hingewiesen, dass sich anlagenbezogene Fachplanung gerade im hier betroffenen Infrastrukturbereich im Normalfall als Ausführung des ausgefeilten einfachgesetzlichen Fachplanungsrechts darstelle und damit als gesetzesakzessorische, letztlich verwaltungsrechtliche Planung. Diese Art der Planung ist damit nach dem Regelfall allein der vollziehenden und nicht der gesetzgebenden Gewalt zugeordnet, so dass sich das "Gesetz zum Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" tatsächlich als Übergriff in den Bereich der Exekutive darstellt.

Anmerkung: Besonders deutlich wird dies, wenn man einmal unterstellt, die Verwaltungszuständigkeit für den Eisenbahnbau läge – entgegen Art. 87e GG – nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Dann würde sich die Frage stellen, ob der Bund durch die bloße Wahl der Gesetzesform die Verwaltungszuständigkeit der Anlagenplanung an sich ziehen könnte.[34] Dies scheint auch vom BVerfG bezweifelt zu werden.[35]

Hieraus folgt allerdings nicht zwingend, dass schon wegen Verstoßes gegen das allgemeine Gewaltenteilungsgebot das Gesetz verfassungswidrig sein muss: Zieht der Gesetzgeber – wie im vorliegenden Fall – nur punktuell einzelne ganz spezifische Aufgaben der Exekutive an sich, wird hiervon der Kernbereich der Aufgaben der vollziehenden Gewalt nicht berührt. Vielmehr wird hiervon nur das Problem der Zulässigkeit von Einzelfallgesetzen angesprochen, das Art. 19 Abs. 1 GG unabhängig vom Gewaltenteilungsgrundsatz regelt und dessen Verletzung die Stadt Fürstenwalde im vorliegenden Verfahren nicht überprüfen lassen kann (siehe oben Zweiter Teil A III 2 c).

Auch wenn dem BVerfG damit im Ausgangspunkt seiner Argumentation nicht zu folgen ist, verletzt das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" somit im Ergebnis den in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG angesprochenen Gewaltenteilungsgrundsatz nicht.

 

4. Ergebnis zu II

Auch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG steht somit dem "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" nicht entgegen.

 

III. Verletzung des sich aus Art. 28 Abs. 2 GG ergebenden Rechts der Stadt Fürstenwalde, von ungerechtfertigten Sonderopfern verschont zu bleiben

Jedoch könnte das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" gegen Art. 28 Abs. 2 GG verstoßen, weil es in die Planungskompetenzen der Stadt Fürstenwalde in unverhältnismäßiger und willkürlicher Weise eingreift. Auszugehen ist dabei von dem Gedanken, dass der Stadt Fürstenwalde im Vergleich zu anderen Gemeinden mit der Planung eine Sonderbelastung auferlegt wird, da sie ihrer städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten jedenfalls nach Süden hin vollständig beraubt wird.

 

1. Rechtfertigung der Planung durch überörtliche Interessen?

Die Auferlegung eines solchen Sonderopfers ist nur zulässig, wenn dies einen zureichenden Grund in der Wahrung überörtlicher Interessen findet. Dabei reicht nicht jedes überörtliche Interesse, vielmehr muss der Eingriff in die Planungshoheit der einzelnen Gemeinde gerade angesichts der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein – es muss sich also um überörtliche Interessen von höherem Gewicht handeln.[36]

Ein solches überörtliches Interesse wird jedenfalls dann vorliegen, wenn mit dem Eingriff eine Aufgabe wahrgenommen werden soll, die das Grundgesetz dem Bund oder einem Land ausdrücklich zuweist. Insoweit ist im vorliegenden Fall auf die Aufgabe des Bundes nach Art. 87e Abs. 4 GG hinzuweisen; darüber hinaus beabsichtigt der Bund, durch die Maßnahme – als Teil des Projekts EUROFLÈCHE – eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu fördern. Dass das Projekt zur Erreichung dieser Ziele schlechthin ungeeignet ist, wird man nicht sagen können: Man wird den zuständigen Stellen insoweit einen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen, der auch vom BVerfG respektiert werden muss. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit gerade eine Umfahrung Fürstenwaldes erforderlich ist: Gerade weil eine Durchleitung des EUROFLÈCHE durch den Fürstenwalder Bahnhof nicht als möglich erscheint und die SNCF von einer Umfahrung Fürstenwaldes die Durchführung des gesamten Projektes abhängig macht, erscheinen die überörtlichen Interessen am Bau einer solchen Umfahrung gegenüber der Planungshoheit der hiervon betroffenen Stadt als höherwertig.[37]

 

2. Beachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen planerischer Gestaltung

Jedoch reicht allein die abstrakte Höherwertigkeit des Planungsziels gegenüber den Selbstverwaltungsrechten der betroffenen Gemeinde nicht aus, um eine Beeinträchtigung der Planungshoheit einzelner Gemeinden zu rechtfertigen. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Eingriff in die Planungshoheit gerade im konkreten Fall durch die überörtlichen Interessen gerechtfertigt werden kann. Dabei kann das BVerfG aber nicht seine eigene Abwägung an die Stelle der Abwägung des Normgebers setzen, sondern hat dessen Gestaltungsbefugnis zu respektieren. Es kann und muss aber nachprüfen, ob die vom Gesetzgeber getroffene Abwägungsentscheidung die verfassungsrechtlichen Grenzen planerischer Gestaltungsbefugnis respektiert hat.[38] Hierzu gehöre insbesondere die Pflicht, den für das Planungsvorhaben erheblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln, wozu insbesondere auch eine Pflicht zur Information und Anhörung der betroffenen Gemeinden gehöre, und die Pflicht, das vorhandene Material ordnungsgemäß abzuwägen.[39] Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen in Rede stünden, ist zusätzlich zu prüfen, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft seien oder der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprächen.[40] Damit nähert das BVerfG die Anforderungen an die Legalplanung den Anforderungen, die für verwaltungsbehördliche Fachplanungsentscheidungen gelten, an: Es überlässt die Planung im Einzelnen nicht der Willkür des Gesetzgebers, sondern bindet ihn an das allgemeine rechtsstaatliche Abwägungsgebot. Auch die Verwaltungsgerichte räumen der planenden Behörde im Planfeststellungsverfahren einen planerischen Gestaltungsraum und damit einen nicht voll überprüfbaren Spielraum über das Ob und Wie eines raumbezogenen Vorhabens ein.[41]

