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Waterfront Taxi (Sachverhalt)

Dora Düsentrieb (D) ist Geschäftsführerin der Waterfront Taxi GmbH (W). Mit dieser plant sie, auf der Spree zwischen Bellevue und Jannowitzbrücke einen Taxibetrieb einzurichten. Diese „Kanzler-Taxis“ sollen Geschäftsleuten wie auch Touristen die Möglichkeit bieten, schnell und in besonderer Weise die Innenstadt zu durchqueren. Hierfür hat sie auch bereits, im Namen der Gesellschaft, zehn mit Brennstoffzellen ausgestattete Motorboote gekauft und bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt die Erlaubnis beantragt, diese auf der Spree einsetzen zu dürfen. Bislang fahren dort lediglich die „historischen Spreedampfer“ eines Konkurrenten.

Die Senatsverwaltung lehnt den Antrag jedoch, nach Anhörung von D, mit Bescheid vom 30.11.2016 ab. Zur Begründung führt sie aus, der Erlaubnis stünden § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Spreeschifffahrtsverordnung (SSVO) entgegen. Laut diesen Vorschriften könne eine entgeltliche Personenbeförderung nur für durch die Stadt beauftragte sowie für „spreetypische“ historische Wasserfahrzeuge genehmigt werden. Die Begrenzung auf vom Senat beauftragte Anbieter sei zum Umweltschutz, aus Gründen der Sicherheit und wegen der Erhaltung des Freizeit- und Erholungswertes der Spree für andere Nutzer auch dringend geboten. Die Ufersubstanz werde – was zutrifft – durch die Scher- und Sogwirkung der Schiffsantriebe beeinträchtigt, da die Basis der Ufermauern hierdurch langsam erodiert. Mehr maschinenangetriebene Schiffe würden auch zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der vorhandenen Nutzungen, insbesondere der Freizeitnutzung der Uferanlage führen. Die Ausnahme in § 2 Abs. 2 Nr. 2 SSVO für „spreetypische“ historische Fahrzeuge diene der Traditionspflege und der Bewahrung stadtgeschichtlich beachtlichen Kulturgutes.

D sieht die Rechte der W verletzt und erhebt in deren Namen Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Sie ist der Auffassung, die SSVO sei, insofern als sie das Befahren der Spree mit Motorbooten grundsätzlich verbiete und Ausnahmen für entgeltliche Personenbeförderung nur für städtisch beauftragte oder historische Fahrzeuge zulasse, rechtswidrig. Das grundsätzliche Verbot von Motorbooten komme einem Berufsverbot gleich und die Ausnahmen würden andere Unternehmen in diskriminierender Weise ausschließen. Es seien die Rechte der W aus Art. 3, 12 und 14 GG verletze. D wendet – zutreffend – ein, dass es nie historische Spreedampfer gegeben habe. Auch die Bevorzugung staatlich beauftragter Unternehmen sei nicht zu rechtfertigen. Sie beantragt daher festzustellen, dass die W für die entgeltliche Personenbeförderung auf der Spree keine Erlaubnis nach der SSVO benötigt.

Jedenfalls aber, so D, sei die Erlaubnis der W in ermessensfehlerhafter Weise nicht erteilt worden. Der zuständige Senator habe klar sachfremde Erwägungen einfließen lassen, als er in der Ablehnung u.a. die seiner Meinung nach altmodische Frisur der D als Begründung anführte. D beantragt daher hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Berliner Senat hält die Regelung aus den genannten Gründen für gerechtfertigt. Selbst wenn die Zulassungsgründe aus § 2 Abs. 2 SSVO diskriminierend sein sollten, habe dies keine Auswirkungen auf den Bestand des Fahrverbots aus Abs. 1. Sollte das Gericht die Verordnung dennoch insofern für rechtswidrig halten, müsse im Übrigen nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.

Wird die Klage der W Erfolg haben?

Bearbeitervermerk: Es ist davon auszugehen, dass die SSVO ordnungsgemäß aufgrund von § 28 Abs. 3 BWG und unter Beachtung von Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 VvB erlassen wurde. Europarecht ist nicht zu prüfen. Die Spree ist ein schiffbares Gewässer i. S. v. § 28 Abs. 2 BWG und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt die zuständige Behörde. Sollte der Hauptantrag begründet sein, ist der Hilfsantrag (soweit er für zulässig erachtet wird) hilfsgutachtlich zu prüfen.

