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Brez'n, Maß und Kokain

Friedrich Hein ist seit Jahren Hauptdarsteller einer TV-Serie im Abendprogramm eines Privatsenders. In der Rolle des Kriminalhauptkommissars Kobal mischt er laut Beschreibung des Senders als freundlich-lässiger, aber professioneller Beamter mit unkonventionellen Methoden die Unterwelt auf. Bei einer Einschaltquote von 18% sehen durchschnittlich 3 bis 4,7 Millionen Zuschauer die Sendung. Neben seiner Rolle als Kommissar Kobal hat Hein in kleineren Rollen an über 200 Kino- und Fernsehproduktionen mitgewirkt. Ihm widmen sich auch einige kleinere Fanklubs. Zwischen 2012 und 2015 hatte Hein diversen Magazinen Interviews gegeben, in denen er unter anderem reuig eine Jahre zurückliegende Verurteilung wegen Drogenbesitzes ansprach und anmerkte, nunmehr ein großer Teeliebhaber geworden zu sein.

Im September 2016 wird Friedrich Hein auf dem Münchner Oktoberfest wegen Kokainbesitzes festgenommen. Zivilbeamte hatten beobachtet wie er von den Toiletten kommend „verdächtige Handbewegungen“ gemacht hatte und bei der folgenden Durchsuchung eine geringe Menge von 0,23g Kokain gefunden.

Wenige Tage später veröffentlicht eine bundesweit in hoher Auflage herausgegebene Tageszeitung auf ihrer Titelseite die Schlagzeile: „Brez’n, Maß und Kokain! Kommissar Kobal auf Oktoberfest geschnappt“. Auf Seite 13 wird die Festnahme beschrieben und auf die frühere Verurteilung von Hein wegen Drogenbesitzes hingewiesen. Die Information über die Identität der festgenommenen Person und den Tatvorwurf hatten die Journalisten auf Nachfrage von der zuständigen Staatsanwaltschaft erhalten.

Im Juli 2017 veröffentlicht die gleiche Zeitung einen Artikel über die Verurteilung von Friedrich Hein wegen Drogenbesitzes zu einer Geldstrafe i.H.v. 90 Tagessätzen, in seinem Fall 18.000 EUR. In dem Artikel wird auch aus seinem Geständnis vor Gericht zitiert, in dem er angibt, der Drogenkonsum habe ihn nicht glücklich gemacht.

Aufgrund einer Klage von Friedrich Hein gegen den Herausgeber der Zeitung, die in Berlin ansässige S-AG, werden ihm im November 2017 vom zuständigen Landgericht 5.000 EUR Schadensersatz wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die namentliche Nennung in den Berichten zugesprochen. Die S-AG wird außerdem zur Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung der Artikel verurteilt. Es bestehe kein ernsthaftes öffentliches Interesse an einer Berichterstattung. Drogenkonsum unter Künstlern sei vielmehr ein recht gewöhnlicher Vorgang ohne besonderen Nachrichtenwert. Insbesondere sei Hein auch nicht als Person des öffentlichen Lebens einzustufen, da höchstens dem von ihm dargestellten Charakter, Kommissar Kobal, ein hoher Bekanntheitsgrad und für jüngere Zuschauer eine gewisse Vorbildfunktion zukomme, nicht aber Hein selbst. Im Übrigen habe der berichtete Vorgang auf den Toiletten, also einem intimen Rückzugsort stattgefunden, was die Beeinträchtigung der Rechte von Hein besonders schwer wiegen lasse. Berufung und Revision bestätigen das Urteil.

Die S-AG sieht ihre Grund- und Menschenrechte verletzt. Friedrich Hein sei immerhin Hauptdarsteller einer besonders bei jungen Männern extrem beliebten Serie, der bewusst das Rampenlicht der Medien gesucht habe, um Werbung für sich zu machen. Indem er in Interviews angab, keine Drogen mehr zu nehmen, habe er insofern auf sein Recht auf Privatsphäre verzichtet. Außerdem werde vorliegend ja nicht über das Privatleben einer Prinzessin, sondern über ernstzunehmende Straftaten und die Konsequenzen von Drogenkonsum berichtet. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bestätige die Relevanz dieses Unterschieds. Tatsächlich existiert Rechtsprechung des EGMR, die vorgibt, dass der Beitrag einer Berichterstattung zu einer Debatte von öffentlichem Interesse ein relevanter Faktor in solchen Konstellationen ist.

Die S-AG erhebt fristgemäß per Fax Verfassungsbeschwerde gegen das letztinstanzliche Urteil, in der sie eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 5 I GG und Art. 10 EMRK rügt.

 

Wird die Beschwerde Erfolg haben?


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© Heike Krieger (Freie Universität Berlin)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Björnstjern Baade
Stand der Bearbeitung: August 2018