Rückblick: Public-Health-Maßnahmen und individuelle Freiheit
Prof. Dr. Stefan Huster, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Lothar H. Wieler und Prof. Dr. Christian Calliess
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Lothar H. Wieler
News vom 03.06.2025
Am 27. Mai fand am Fachbereich Rechtswissenschaft eine weitere Veranstaltung der Vortragsreihe „Die FU und ihre Nachbarn – Im Spiegel des Rechts“ statt. Im Mittelpunkt des Abends stand das Thema „Public-Health-Maßnahmen und individuelle Freiheit: Herausforderungen während der COVID-19-Pandemie“.
Nach einem einleitenden Grußwort des Dekans, Prof. Dr. Thorsten Siegel, eröffnete Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Lothar H. Wieler, ehemaliger Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), den Vortragsabend. Grundlage seines Vortrags bildete ein bald erscheinendes Buchkapitel, das er gemeinsam mit Esther-Maria Antao verfasst hat.
Prof. Wieler warf zunächst einen Rückblick auf die Zeit der Pandemie, erläuterte die Rolle des RKI und die damalige Ausgestaltung des Infektionsschutzgesetzes. Er sprach zentrale ethische Dilemmata an, etwa das Spannungsfeld zwischen dem Schutz von Leben und Gesundheit sowie der Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems einerseits und den Eingriffen in Grundrechte andererseits. Das oft diskutierte Konzept der Herdenimmunität bewertete er als ethisch nicht vertretbar.
Besonderes Augenmerk legte Prof. Wieler auf das Thema Solidarität, das er als eine freiwillige, nicht durch den Begriff der „Tauschbeziehung“ zu charakterisierende, Haltung beschrieb. Auch die Impfpflicht war Thema: Hier sprach er sich deutlich dagegen aus und betonte, dass Vertrauen in öffentliche Institutionen letztlich entscheidender seien als Zwang. Dennoch sei das Recht in Krisenzeiten ein unerlässliches Instrument.
Im Anschluss sprach der Gesundheitsrechtler Prof. Dr. Stefan Huster (Ruhr-Universität Bochum), der seinen Vortrag in drei Anmerkungen gliederte. Er kritisierte zunächst ein Demokratie-Versagen während der Pandemie, etwa die unzureichende Rolle des Parlaments, das sich in der Zeit zurückgezogen habe. In seiner zweiten Anmerkung sprach er über die problematische Überlagerung des öffentlichen Diskurses, etwa durch einen allgemeinen Protest gegenüber dem Staat. Abschließend hob er die Bedeutung von Transparenz hervor, insbesondere bei der Kommunikation wissenschaftlicher Grundlagen und der daraus abgeleiteten politischen Maßnahmen. Auch forderte er eine Reform des Infektionsschutzgesetzes.
Die anschließende Panel-Diskussion, moderiert von Prof. Dr. Christian Calliess, bot Raum für zahlreiche Fragen aus dem Publikum. Unter anderem wurde das sogenannte „schwedische Modell“ thematisiert, zu dem Prof. Wieler erläuterte, dass es ein einheitliches Modell so nicht gegeben habe, sondern vielmehr unterschiedliche Phasen auch in Schweden zu beobachten gewesen seien. Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass das Infektionsschutzgesetz novellierungsbedürftig ist – insbesondere sollten im Vorfeld künftiger Krisen klare Zuständigkeiten definiert werden. Ein weiteres Diskussionsthema war die ungleiche Lastenverteilung während der Pandemie, wobei Prof. Huster betonte, dass insbesondere junge Menschen übermäßig belastet worden seien.
Der Abend klang bei einem Empfang auf Einladung des Fachbereichs aus und bot Gelegenheit zum persönlichen Austausch.
Die Vortragsreihe wird im Wintersemester fortgesetzt. Über die einzelnen Veranstaltungen werden wir wieder auf der Website der Vortragreihe informieren.
Bericht: Joshua Heper, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht und Europarecht (Univ.-Prof. Dr. Christian Calliess LL.M. Eur)