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Sitzung am 05.07.2017: Verteidigung in amerikanischen Strafverfahren (Bernhard Docke)

News vom 05.07.2017

Zur Gast in dieser Stunde war Bernhard Docke, ein Strafrechtsanwalt, welcher auch international tätig wird und uns anhand zweier spannender Fälle, mit denen er selbst zu tun hatte, die Besonderheiten des amerikanischen Rechtssystems näher gebracht hat.

Zum Einstieg machte er die wichtigsten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Strafverfahren deutlich. Besonders die amerikanische Rollenverteilung der Hauptakteure bei Gericht unterscheidet sich von der deutschen Rollenverteilung. Dem Richter kommt nicht wie bei uns in Deutschland die Funktion der Wahrheitsermittlung zu sondern lediglich eine Schiedsrichterfunktion. Die Verteidigung hingegen ist auf intensivere eigene Ermittlung angewiesen, um entlastende Beweise vorbringen zu können. Der Staatsanwalt ist außerdem nicht zur Objektivität verpflichtet, so wie es in Deutschland vorgeschrieben ist.  Schließlich entscheidet  nicht der Richter  über Schuld/ Unschuld sondern die Jury, womit der Juryauswahl eine zentrale Bedeutung zukommt. Das Verfahren lässt sich in zwei Verfahrensschritte unterteilen. Im ersten Schritt geht es um die Schuldfrage, was Sache der Jury ist. Anschließend entscheidet meistens der Richter über das Strafmaß, dies kann aber variieren, da das Strafrecht Sache der Bundesstaaten ist.

1. Fall: Mordfall Florida, 1999

Der Angeklagte soll seine Freundin ermordet haben. Bernhard Docke bekam mit dem Fall zu tun, da die amerikanische Behörde mit einer deutschen Akte konfrontiert war und deshalb auf deutsche Experten angewiesen war. Hintergrund war, dass der Beschuldigte sich bereits 19 Jahre zuvor des Totschlags an seiner Freundin auf gleiche Weise schuldig gemacht hatte und dafür 3 Jahre in Hamburg im Gefängnis saß. Man ging aufgrund der psychischen Verfassung des Angeklagten von einem minderschweren Fall aus. Nun wollte der amerikanische Staatsanwalt  mit der deutschen Akte als prior felony Todesstrafe erreichen. Auf rechtswidrigem Wege wurde die Akte beschaffen und nicht über offizielle Rechtshilfe, welche ohnehin nicht in Frage gekommen wäre, da der Prüfungsmaßstab inneres Recht ist und Todesstrafe in Deutschland verfassungswidrig ist. Die rechtswidrig erlangte Akte wurde also vom Richter gesperrt. In den USA haben die Medien die Diskussion jedoch übertragen, wodurch die Jury durch Umwertung der Argumente doch die Todesstrafe erreicht hat.

2. Fall: Mordfall in Garage in Montana

2014 wird ein 17-jähriger Austauschschüler aus Hamburg in Montana in einer Garage vom Grundstückbesitzer erschossen, bei dem Versuch an Bier zu gelangen, was in den USA zu einem bekannten Gebrauch gehört und von den meisten Bürgern geduldet wird. Bernhard Docke trat in der Rolle als Nebenkläger der Eltern des Jungen auf, was ihm, wie er meinte einen Perspektivenwechsel ermöglichte, da er sonst in der Rolle der Verteidigers auftritt. In Montana ist der Waffengebrauch innerhalb des eigenen Grundstücks frei, soweit es sich um Notwehr handelt (Castle-Doktrin), worauf sich der Angeklagte berufen wollte. Viele Indizien sprachen jedoch gegen Notwehr. Der Staatsanwalt zeigte sich kooperativ mit der Opferfamilie und die öffentliche Stimmung zeigte sich auf Seiten der Opferfamilie. Der Angeklagte wurde schließlich schuldig gesprochen.

Abschließend machte Herr Docke deutlich, dass sowohl das deutsche als auch das amerikanische Rechtssystem Mängel aber auch positivere Aspekte gegenüber dem anderen Systems aufweisen.