 

§ 28 Berliner Wassergesetz (BWG) in der Fassung vom 17. Juni 2005

(1) Schiffbare Gewässer darf jeder zur Schiff- und Floßfahrt benutzen.

(2) Schiffbare Gewässer sind Gewässer, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Schiff- und Floßfahrt zugelassen sind oder künftig zugelassen werden.

(3) Die für die Schifffahrt- und Hafenaufsicht zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, die Ausübung der Schiff- und Floßfahrt im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, des Umweltschutzes, insbesondere der Gewässerreinhaltung, der öffentlichen Ruhe sowie des Eigentums, der Fischerei, der Gewässerkunde oder der Unterhaltung der Gewässer durch Rechtsverordnungen zu regeln oder zu beschränken. Insbesondere können Vorschriften erlassen werden über

1. den Betrieb und das Verhalten in Häfen und an Umschlagstellen;

2. zeitliche und örtliche Beschränkungen der Schiff- und Floßfahrt;

3. die Registrierung und die Kennzeichnung von Kleinfahrzeugen;

4. das Erfordernis einer Zulassung für Kleinfahrzeuge und über die Erteilung und den Entzug der Zulassungen; die Zulassung kann von bestimmten Anforderungen, insbesondere an die Lautstärke der Motore, das Mischungsverhältnis des Treibstoffes, die Abgase, die technische Ausrüstung und die Sicherheitseinrichtungen abhängig gemacht werden; ferner können Überprüfungen und das Überprüfungsverfahren festgelegt werden;

5. das Erfordernis einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kleinfahrzeugen und über die Eignung und Befähigung zum Führen von Kleinfahrzeugen, die Erteilung und den Entzug von Fahrerlaubnissen sowie über das Prüfungsverfahren.

Für Amtshandlungen auf Grund der Rechtsverordnungen werden Gebühren und Auslagen erhoben. Mit der Durchführung der Aufgaben, insbesondere mit der Erteilung von Zulassungen, der Abnahme von Prüfungen und der Erteilung von Fahrerlaubnissen können geeignete natürliche oder juristische Personen beauftragt werden. Sie unterstehen hierbei der Fachaufsicht der für die Schifffahrt- und Hafenaufsicht zuständigen Senatsverwaltung.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Bundeswasserstraßen.

 

§ 2 der Verordnung zur Regelung des Schiffsverkehrs auf der Spree (Spreeschifffahrtsverordnung – SSVO) vom 27. April 1998 – Zulässigkeit der maschinenangetriebenen Schifffahrt

(1) Der maschinenangetriebene Schiffsverkehr auf der Spree ist nur zulässig, wenn eine Erlaubnis zur Benutzung des Gewässers durch die zuständige Behörde vorliegt.

(2) Die nach Absatz 1 erforderliche Erlaubnis kann nur erteilt werden für:

1. Fahrzeuge, die für das Land Berlin die entgeltliche Personenbeförderung auf der Spree durchführen,

2. Fahrzeuge zur entgeltlichen Personenbeförderung für Rundfahrten mit historischen spreetypischen Fahrzeugen,

3. Fahrzeuge, die für Rettungszwecke vorgehalten oder eingesetzt werden,

4. Fahrzeuge der Stadt Berlin zur Wahrnehmung hoheitlicher oder sonstiger Aufgaben.

(3) Die Erlaubnis kann den Fahrbetrieb auf bestimmte Zeiten und das Fahrtgebiet auf einzelne Gewässerabschnitte oder -strecken beschränken. Sie wird grundsätzlich nur befristet erteilt und kann mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden. Die Erlaubnis kann versagt, an Bedingungen und Auflagen geknüpft werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die öffentliche Ruhe, der Schutz des Eigentums, der Uferbepflanzung oder Uferbefestigung, der gewässerbezogenen Flora und Fauna oder die Reinhaltung oder Unterhaltung des Gewässers es erfordern oder die von der Maschine erzeugten Emissionen den aquatischen Lebensraum oder die Luft nachteilig verändern können.


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© Heike Krieger und Markus Heintzen (Freie Universität Berlin)
Ausarbeitung: Björnstjern Baade

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Januar 2017