Ob der Gesetzgeber im vorliegenden Fall die Grenzen seines planerischen Gestaltungsraums eingehalten hat, ist jedoch in verschiedener Hinsicht zweifelhaft:

·  Zweifel bestehen bereits, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat: So wie sich der Sachverhalt darstellt, ist nicht auszuschließen, dass schon seit Beginn der Planung die Trassenführung so, wie sie im Ergebnis festgeschrieben wurde, feststand und dass Alternativen hierzu gar nicht mehr ernsthaft in Betracht gezogen wurden: So hat sich weder die Urbanplan GmbH noch der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages ernsthaft mit einer Trassenführung südlich der A 12 befasst, obwohl nach dem Sachverhalt nicht erkennbar ist, dass diese Trassenführung offensichtlich völlig ungeeignet wäre.

·  Zweifelhaft ist auch, ob in die Abwägung die Belange eingestellt wurden, die nach Lage der Dinge eingestellt werden mussten, und ob diese Belange insbesondere durch eine ordnungsgemäße Anhörung der Beteiligten festgestellt worden sind: Insoweit steht nach dem Sachverhalt noch nicht einmal fest, ob die Urbanplan GmbH – der keine hoheitlichen Befugnisse zugewiesen wurden – ein Anhörungsverfahren durchgeführt hat, insbesondere ob auch die Stadt Fürstenwalde angehört worden ist.[42] Es ist auch nicht erkennbar, dass durch die Bundesregierung oder den Bundestag in irgendeiner Form eine Überprüfung des Gutachtens der Urbanplan GmbH stattgefunden hat. Der eintägige Anhörungstermin und die halbtägige Ortsbesichtigung des Bundestagsausschusses für Verkehr konnten jedenfalls – schon aus Zeitgründen – bei einem Projekt dieser Größenordnung keine zuverlässige Sachverhaltsaufklärung gewährleisten (vgl. hierzu etwa die Fristen des § 73 VwVfG).

Nach Ansicht des BVerfG führen solche Zweifel an der Einhaltung des planerischen Gestaltungsraums allein jedoch nicht zu einer Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG.[43] Die Grenze scheint es erst dort zu ziehen, wo sich der Gesetzgeber von vornherein gar nicht mehr davon leiten lässt, den Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln.[44] Es stellt damit letztlich eine Vermutung der Richtigkeit der gesetzgeberischen Sachverhaltsermittlung und Abwägung auf, die nur dann widerlegt werden kann, wenn eindeutige Anhaltspunkte für einen Missbrauch planerischer Gestaltungsmacht vorliegen. Damit bindet das BVerfG den Gesetzgeber zwar an das planerische Abwägungsgebot, geht aber auf den materiellen Gehalt des Abwägungsverfahrens nicht ein.[45]

Folgt man dem BVerfG auch hierin, ist damit auf Grund der dargelegten Vermutung der Richtigkeit der gesetzgeberischen Sachverhaltsermittlung und Abwägung anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber auch die verfassungsrechtlichen Grenzen planerischer Gestaltung beachtet hat.

 

3. Ergebnis zu III

Damit verletzt das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" die Stadt Fürstenwalde auch nicht in ihrem Recht aus Art. 28 Abs. 2 GG.

 

IV. Ergebnis zu B

Die Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde ist somit nicht begründet, da das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" keine der verfassungsrechtlichen Grundsätze verletzt, die zum Prüfungsgegenstand des Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG gehören.

Anmerkung: Andere Ansichten – gerade in Bezug auf die Frage, ob der planerische Gestaltungsspielraum durch den Gesetzgeber eingehalten wurde – sind natürlich vertretbar. Bei der Entscheidung zur Lex Stendal[46], der der Sachverhalt nachgebildet ist, handelt es sich sicherlich um eine der weniger durchdachten und daher nur sehr eingeschränkt überzeugenden Entscheidungen des Gerichts. Dies betrifft weniger die verfassungsrechtlichen Grundannahmen als die Art und Weise, wie der entscheidungserhebliche Sachverhalt an diesen Grundannahmen gemessen wird.

 

C) Ergebnis des Zweiten Teils

Die Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde ist dementsprechend nur teilweise zulässig, im Übrigen unbegründet und hat damit keine Aussicht auf Erfolg.

 

Dritter Teil: Gesamtergebnis

Die Verfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde hat somit als Individualverfassungsbeschwerde keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist, und als Kommunalverfassungsbeschwerde keinen Erfolg, weil sie teils unzulässig und im übrigen unbegründet ist.


