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05.07.2022 - Diana Blum: Verteidigung im Strafvollzug, Strafvollstreckung, Maßregelvollzug und Maßregelungsvollstreckung

17.07.2022

Rechtsanwältin Diana Blum war am 05.07.2022 Referentin zum Thema der „Verteidigung im Strafvollzug, Strafvollstreckung, Maßregelvollzug und Maßregelvollstreckung“. Diana Blum ist Fachanwältin für Strafrecht, Mitglied des Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin) sowie Mitglied in der Berliner Strafverteidigung e.V. und des RAV. Sie vertritt auch Menschen, die bereits verurteilt worden sind und sich in Strafhaft oder im Vollzug einer Maßregel befinden.

Frau Blum beginnt ihren Vortrag mit der Frage: Was passiert, nachdem wir eine Verurteilung haben? Das Gesetz kennt eine Reihe an Rechtsfolgen, die durch das Gericht im Urteil festgesetzt werden. Der Schwerpunkt ihres Vortrags sollen die freiheitsentziehenden Maßnahmen sein.

Zunächst ging es um die Unterscheidung des Strafvollzugs und der Strafvollstreckung. Der Strafvollzug beschäftigt sich mit dem „Wie?“. Das heißt, unter welchen Bedingung die Strafe zu vollstrecken ist. Häufig geht es beim Strafvollzug um Lockerungen der Strafe. Andere für Inhaftierte wichtige Themen sind z.B. der Besitz von Gegenständen, die der Gefangene gerne haben möchte. Frau Blum berichtet von praktischen Beispielen, dass dies verschiedenste Gegenstände wie Bücher sein können, aber auch Lampen, welche das Licht wechseln können. Häufig geht es auch um die Ansprüche des Inhaftierten oder welche medizinische Versorgung ihm/ihr zur Verfügung steht.

Hingegen geht es bei der Strafvollstreckung um die Frage des „Ob“ oder „Wann“.

Der Strafvollzug ist Ländersache und unterfällt dem Verwaltungsrecht, jedes Bundesland hat somit ein eigenes Strafvollzugsgesetz. Frau Blum berichtet, dass Lockerungen der Strafe für die betroffene Person wichtig sind, da diese in der Regel Voraussetzung für eine vorzeitige Haftentlassung sind. Der Grund hierfür liegt darin, dass Lockerungen sehr wichtige Indizien für den Richter sind, dass der oder die Inhaftierte keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Die Entscheidung, ob eine Lockerung gewährt wird, ist eine Ermessensentscheidung der Justizvollzugsanstalt, bei der auf die Missbrauchsgefahr und Fluchtgefahr abgestellt wird.

Um die erwünschten Lockerungen durchsetzen zu können, nehmen Häftlinge teilweise die Hilfe eines Anwalts oder einer Anwältin in Anspruch. Die Justiz beziehungsweise die JVA sitzen am längeren Hebel und können daher leicht eine erwünschte Lockerung ablehnen. Es kommt daher so gut wie nie eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Viele Lockerungen erstreiten sich die Häftlinge selbst, in manchen Fällen sind sie doch auf Anwält*innen angewiesen. Vor allem, wenn es um die Ablehnung einer medizinischen Behandlungsmaßnahme, auf die in der Regel ein Recht besteht, durch die Justizvollzugsanstalt geht. Aber auch Disziplinarmaßnahmen gegen Inhaftierte sind oft Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit.

Als nächstes ging es um die Frage der vorzeitigen Entlassung, beziehungsweise der Strafaussetzung. Die vorzeitige Entlassung richtet sich nach § 57 StGB. Das Gericht stellt dabei eine sogenannte Legalprognose auf.

Unter einer Legalprognose wird die Erwartung des Gerichts verstanden, dass jemand in Zukunft nochmal Straftaten begeht und wenn ja, welche Arten von Straftaten. Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass derjenige keine Straftaten mehr begehen wird, kann derjenige vorzeitig entlassen werden. Eine Reststrafaussetzung kommt in Berlin, laut Frau Blum, jedoch äußerst selten vor.

