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Scheunenabbruch (Sachverhalt)

Der 79-jährige Rudolf Rüstig ist als Eigentümer des Grundstücks Am Kanal 14 im Pankower Ortsteil Karow im Grundbuch eingetragen. Auf dem Anwesen befinden sich ein Wohnhaus, in dem er mit seiner 78-jährigen Ehefrau Rita Rüstig lebt, und eine hieran angebaute, nicht mehr genutzte Scheune.

Nachdem infolge heftiger Regenfälle im Sommer des vergangenen Jahres das Fundament der Scheune unterspült worden war, brach deren Rückwand vollständig heraus, sodass das Scheunendach teilweise nicht mehr hinreichend abgestützt war und einzustürzen drohte. Auf diesen Umstand wurde das Bezirksamt Pankow durch Hinweise aus der Nachbarschaft am 2. August aufmerksam. Rudolf Rüstig war wenige Tage zuvor in einen Zustand dauernder Bewusstlosigkeit verfallen, dessen Ende nicht abzusehen war. Noch am 2. August begab sich daher die Bezirksstadträtin für Bauwesen im Bezirk Pankow, Karin Koslowsky, zu dem Anwesen und besichtigte dessen Zustand, den sie für gefährlich erachtete. Auf die Bewusstlosigkeit von Rudolf Rüstig aufmerksam gemacht, übergab Koslowsky als Bauaufsichtsbehörde am nächsten Tag Rita Rüstig einen an ihren Ehemann adressierten Bescheid.

In diesem Bescheid wurde Rudolf Rüstig aufgefordert, bis zum 30. August die Scheune auf eine Wandhöhe von maximal 70 cm abzutragen, gemessen ab dem Boden des Grundstücks. Gleichzeitig wurde ihm für den Fall, dass er dieser Anordnung nicht nachkommen sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro angedroht und auch festgesetzt. Der Bescheid war für sofort vollziehbar erklärt, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und – sowohl im Hinblick auf die Hauptsacheregelung als auch hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung – ausführlich begründet worden; seine förmliche Zustellung war angeordnet worden. Rita Rüstig unterschrieb dementsprechend ein auf den 3. August datiertes Empfangsbekenntnis. Koslowsky vermerkte dieses Datum auf dem Dokument und erklärte Rita Rüstig, dass sie hiermit das Schreiben als an ihren Ehemann zugestellt ansehe.

Frau Rüstig war nicht nur durch die Pflege ihres Mannes voll in Anspruch genommen, sondern auch gegen einen Abriss der Scheune, egal wie marode diese auch sein möge, was sie Koslowsky auch direkt bei Erhalt des Dokuments erklärte, und unternahm daher nichts.

Am 5. September verstarb Rudolf Rüstig, ohne noch einmal das Bewusstsein erlangt zu haben. Er wurde von seiner Frau als testamentarische Alleinerbin beerbt, die die Erbschaft auch annahm. Am 19. September nahm Koslowsky zusammen mit dem Architekten Bertram Bauklotz eine erneute Ortsbesichtigung vor. Der Architekt war der Ansicht, dass die Scheune nunmehr jederzeit einstürzen könne und hierbei Gefahr für Leib und Leben Dritter bestünde, da nicht auszuschließen sei, dass Teile der Scheune auf die Straße und den benachbarten Kinderspielplatz fallen könnten. Koslowsky bemerkte, dass sich der Riss am Giebel der Scheune erheblich verbreitert hatte.

Daraufhin beauftragte die Bezirksstadträtin für Bauwesen trotz der Proteste der Rüstig sofort ein Abbruchunternehmen mit dem Abbruch der Scheune, der am 23. September durchgeführt wurde. Am 16. Oktober erhielt Rita Rüstig nach ordnungsgemäßer Anhörung einen ausführlich begründeten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid der Bauaufsichtsbehörde, wonach sie 12.047,40 Euro zu zahlen habe. Hiervon entfielen 250, - Euro auf das von Rudolf Rüstig verwirkte Zwangsgeld, dessen Festsetzung bestandskräftig geworden sei und wofür sie als Rechtsnachfolgerin in Anspruch genommen werden könne. Die restlichen 11797,40 Euro habe die Verwaltung aufgrund ihres Beseitigungsauftrages an das Abbruchunternehmen zahlen müssen. Sie habe als Eigentümerin des Anwesens für die Kosten der notwendig gewordenen Ersatzvornahme einzustehen. Die Kosten des Abbruchs wurden zutreffend angegeben und im Einzelnen aufgeschlüsselt.

Gegen diesen Bescheid erhob Rita Rüstig form- und fristgerecht Widerspruch, der mit am 20. November zugestelltem Widerspruchsbescheid als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Am 13. Dezember erhob Rita Rüstig daraufhin „gegen das Schreiben vom 16. Oktober“ vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage. Was ihr Mann an Zwangsgeld verwirkt habe, gehe sie nichts an. Im Übrigen habe sie das Abbruchunternehmen nicht bestellt und müsse daher auch nicht dafür zahlen – da könne ja jeder kommen.

Hat die Klage Rita Rüstigs vor dem Verwaltungsgericht Berlin Aussicht auf Erfolg?

 

Bearbeitervermerk: Gehen sie davon aus, dass Rita Rüstig weder gerichtlich zur Betreuerin ihres Mannes bestellt, noch von diesem vor seiner Bewusstlosigkeit zu seiner Vertretung bevollmächtigt wurde. Gehen Sie ferner davon aus, dass die Zuständigkeit des Bezirksamtes als Annexkompetenz zu Nr. 15 Abs. 1 ZustKat Ord, hilfsweise aus Nr. 37 Abs. 2 letzte Variante ZustKat Ord folgt.

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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)


Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Dominik Steiger, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Mai 2018