 Siehe zur Vertiefung:

  • zur "Planfeststellung" durch Gesetz: BVerfGE 95, 1 ff.; Blümel, DVBl. 1997, 205 ff.; Eisenmenger, NVwZ 2013, 621 ff.; Hufeld, JZ 1997, 302 ff.; Kunig, Jura 1993, 308 ff.; Ossenbühl, in: Festschrift Hoppe, 2000, S. 183 ff.; Pabst, UPR 1997, 284 ff.; Wahl, DVBl. 1993, 517 ff. (526 ff.); Werner, VBlBW 1998, 323 ff.
  • die Fallbearbeitung von Kümper, JuS Beilage zu Heft 6/2015, 43 ff.

 

Die Verfassungsbeschwerde Knut Dörfles

Die Verfassungsbeschwerde Dörfles hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

 

A) Zulässigkeit

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und §§ 90ff. BVerfGG erfüllt sind.

 

I. Beteiligtenfähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "jedermann")

Dörfle ist Grundrechtsträger und damit "jedermann" i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG.

 

II. Beschwerdegegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Akt der öffentlichen Gewalt")

Verfassungsbeschwerden können sich nur gegen einen "Akt öffentlicher Gewalt" richten. Gemeint sind damit alle Äußerungen von vollziehender, gesetzgeberischer und rechtsprechender Gewalt. Dörfle greift unmittelbar das "Gesetz zum Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" an. Dieses Bundesgesetz ist ein "Akt der öffentlichen Gewalt".

 

III. Beschwerdebefugnis (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein")

Dörfle müsste behaupten können, dass er durch das Gesetz in seinen Grundrechten verletzt sein könnte. Insoweit erscheint eine Verletzung des Art. 14 GG als nicht von vornherein ausgeschlossen. Vor allem bei Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze wird jedoch nur dann von der Möglichkeit einer "Verletzung" gerade durch das angegriffene Gesetz ausgegangen, wenn der Beschwerdeführer hiervon selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen wird.

Die Selbstbetroffenheit ist dabei immer schon dann gegeben, wenn die fragliche Norm den Beschwerdeführer rechtlich, also nicht bloß mittelbar faktisch berührt, ihn mithin nicht lediglich eine Reflexwirkung der Norm trifft, sondern seine geschützte Rechtssphäre nach Zweck und Hauptwirkung der Regelung deren eigentliches Ziel ist.[47] Im vorliegenden Fall soll durch das Gesetz gerade auch in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG eingegriffen werden, weil durch § 2 des Gesetzes auch Dörfle das Eigentum an bestimmten Grundstücken entzogen wird. Dörfle ist damit selbst betroffen.

Die gegenwärtige Betroffenheit könnte hier allenfalls mit dem Argument verneint werden, dass der in § 2 des Gesetzes vorgesehene Eigentumsübergang erst drei Monate nach In-Kraft-Treten des Gesetzes erfolgen soll, Dörfle aber schon unmittelbar nach In-Kraft-Treten des Gesetzes Verfassungsbeschwerde erhebt. Jedoch ist die Drei-Monats-Frist des Gesetzes offensichtlich als eine Art Räumungsfrist gedacht, die Eigentumsübertragung erfolgt nach Ablauf dieser Frist unausweichlich. Das Gesetz zwingt damit Dörfle schon unmittelbar nach seinem In-Kraft-Treten zu einer Verhaltensänderung,[48] so dass er hiervon auch gegenwärtig betroffen wird.

Die unmittelbare Betroffenheit Dörfles lässt sich nicht mit dem Argument verneinen, dass er erst den "Räumungsbescheid" nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes abzuwarten habe: Die eigentliche Betroffenheit Dörfles stellt nämlich nicht die – sich nach dem Eigentumsübergang aus § 985 BGB ergebende – Räumungspflicht dar, sondern durch den Eigentumsübergang selbst, der sich ohne weiteren Vollzugsakt unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.[49]

Da das Gesetz Dörfle unmittelbar das Eigentum an den betroffenen Grundstücken entzieht, ist auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es ihn in seinem Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt, so dass Dörfle als beschwerdebefugt anzusehen ist.

 

IV. Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) und "Subsidiarität" der Verfassungsbeschwerde

Gegen Bundesgesetze steht kein Rechtsweg (außer der Verfassungsbeschwerde) offen, so dass die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erfüllt sind. Fraglich ist jedoch, ob der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der "Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde" entgegensteht. Nach diesem – vom BVerfG letztlich in erweiternder Auslegung des § 90 Abs. 2 BVerfGG "gefundenen" – Grundsatz hat der Beschwerdeführer neben der Erschöpfung des Rechtswegs alle anderweitig bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des BVerfG im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen.[50] Deshalb hat z. B. das BVerfG teilweise verlangt, dass der Beschwerdeführer selbst dann, wenn er von einem Gesetz unmittelbar, gegenwärtig und selbst betroffen ist, zunächst Rechtsschutz bei den Fachgerichten suchen muss, um eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu initiieren.[51] Hier wäre daher denkbar, von Dörfle zu verlangen, den Erlass des Räumungsbescheides nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes abzuwarten und hiergegen vorzugehen, um so eine Inzidentprüfung der Verfassungsmäßigkeit des "Gesetzes zum Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" und gegebenenfalls eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu veranlassen.

Die Durchführung eines solchen Verfahrens wäre für Dörfle allerdings unzumutbar (vgl. den Rechtsgedanken des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG), weil zur Klärung der Betroffenheit Dörfles im vorliegenden Fall keinerlei Sachaufklärungen erforderlich sind, sie sich vielmehr eindeutig aus dem Gesetz ergibt. Es besteht daher auch nicht die Gefahr, dass das BVerfG ohne vorheriges Durchlaufen der verwaltungsgerichtlichen Klage eine Entscheidung auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage treffen muss,[52] vielmehr wäre die Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage im vorliegenden Fall eine bloße Formalität, die vor allem nicht gewährleistet, dass Dörfle auch zeitgerecht Rechtsschutz erlangen kann[53]: Durch den Bau des Bahndamms (und das Abholzen der Obstbäume) auf seinen Grundstücken könnten vielmehr letztlich unveränderbare Tatsachen geschaffen werden. Dementsprechend steht auch der Grundsatz der Subsidiarität einer Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen.

