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Arbeitsvermittlung mit bürokratischen Hindernissen

Der Grieche Alexis Papariga betreibt eine Sportlervermittleragentur namens „Alexis Papariga Sàrl (Société à responsabilité limitée)“ in Form einer französischen GmbH in Paris. Nun will er den Sprung nach Deutschland wagen. Sein Geschäftsmodell sieht vor, dass die Alexis Papariga Sàrl von ihrem Firmensitz in Paris aus selbständige Sportler für kurz- und mittelfristige Engagements, also von wenigen Tagen bis zu ca. drei Monaten, an deutsche Sportvereine vermittelt, etwa für den Fall, dass die dort fest angestellten Sportler sich verletzen und deshalb kurzfristiger Ersatz nötig wird. Aufgrund der vielen Sportvereine in Berlin plant die Alexis Papariga Sàrl zunächst, ausschließlich in Berlin tätig zu werden.

Nachdem Alexis Papariga Erkundigungen eingezogen hat, stellt er zutreffend fest, dass die von ihm vermittelten Tätigkeiten ebenso wie seine eigene Tätigkeit in Deutschland grundsätzlich genehmigungsfrei ist. Seit etwas mehr als einem Jahr besteht aber aufgrund des formell rechtmäßigen, nach Art. 70 ff. GG zustande gekommenen Limbosa-Gesetzes eine Registrierungspflicht für die von ihm vermittelten Tätigkeiten, sofern der entsandte Selbstständige oder der Vermittler seinen Sitz im Ausland hat (§ 53 Abs. 1 LimbosaG). Die Registrierung ist vom entsandten Selbständigen, im Falle einer Vermittlung jedoch vom Vermittler vorzunehmen (§ 53 Abs. 2 LimbosaG). Nach § 53 Abs. 3 LimbosaG ist die Registrierung für einen Zeitraum von höchstens zwei Monaten gültig und muss ggf. jedes Mal nach Ablauf des Zeitraums für höchstens zwei Monate verlängert werden. Nach § 54 LimbosaG umfasst die Registrierung eine Fülle von Daten, u.a. die Identifizierungsdaten des entsandten Selbständigen; das Beginndatum der Entsendung nach Deutschland; die voraussichtliche Dauer der Entsendung nach Deutschland; den Ort, an dem die Arbeitsleistungen in Deutschland erbracht werden; die Art der Leistungen, die im Rahmen der Entsendung erbracht werden; die Mehrwertsteuernummer des Herkunftslandes; sowie die Identifizierungsdaten des entsandten Selbständigen und ggf. des Vermittlers. Eine Verletzung der Registrierungspflicht ist nach § 57 LimbosaG mit einem Ordnungsgeld bewehrt, so kann der Vermittler – unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche oder eine juristische Person handelt – mit bis zu 25.000 € bestraft werden. Schließlich sieht § 65 LimbosaG vor, dass die Bundesländer, in denen der Vertragspartner der entsandten Selbstständigen bzw. des Vermittlers seinen Sitz hat, zuständig für die Erfassung der Informationen sind. Die gesammelten Daten werden für Zwecke der Statistik und Kontrolle in ein zentrales Register aufgenommen, auf das alle deutschen Behörden ohne Einschränkung Zugriff nehmen können.

Aufgrund dieses Gesetzes fürchtet Alexis Papariga nun einerseits die Arbeit, die die Registrierungspflicht ihm abfordert, andererseits eine hohe Geldbuße, falls er der Pflicht nicht nachkommt. Er will daher wissen, ob seine Sàrl wirklich eine Registrierung vornehmen muss und klagt gegen das Land Berlin. Er legt seine Befürchtungen in der Klage dar und verlangt, dass das VG Berlin das Limbosa-Gesetz für rechtswidrig erklärt und feststellt, dass er direkt aus den Grundfreiheiten einen Anspruch auf Ausübung seiner Tätigkeit besitzt.

Papariga trägt weiter vor, dass das Limbosa-Gesetz eine Beschränkung der Grundfreiheiten aus dem AEUV darstelle. Unter Umständen koste ihn der benötigte Aufwand mehrere Tage Arbeit pro Jahr. Dies lohne sich angesichts der geringen Gewinnmargen aber nicht. Da es sich sogar um eine Diskriminierung handle, könnten nur die geschriebenen Rechtfertigungsgründe greifen. Die seien aber nicht einschlägig. Hilfsweise trägt Papariga vor, dass das Limbosa-Gesetz aufgrund seines allgemeinen und umfassenden Anwendungsbereichs jedenfalls nicht verhältnismäßig sei. Die Registrierungspflicht beruhe auf einem generellen Betrugsverdacht, der die Registrierungspflicht nicht rechtfertigen könne. Vielmehr müsse Deutschland im begründeten Einzelfall die entsprechenden Daten aus dem Heimatstaat anfordern.

Dem wird vom Land Berlin entgegengehalten, dass deutsche Gerichte Europarecht nicht unmittelbar anwenden dürften. Hilfsweise trägt das Land Berlin vor, dass eine (diskrimi­nierende) Beschränkung der Grundfreiheiten nicht vorliege, da ein entsandter Selbständiger im Durchschnitt nicht mehr als 20 bis 30 Minuten im Jahr für die mit diesem System verbundenen Formalitäten aufwende. Selbst wenn man eine Diskriminierung annehme, sei diese faktischer Natur und daher aufgrund zwingender Erfordernisse gerechtfertigt. Die vorliegenden Maßnahmen seien zur Überwachung und zur Aufdeckung von Betrugsfällen – vorliegend durch Umgehung der Sozialvorschriften, insbesondere in Gestalt von Schwarz­arbeit und Scheinselbständigkeit – zum Schutz des Systems der sozialen Sicherheit erforder­lich. Selbst wenn das Limbosa-Gesetz gegen Europarecht verstieße, dürfte das VG Berlin nicht einfach dazu kommen, es nicht anzuwenden oder für rechtswidrig zu erklären, sondern müsste diese Frage dem Bundesverfassungsgericht oder zumindest dem EuGH vorlegen.

 

Wie wird das VG Berlin entscheiden?

Bearbeitervermerk: Vorschriften der GewO und des GG sind nicht zu prüfen. Eine Harmonisierung liegt nicht vor. Das Gericht möchte – soweit rechtlich zulässig – eine Entscheidung treffen, ohne EuGH oder BVerfG anzurufen.


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