Der Strafgefangene stellt hier selbst den Antrag bei der Hälfte der Strafzeit. Bei 2/3 Aussetzung stellt die Anstalt den Antrag an die Staatsanwaltschaft. Die JVA gibt eine Stellungnahme ab und spricht eine Empfehlung aus. Dann gibt die Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme ab, die an die Strafvollstreckungskammer gesendet wird. Die Entscheidung wird durch Anhörung vom Gericht getroffen. Hier hat der Gefangene die Möglichkeit, sich vertreten zu lassen. Soll eine lebenslange Freiheitsstrafe ausgesetzt werden, ist eine anwaltliche Vertretung Pflicht. Gegen eine abgelehnte Aussetzung ist eine Beschwerde möglich, welche ebenfalls mit anwaltlicher Hilfe eingereicht wird.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den Frau Blum ansprach, war der § 35 BtMG, er regelt den Grundsatz: Therapie statt Strafe. Der Strafgedanke soll hinter einer Therapie zurücktreten, dies soll vor allem bei Abhängigen angewandt werden. Voraussetzung für ein „ 35er fähiges Urteil“ ist, dass die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde und die Strafe nicht noch mehr als zwei Jahre betragen darf. Es muss ein Antrag gestellt werden, dass eine Maßnahme nach § 35 BtMG durchgeführt werden soll, dies kann in schwierigen Fällen auch anwaltlich begleitet werden. 

Im Folgenden ging es um die Führungsaufsicht und deren Abgrenzung zur Bewährung  Die Führungsaufsicht ist eine der in §§ 61 ff. StGB geregelten Maßregeln der Besserung und Sicherung. Der Unterschied zur Bewährung ist, dass ein Verstoß gegen die Weisung strafbewährt ist (vgl. 145a StGB) Beide Formen der Strafaussetzung können mit Auflagen verbunden sein. Bei der Führungsaufsicht erhält der Betroffene Weisungen durch das Gericht (per Beschluss), sie sollen helfen, dass diese Person nicht mehr straffällig wird. Unter anderem kann Sexualstraftäterinnen oder Sexualstraftätern folgende Weisung erteilt werden: „Nähere dich nicht einem Kinderspielplatz.“ Ein Verstoß gegen die Führungsaufsicht ist eine Straftat und es kommt zu einem neuen Strafverfahren. Hingegen wird eine Bewährung bei Verstoß gegen die Bewährungsauflagen widerruflich.

Anschließend ging es um den Maßregelvollzug, also die freiheitsentziehende Unterbringung von psychisch kranken oder suchtkranken Straftätern nach §§ 63, 64 StGB.

Bei dem Verurteilten nach § 63 StGB besteht in der Regel keine Schuldfähigkeit oder zumindest verminderte Schuldfähigkeit, weshalb dieser in ein psychiatrisches Krankenhaus kommt. Um aus dem Maßregelvollzug herauszukommen ist ein Sachverständigengutachten notwendig, welches bestätigen soll ,dass von der Person keine Gefahr mehr ausgehen wird. Dies ist häufig problematisch, da wenige Sachverständige zu einem solchen Gutachten bereit sind, da im Falle einer erneuten Straftat der entlassenen Person die Verantwortung auf sie zurückfällt. Die Personen, welche nach § 63 StGB im Maßregelvollzug sind bleiben meist einen längeren Zeitraum in Verwahrung als solche, die in Strafhaft sind. Frau Blum merkt hier an, dass der Mangel an Therapien ein großes Problem ist. Es wird hier nicht so behandelt, wie es sollte und somit werden die betroffenen Personen meist immer kränker, desto länger sie in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind.

Abschließend wurde über die Sicherungsverwahrung gesprochen. Die Sicherungsverwahrung ist in § 66 StGB geregelt. Sie ist keine Strafe, sondern ein Sicherungsmittel zum Schutz der Allgemeinheit, sie hat präventive Wirkung. Für die Sicherungsverwahrung besteht ein abgetrennter Bereich in der JVA. Es muss regelmäßig geprüft werden, ob die betroffene Person weiter in Sicherungsverwahrung bleibt, allerdings nicht jedes Jahr durch eine:n Gutachter:in. Anders als bei der Maßregel des § 63 gibt es keine Fristen, in welchen Abständen ein Gutachten einzuholen sind. Meistens werden die Fristen aber analog angewandt.  Laut eines Urteils des BVerfG dürfen Sicherungsverwahrte viermal im Jahr nach draußen gehen, um den Bezug zu der Gesellschaft nicht zu verlieren. Das wurde zwar vom BVerfG entwickelt, ist inzwischen aber Gesetzeslage.

Nach dem Vortrag ist Frau Blum noch auf Fragen eingegangen. Es kam die Frage auf, ob in Deutschland auch Fußfesseln zum Einsatz kommen könnten, um beispielsweise ein Strafe nicht in Haft vollziehen zu müssen. Dies ist in Deutschland laut RAin Blum jedoch sehr selten der Fall, obwohl es eine gute Alternative zur Sicherungsverwahrung darstellen könnte