 

V. Frist (§ 93 Abs. 3 BVerfGG)

Auch die Jahresfrist ab In-Kraft-Treten des Gesetzes ist eingehalten.

 

VI. Ergebnis zu A

Die Verfassungsbeschwerde ist damit insgesamt zulässig.

 

B) Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn Dörfle durch das Gesetz in seinen Grundrechten verletzt wird. In Betracht kommt hier eine Verletzung von Dörfles Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

Dass das Grundeigentum zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten vermögenswerten Rechten gehört, ist unstrittig, so dass der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt ist. Unbestritten ist auch, dass der totale Entzug konkreter Eigentumsrechte einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG darstellt.

Dieser Entzug ist nur zulässig, wenn er verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, wenn das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" also in jeder Hinsicht verfassungsgemäß ist. Insoweit ist bereits festgestellt worden, dass der Bund zum Erlass eines solchen Gesetzes die Gesetzgebungskompetenz besitzt (siehe hierzu Lösungsvorschlag zur Verfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde, Zweiter Teil B I) und dass der Erlass dieses Gesetzes auch nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) verstößt (siehe hierzu Lösungsvorschlag zur Verfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde, Zweiter Teil B II). Das Gesetz ist somit formell verfassungsgemäß. Das Gesetz könnte aber materiell verfassungswidrig sein, wenn es gegen die besonderen Schranken, die Art. 14 GG gegenüber den Eigentumsentzug aufstellt (I), gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG (II) oder gegen sonstiges materielles Verfassungsrecht (III) verstößt.

 

I. Verstoß gegen die besonderen Schranken des Eigentumsentzugs des Art. 14 GG

Das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" könnte zunächst gegen die sich aus Art. 14 GG ergebenden besonderen Schranken des Eigentumsentzugs verstoßen.

 

1. Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG

Insoweit kommt zunächst eine Verletzung des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG in Betracht. Dann müsste diese Bestimmung hier anwendbar sein, das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung" also Dörfle "enteignen". Eine "Enteignung" i. S. des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG liegt jedenfalls immer dann vor, wenn jemandem die privatrechtlichen Eigentumsrechte an einer konkreten Sache (ganz oder teilweise) entzogen und diese Rechte auf einen anderen übertragen werden.[54]

 

Anmerkung: Insoweit ist unbestritten, dass eine Enteignung in diesen Fällen vorliegt, während die Annahme, dass nur in derartigen Güterbeschaffungsvorgängen eine Enteignung gegeben ist, zunehmend wieder umstritten ist (worauf es aber im vorliegenden Fall nicht ankommt): Krappel, DÖV 2012, 640 ff.; Schwarz, DVBl. 2013, 133 ff.

Eine solche Enteignung liegt hier vor. Sie ist nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG nur zulässig, wenn sie zum Wohl der Allgemeinheit tatsächlich erforderlich ist. Der Bau der Südumfahrung Fürstenwalde müsste damit einerseits generell dem Wohl der Allgemeinheit dienen und andererseits müsste gerade die Enteignung der Grundstücke Dörfles für diesen Bau erforderlich sein.

 

a) Dient der Bau der Südumfahrung dem Wohl der Allgemeinheit?

Der Bau der Südumfahrung dient der Allgemeinheit, wenn die Maßnahme zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe benötigt wird, wenn sie einem besonderen, im öffentlichen Nutzen liegenden Zweck dient.[55] Dabei entzieht sich der Begriff "Wohl der Allgemeinheit" jeder allgemeinen Definition; fest steht jedoch, dass eine Enteignung ausschließlich zu fiskalischen Zwecken oder ausschließlich zu Gunsten Privater keine Enteignung zum allgemeinen Wohl ist.

Man wird jedoch davon ausgehen können, dass eine Gemeinwohlaufgabe jedenfalls dann vorliegt, wenn eine Aufgabe wahrgenommen werden soll, die das Grundgesetz dem Bund oder einem Land ausdrücklich zuweist. Insoweit ist im vorliegenden Fall auf die Aufgabe des Bundes nach Art. 87e Abs. 4 GG hinzuweisen; darüber hinaus beabsichtigt der Bund, durch die Maßnahme – als Teil des Projekts EUROFLÈCHE – eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu fördern. Dass das Projekt zur Erreichung dieser Ziele schlechthin ungeeignet ist, wird man nicht sagen können: Man wird den zuständigen Stellen insoweit einen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen, der auch vom BVerfG respektiert werden muss. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit gerade eine Umfahrung Fürstenwaldes erforderlich ist: Gerade weil eine Durchleitung des EUROFLÈCHE durch den Fürstenwalder Bahnhof nicht als möglich erscheint und die SNCF von einer Umfahrung Fürstenwaldes die Durchführung des gesamten Projektes abhängig macht, erscheint der Bau einer solchen Umfahrung ebenfalls als vom öffentlichen Wohl gedeckt.

Anmerkung: Die Argumentation ist hier dieselbe wie bei der Frage, inwieweit der Eingriff in die von Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Planungshoheit der Stadt Fürstenwalde durch überörtliche Interessen gerechtfertigt ist, siehe hierzu den Lösungsvorschlag zur Verfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde, Zweiter Teil B III 1.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Enteignung – wie § 3 des Gesetzes verdeutlicht – letztlich zugunsten der Deutschen Bahn AG erfolgt. Obwohl diese eine Gesellschaft privaten Rechts ist, handelt es sich um eine Enteignung zum Zwecke des gemeinen Wohls, weil der Deutschen Bahn AG durch Gesetz die Erfüllung einer dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe zugewiesen ist und das Grundgesetz sie in Art. 87e Abs. 3 und 4 GG der Einflussnahme und Aufsicht des Bundes unterstellt.[56]

Der Bau der Südumfahrung als solcher entspricht demnach dem Wohl der Allgemeinheit.

 

b) Erforderlichkeit der Enteignung gerade der betroffenen Grundstücke

Dient damit der Bau der Südumfahrung als solcher dem Wohl der Allgemeinheit, steht damit aber noch nicht fest, ob hierfür auch die Enteignung der betroffenen Grundstücke tatsächlich erforderlich war. Das BVerfG nimmt bei Planungsentscheidungen durch den Gesetzgeber jedoch insoweit seine Prüfungsbefugnis zurück und räumt ihm einen Gestaltungsspielraum ein, wobei sich der Gesetzgeber davon leiten lassen müsse, den für die Regelung erheblichen Sachverhalt zutreffend zu ermitteln, anhand dieses Sachverhaltes alle sachlich beteiligten Belange und Interessen zugrunde zu legen sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise gegeneinander abzuwägen. Das Erfordernis der zutreffenden Ermittlung des Sachverhalts beziehe sich insbesondere auf die Anhörung der Beteiligten, also auch der individuell betroffenen Grundstückseigentümer. Habe der Gesetzgeber auf diese Weise den Sachverhalt erforscht und habe er alle wesentlichen – oft gegenläufigen – Belange berücksichtigt, sei er befugt, sich letztlich für die Bevorzugung eines Belangs (oder mehrerer Belange) und damit zugleich für die Zurückstellung aller anderen Gesichtspunkte zu entscheiden. Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen in Rede stünden, habe das BVerfG seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft seien oder der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprächen.[57] Damit nähert das BVerfG die Anforderungen an die Legalplanung im Grundsatz den Anforderungen an, die für verwaltungsbehördliche Fachplanungsentscheidungen gelten: Es überlässt die Planung im Einzelnen nicht der Willkür des Gesetzgebers, sondern bindet ihn an das allgemeine rechtsstaatliche Abwägungsgebot. Auch die Verwaltungsgerichte räumen der planenden Behörde im Planfeststellungsverfahren einen planerischen Gestaltungsraum und damit einen nicht voll überprüfbaren Spielraum über das Ob und Wie eines raumbezogenen Vorhabens ein.[58]

Was die Anwendung dieser Grundsätze nach der Rechtsprechung des BVerfG im konkreten Fall bedeutet, ist bereits dargestellt worden (siehe hierzu Lösungsvorschlag zur Verfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde, Zweiter Teil B III 2). Insoweit ist festgestellt worden, dass hier zwar erhebliche Zweifel daran bestehen, ob der Gesetzgeber diese Grenzen seines planerischen Gestaltungsraums eingehalten hat, dass diese Zweifel nach Auffassung des BVerfG jedoch noch nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen können, da es letztlich eine Vermutung der Richtigkeit der gesetzgeberischen Sachverhaltsermittlung und Abwägung aufstellt, die nur dann widerlegt werden kann, wenn eindeutige Anhaltspunkte für einen Missbrauch planerischer Gestaltungsmacht vorliegen. Folgt man dem BVerfG insoweit, ist somit – trotz berechtigter Zweifel an der Vollständigkeit der Sachverhaltsermittlung – anzunehmen, dass gerade die Enteignung der Grundstücke Dörfles (und der der anderen Betroffenen) zum Bau der Südumfahrung erforderlich war.

 

c) Ergebnis zu 1

Das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" verstößt somit nicht gegen die besonderen Enteignungsschranken des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG.

 

2. Verstoß gegen die Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG

Das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" verstößt ebenfalls nicht gegen die besonderen Enteignungsschranken des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG: Die Regelungen der §§ 93ff., §§ 217ff. BauGB, auf die § 2 Abs. 3 des Gesetzes zum Bau der Südumfahrung Fürstenwalde verweist, entsprechen vielmehr anerkanntermaßen den Vorgaben des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG.

 

3. Verstoß gegen den Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG

Das BVerfG geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Enteignungen ihre Grenzen nicht nur in Art. 14 Abs. 3 GG, sondern auch in Art. 14 Abs. 1 GG selbst finden, dem sich als Grundsatz nicht nur eine Wertgarantie, sondern als Freiheitsrecht auch eine Bestandsgarantie entnehmen lasse, die sich nicht nur gegen den entschädigungslosen, sondern vor allem auch gegen den Entzug von Eigentum schlechthin richte. Dementsprechend sei nach der Konzeption dieses Grundrechts ein effektiver – den Bestand des Eigentums sichernder – Rechtsschutz gegen den Entzug des Eigentums ein Bestandteil des Art. 14 Abs. 1 GG selbst[59] und ergebe sich insoweit nicht nur aus Art. 19 Abs. 4 GG.[60]

Insoweit ist fraglich, ob dieser Garantie des Art. 14 Abs. 1 GG bei Durchführung einer Enteignung unmittelbar durch Gesetz hinreichend Rechnung getragen wird: Wählt der Gesetzgeber an Stelle der Enteignung durch Verwaltungsakt die Enteignung durch Gesetz, so schließt er damit den nach Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsweg zu den Fachgerichten aus – obwohl sich gerade die Legalenteignung materiell als Verwaltung darstellt (siehe hierzu Lösungsvorschlag zur Verfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde, Zweiter Teil B II 3) und Sinn des Art. 19 Abs. 4 GG vor allem ist, Exekutivakte der Rechtskontrolle zu unterwerfen.[61] Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Legalenteignungen gleicht dies nicht aus, da es nicht Aufgabe des BVerfG sein kann, wie ein Gericht der ersten Tatsacheninstanz eines Verwaltungsprozesses tätig zu werden.

Welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG allerdings unklar:

·  Nach der Hamburger Deichordnungs-Entscheidung ist eine Enteignung durch Gesetz nur in eng begrenzten Fällen zulässig, nämlich dann, wenn aufgrund ungewöhnlicher Ausnahmesituationen zum allgemeinen Wohl eine sofortige Enteignung solcher Grundstücke erforderlich ist, die letztlich kraft Natur der Sache die einzigen Grundstücke sind, auf denen die Aufgabe ordnungsgemäß erfüllt werden kann.[62]

·  Nach der Hamburger-U-Bahn-Entscheidung gebietet das Gebot effektiven Rechtsschutzes dagegen nicht, dass der Gesetzgeber Planungsentscheidungen in diejenige Rechtsform kleidet, die dem Bürger in jedem Fall verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz eröffnet. Allerdings verlange Art. 3 Abs. 1 GG, dass nicht willkürlich und in unvorhersehbarer Weise im selben Planungsgebiet gleichartige Planentscheidungen mal in Gesetzesform, mal in Verwaltungsaktform ergehen.[63]

·  Nach der Stendal-Entscheidung ist die Legalplanung und -enteignung auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 und 14 Abs. 1 GG zulässig, wenn insoweit triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass die Durchführung einer behördlichen Planfeststellung mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden wäre, denen nur durch eine gesetzliche Regelung begegnet werden kann.[64]

Nach dem Sachverhalt ergeben sich als Grund für die Wahl der Gesetzesform zum einen die Sicherung der Durchführung des EUROFLÈCHE-Projekts, das die Französische Regierung von einer schnellen Durchführung des Planverfahrens abhängig machte und das die Bundesregierung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet (durch Anhebung der Attraktivität des brandenburgischen Wirtschaftsstandorts) für notwendig hält. Zum anderen war für die Wahl der Gesetzesform maßgeblich, dass nur so die Projektförderung durch die Europäische Kommission gewährleistet werden konnte, die ebenfalls an die Einhaltung der vorgesehenen Inbetriebnahmefristen gebunden war.

Ob diese Gründe nach der Hamburger-Deichordnungs-Entscheidung ausreichen würden, ist zweifelhaft: Eine mit der Hamburger Flutkatastrophe vergleichbare außergewöhnliche Ausnahmesituation dürfte wohl selbst bei einem solchen Großprojekt nicht vorliegen.[65] Auch nach der Hamburger-U-Bahn-Entscheidung erscheint die Zulässigkeit der Legalenteignung als fragwürdig: Es ist nicht ohne weiteres erkennbar, in welcher Hinsicht sich das hier vorliegende Planungsproblem von sonstigen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungen unterscheidet, wenn nicht die Eilbedürftigkeit allein ausschlaggebend sein soll – die allerdings bei fast jedem Verfahren gegeben ist. Hierauf stellt jedoch entscheidend die Stendal-Entscheidung ab: Sie lässt die Eilbedürftigkeit als triftigen Grund ausreichen und gewährt auch insoweit dem Gesetzgeber einen erheblichen Beurteilungsspielraum, da sie selbst die Frage, ob herkömmliche Verfahren länger dauern als das Gesetzgebungsverfahren, der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers überlässt.[66]

Demnach wäre nach der Stendal-Entscheidung das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" auch im Hinblick auf den von Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Rechtsschutz nicht zu beanstanden.

 

4. Ergebnis zu I

Folgt man der Stendal-Entscheidung, verstößt damit das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" nicht gegen die sich aus Art. 14 GG ergebenden besonderen Schranken des Eigentumsentzugs.

 

II. Verstoß gegen das Verbot der Einzelfallgesetzgebung (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG)

Das Gesetz könnte aber gegen das Verbot der Einzelfallgesetzgebung des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen: Der Fall, dass konkreten Personen durch Gesetz konkrete Eigentumspositionen entzogen werden, wurde bei der Schaffung des Grundgesetzes nahezu als der Prototyp des Einzelfallgesetzes angesehen, dessen Erlass durch Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG schlechterdings ausgeschlossen werden sollte.[67] § 2 des Gesetzes zum Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree) stellt eine solche Regelung dar, weil sie einen objektiv feststehenden, in Zukunft nicht erweiterbaren Personenkreis enteignet. Darauf, dass nicht die konkret betroffenen Personen ausdrücklich namentlich bezeichnet werden, kommt es für den Begriff des Einzelfallgesetzes nicht an. Wenn also Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG auf Legalenteignungen überhaupt Anwendung findet, wäre das Gesetz – ohne Abwägungsmöglichkeit – verfassungswidrig und die Verfassungsbeschwerde begründet.

 

Anmerkung: Teilweise wird Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG allerdings nur als besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes gesehen. Wenn also triftige Gründe für eine Einzelfallgesetzgebung vorliegen, soll dieses dennoch verfassungsgemäß sein.[68]Hierfür spricht insbesondere, dass andernfalls Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG dann in ein Spannungsverhältnis zu anderen Grundsätzen der Verfassung - namentlich mit dem Vorbehalt des Gesetzes in Form des Parlamentsvorbehalts - geraten könnte, wenn der Normgeber nur in der Gestalt des förmlichen Gesetzes zur Rechtssetzung befugt ist. So kann vermieden werden, dass die Staatsgewalt auch in Konstellationen zur Untätigkeit gezwungen wäre, in denen ein (zwingendes) Regelungsbedürfnis für den singulären Sachverhalt besteht.

 

Jedoch ist Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG auf Legalenteignungen i.S.d. Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG nicht anzuwenden: Das BVerfG geht jedenfalls davon aus, dass, gerade weil Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG die Legalenteignung ausdrücklich vorsehe, diese Vorschrift als speziellere Regelung Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verdränge,[69] also auch – unter Beachtung der allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze – die Enteignung durch Einzelfallgesetz zulässig sei.[70] Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG steht somit dem "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" nicht entgegen.

 

III. Verstoß gegen sonstiges materielles Verfassungsrecht

Eine Verfassungswidrigkeit des "Gesetzes über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" könnte sich jedoch dadurch ergeben, dass dieses Gesetz gegen sonstiges materielles Verfassungsrecht verstößt. Denn ein Gesetz vermag nur dann in verfassungsmäßiger Weise das Eigentumsrecht (wie jedes andere Grundrecht) Dörfles zu beschränken, wenn es in jeder Hinsicht verfassungsgemäß ist.[71] Nur dann stellt es auch ein "Gesetz" i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG dar. Insoweit rügt Dörfle insbesondere auch, dass das Gesetz das durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Selbstverwaltungsrecht der Stadt Fürstenwalde verletze. Jedoch ist bereits geklärt worden, dass auch eine solche Verletzung hier nicht vorliegt (siehe hierzu Lösungsvorschlag zur Verfassungsbeschwerde der Stadt Fürstenwalde, Zweiter Teil B III). Dass das Gesetz gegen sonstige Verfassungsbestimmungen verstößt, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

 

IV. Ergebnis zu B

Nach alledem ist das "Gesetz über den Bau der Südumfahrung Fürstenwalde (Spree)" in jeder Hinsicht verfassungsgemäß und kann daher Dörfle nicht in seinen Grundrechten verletzen. Die Verfassungsbeschwerde ist somit unbegründet.

Anmerkung: Andere Ansichten – gerade in Bezug auf die Frage, ob der planerische Gestaltungsspielraum durch den Gesetzgeber eingehalten wurde – sind natürlich vertretbar. Bei der Entscheidung zur Lex Stendal[72], der der Sachverhalt nachgebildet ist, handelt es sich sicherlich um eine der weniger durchdachten und daher nur sehr eingeschränkt überzeugenden Entscheidungen des Gerichts. Dies betrifft weniger die verfassungsrechtlichen Grundannahmen als solche als die Art und Weise, wie der entscheidungserhebliche Sachverhalt an diesen Grundannahmen gemessen wird.

 

C) Gesamtergebnis

Die Verfassungsbeschwerde Dörfles ist somit zulässig, jedoch nicht begründet. Sie hat damit keine Aussicht auf Erfolg.

 

Literaturhinweise: Vgl. hierzu BVerfGE 95, 1ff.; Blümel, DVBl. 1997, 205ff.; Ossenbühl, in FS Hoppe 2000, 183ff.; Jarass, in FS Hoppe 2000, 229ff.; Guckelberger, Jura 2008, 819 ff.; Hufeld, JZ 1997, 302ff.; Kunig, Jura 1993, 308ff.; Pabst, UPR 1997, 284ff.; Schmidt, JA 2008, 763ff.; Wahl, DVBl. 1993, 517ff. (526ff.); Schneller, ZG 1998, 179ff.

 


[1] Siehe hierzu die gute Darstellung des Meinungsstandes bei Bleckmann, Staatsrecht II - Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, Rn. 137 ff.; Guckelberger, Jura 2008, 819, 820 f.

[2] BVerfGE 61, 82, 108 f.

[3] So auch BVerfG, 2 BvR 403/02 v. 23.7.2002, Abs. 11 ff. = NVwZ 2002, 1366 f.; BVerfG, 2 BvR 622/03 v. 28. 9. 2004 = NVwZ 2005, 82 f.; Guckelberger, Jura 2008, 819, 821 f.

[4] Einführend zur Kommunalverfassungsbeschwerde Guckelberger, Jura 2008, 819 ff.; Schmidt, JA 2008, 763 ff.

[5] Vgl. hierzu Guckelberger, Jura 2008, 819, 824; Schmidt, JA 2008, 763, 765 f.

[6] BVerfG (K), 2 BvR 693/04 v. 11.5.2004, Abs. 8 und 10 = NVwZ 2004, 1349 f.

[7] Vgl. hierzu Benda/Klein, Rn. 648 ff.; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 93 Rn. 792 ff. [Bearbeitung 1982].

[8] BVerfGE 6, 273, 278; BVerfGE 78, 350, 354.

[9] Vgl. BVerfGE 76, 107, 116.

[10] Vgl. BVerfGE 76, 107, 112 f.; Guckelberger, Jura 2008, 819, 824; Schmidt, JA 2008, 763, 768.

[11] BVerfG, 2 BvR 329/97 v. 19.11.2002, Abs. 43 ff. = BVerfGE 107, 1, 11 ff.

[12] Vgl. BVerfGE 56, 298, 312 f.; BVerfGE 76, 107, 116; BVerfG, 2 BvR 1176/99 v. 18. 7. 2001, Abs. 8 = NVwZ 2002, 72 f.

[13] Vgl. BVerfGE 76, 107, 118 f.

[14] BVerfGE 56, 298, 312 f.; BVerfGE 76, 107, 119 f.

[15] BVerfGE 6, 32, 41.

[16] So Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 93 Rn. 813 [Bearbeitung 1982|.

[17] zuletzt: BVerfG, 2 BvR 1641/11 v. 7.10.2014, Abs. 126 = BVerfGE 137, 108, 162; hierzu Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 91 Rn. 64 ff.; Guckelberger, Jura 2008, 819, 821; Schmidt, JA 2008, 763, 768; Starke, JuS 2008, 319, 323

[18] BVerfGE 1, 167, 181.

[19] BVerfGE 71, 25, 37 f.; BVerfG, 2 BvR 2433/04 v. 20.12.2007, Abs. 127 = BVerfGE 119, 331, 356; BVerfG, 2 BvR 1641/11 v. 7.10.2014, Abs. 127 = BVerfGE 137, 108, 162.

[20] BVerfGE 1, 167, 184; BVerfG, NVwZ 1987, 42, 43; BVerfG, 2 BvR 2185/04 v. 25.1.2005, Abs. 19 = BVerfGE 112, 216 ff.

[21] BVerfGE 1, 167, 183.

[22] Jedenfalls dem Grundsatz nach: BVerfGE 71, 25, 37 f.

[23] BVerfGE 56, 298, 310.

[24] BVerfGE 56, 298, 311.

[25] Schoch, DVBl. 2008, 937, 941 f.

[26] BVerfG, 2 BvR 2433/04 v. 20.12.2007, Abs. 130 ff. = BVerfGE 119, 331, 356 ff.

[27] BVerfGE 76, 107, 115.

[28] siehe hierzu Kümper, JuS Beilage zu Heft 6/2015, 43, 46 f.; Kunig, Jura 1993, 308, 309 ff.

[29] BVerfGE 95, 1, 15 ff.; BVerfG, 2 BVE 5/11 v. 21.10.2014, Abs. 136 ff. = BVerfGE 137, 185, 234 f.

[30] BVerfGE 95, 1, 16 f.

[31] Vgl. BVerfGE 95, 1, 18 ff.

[32] U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 263.

[33] Pabst, UPR 1997, 284, 285.

[34] Vgl. Pabst, UPR 1997, 284, 286.

[35] Vgl. BVerfGE 95, 1, 18.

[36] BVerfGE 76, 107, 119 f.

[37] Vgl. BVerfGE 95, 1, 27.

[38] BVerfGE 76, 107, 121.

[39] Vgl. BVerfGE 56, 298, 312  ff., 319.

[40] BVerfGE 95, 1, 22 f.

[41] Vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 74 Rn. 26 ff.

[42] BVerfGE 76, 107, 122.

[43] BVerfGE 95, 1, 26 f.

[44] Vgl. BVerfGE 95, 1, 24 ff.

[45] Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 97 f.

[46] BVerfGE 95, 1 ff.

[47] BVerfGE 6, 273, 278; BVerfGE 78, 350, 354.

[48] Vgl. BVerfGE 24, 33, 53 f.

[49] Siehe auch BVerfG, 1 BvR 300/06 v. 15.2.2007, Abs. 5 und 9 = NVwZ 2007, 573 f.

[50] Sperlich, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 90 Rn. 127.

[51] BVerfGE 69, 122, 124 ff.; BVerfG, 1 BvR 1502/08 v. 4. 5. 2011, Abs. 48 f. = NVwZ 2011, 991.

[52] Vgl. zur Aufgabe des Subsidiaritätsgrundsatzes, dies zu verhindern, BVerfGE 71, 25, 34 f.; BVerfGE 79, 1, 20.

[53] Vgl. BVerfGE 71, 305, 335 ff.

[54] BVerfG, 1 BvR 1512/97 v. 22. 5. 2001, Abs. 29 f. = BVerfGE 104, 1, 9 f.; BVerfG, 2 BvR 2194/99 v. 18. 1. 2006, Abs. 35 = BVerfGE 115, 97, 111 f.

[55] Vgl. BVerfGE 66, 248, 257.

[56] Vgl. BVerfGE 66, 248, 257.

[57] BVerfGE 95, 1, 22 f.

[58] vgl. BVerfGE 95, 1, 18 f., 23; krit. Ossenbühl, in: Festschrift Hoppe, 2000, S. 183, 188 f.; ferner Eisenmenger, NVwZ 2013, 621, 623.

[59] Vgl. BVerfGE 24, 367, 400 ff.; BVerfGE 35, 348, 361 f.; BVerfGE 37, 132, 141; BVerfGE 45, 297, 333; BVerfGE 95, 1, 22.

[60] Siehe aber BVerfGE 70, 35, 56.

[61] Siehe auch BVerfG, 1 BvR 300/06 v. 15.2.2007 = NVwZ 2007, 573 f.

[62] BVerfGE 24, 367, 402 f.

[63] BVerfGE 70, 35, 56 f.

[64] BVerfGE 95, 1, 22.

[65] Vgl. Blümel, DVBl 1997, 205, 211.

[66] Vgl. BVerfGE 95, 1, 18 f., 23.

[67] Vgl. hierzu Stern III/2, § 83 II 1, S. 712.

[68] so jetzt deutlich BVerfG, 2 BvR 2302/11 und 2 BvR 1279/12 v. 11. 7. 2013, Abs. 128 f.BVerfGE 134, 33, 88 ff.; ebenso Kunig, Jura 1993, 308, 311 f.

[69] BVerfGE 95, 1, 26; a. A. z. B. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 559 [Bearb. 2002].

[70] Vgl. auch BVerfGE 74, 264, 297; Hufeld, JZ 1997, 302, 304.

[71] Vgl. BVerfGE 6, 32, 41 [Elfes].

[72] BVerfGE 95, 1 ff.

 


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Fußnoten