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Erfahrungsbericht über einen Studienaufenthalt an der Universidad Autónoma de Madrid im Wintersemester 2010/11

I. Vorbereitung

Als ich mich dazu entschloss, ein Semester in Spanien zu verbringen, hatte ich noch genau zwei Wochen Zeit, mich anzumelden. Das hieß nicht nur, ein Bewerbungsschreiben auf Spanisch zu verfassen, sondern auch, einen Sprachtest zu absolvieren. Ich hatte Spanisch zwar über Jahre hinweg in der Schule gelernt, nach dem Abitur jedoch völlig vernachlässigt. Dementsprechend groß war auch meine Nervosität vor diesem Test. Doch der Prüfer hatte großes Nachsehen mit mir und rechnete mir hoch an, dass ich zumindest alles verstand, was er sagte.

Meine Bewerbung richtete sich zunächst an die Universidad de Granada, dass es letztendlich Madrid wurde, ist im Nachhinein doch gut gewesen.

Schwieriger gestaltete sich dann schon die Kontaktaufnahme mit der Gasthochschule. Das ausgefüllte Learning Agreement wurde unterschrieben von meiner Heimathochschule mit der Bitte um unterschriebene Rücksendung nach Madrid geschickt. Die Rücksendung hat jedoch nie stattgefunden. Parallel dazu sollte noch eine Online-Anmeldung an der Gasthochschule vorgenommen werden. Diese führte ich ordnungsgemäß durch, die Bestätigungsmail der Gasthochschule erhielt ich jedoch nie.

So flog ich Mitte August ohne Rückmeldung und ohne unterschriebenes Learning Agreement nach Madrid.

II. Unterkunft

Für die ersten zehn Tage in Madrid hatte ich von Berlin aus ein Zimmer in einem Hostal reserviert. Ich hatte ein Einzelzimmer gebucht, was sich jedoch als etwas einsam herausstellte. Um in einer fremden Stadt neue Kontakte zu knüpfen, ist ein Mehrbettzimmer dann doch besser.

Ich machte mich sodann auf die Suche nach einem WG-Zimmer bei segundamano.es und loquo.es. Das war schwieriger als gedacht. Nicht nur hinsichtlich der anfänglichen Sprachschwierigkeiten meinerseits, sondern auch bezüglich der Wohnungsangebote. Es gab derer zwar sehr viele, aber die meisten waren erst ab Anfang September zu beziehen und ich brauchte schon eines eine Woche früher. Außerdem: Wohnen in Madrid ist teuer (zumindest im Vergleich zu Berlin)! Man muss sich also darauf gefasst machen, ein winzig kleines Zimmer für viel Geld zu beziehen.

Letztendlich habe jedoch auch ich ein nettes Zimmer für 350 € / Monat gefunden. Worauf man in Madrid bei der Wohnungssuche allerdings besonders achten sollte, sind die Vermieter. Viele meiner Bekannten dort hatten große Probleme mit ihren Vermietern. Und auch meine Vermieterin war kein Kind der Unschuld. Es zeichnete sich schnell ab, dass es sich um eine Person handelt, die möglichst schnell und einfach an Geld kommen will. So musste ich zum Beispiel für Besucher 2 € pro Tag zahlen, in den neuen Mietverträgen ab 2011 waren es sogar 6 €. Ich hielt es für besser, den Betrag zu zahlen, da es erstens so im Mietvertrag festgehalten war und die Vermieterin zweitens in die Wohnung kam, wann es ihr passte. Ich persönlich hatte nie Probleme mit ihr, da sie mich meistens in Ruhe ließ. Außerdem ließ ich mich von ihrer Art und den wiederholten Aufstachelungsversuchen gegen meine Mitbewohner nicht beeindrucken. Allerdings hatte ich von anderen Mitbewohnern Dinge über sie gehört, die mich im ersten Moment tatsächlich schockierten. Ihre Anzeige fand ich bei loquo.es. Ich hatte mich mit der Situation recht gut arrangiert und bin deshalb auch nicht umgezogen. Wäre ich jedoch länger als nur ein Semester geblieben, hätte ich mich erneut auf Wohnungssuche begeben.

III. Studium an der Autónoma

Bei einem ersten Besuch der Autónoma sollte man viel Zeit einplanen. Anfang September machte ich mich also zusammen mit einer Freundin auf den Weg zur außerhalb Madrids gelegenen Autónoma.

Am Campus angekommen, waren wir zunächst von der Weitläufigkeit beeindruckt. Unsere erste Etappe führte uns zur Oficina de Relaciones Internacionales (ORI) im Rectorado. Dort sollten wir uns einschreiben. Nachdem wir eine halbe Stunde gewartet hatten, freuten wir uns schon, auch gleich die tollen Willkommens-T-shirts, Willkommens-Mappen und Willkommens-Informationsmaterial zu bekommen. Doch leider standen wir beide nicht auf deren Erasmus-Liste. Wir wurden also zur ORI unserer juristischen Fakultät geschickt, um dort nachzufragen. Nach einem 10 minütigen Spaziergang quer über den Campus kamen wir dort an und waren zunächst von dem schönen Gebäude beeindruckt. Mit roten Klinkersteinen verziert, macht der Neubau den Eindruck einer riesigen Villa. Innen verläuft man sich zunächst recht schnell, doch letztendlich fanden wir das ORI.

Dort hieß es wieder eine Stunde warten. Die Zeit konnten wir allerdings gut nutzen, um Bekanntschaft mit anderen Erasmus-Studenten zu machen. Als wir endlich an die Reihe kamen, ging das Chaos weiter. Die E-Mail mit unseren Learning Agreements aus Deutschland war angeblich niemals angekommen. Merkwürdigerweise war mein Name jedoch auf der Incoming-Liste vermerkt. Wir legten also die Formulare im Original vor. Nach einem kurzen prüfenden Blick erhielten wir sie zurück, mit der Bitte, neue Kurse einzutragen, da jene für dieses Wintersemester nicht aktuell waren. Das war dann nach weiteren 30 Minuten erledigt.

Mit dem unterschriebenen Learning-Aggreement wanderten wir zurück zum Rectorado, wo sich wieder eine lange Schlange gebildet hatte. 40 Minuten warten - doch schließlich gingen wir völlig erledigt aber glücklich mit unserem Willkommens-T-shirt, Willkommens-Mappe und Willkommens-Informationsmaterial nach Hause.

Das ganze Immatrikulationsverfahren für die Kurse empfand ich als ziemlich verwirrend. Die Vorlesungszeit begann eine Woche nach meiner Immatrikulation, doch wir hatten bis Ende Oktober Zeit, uns für die Kurse zu entscheiden. Das heißt, wir pendelten mehrere Wochen von Kurs zu Kurs, um herauszufinden, welcher der bessere und welcher Dozent besser zu verstehen war. Ein richtiges Studiengefühl kam daher bei mir lange nicht auf.

Hinzu kam, dass der von der Gasthochschule angebotene Sprachkurs erst sehr spät begann (Mitte Oktober). Das fand ich persönlich schade, da ein solcher Sprachkurs gerade in der Anfangszeit helfen kann, Kontakte zu schließen. Abgesehen davon, hat mir der Kurs sehr geholfen, meine bereits in der Schule erlernte Grammatik wieder aufzufrischen und noch zu verbessern. Ich habe endlich die Anwendung des Subjuntivo verstanden. Ich habe allerdings auch viel Negatives aus anderen Sprachkursen gehört und bin daher froh, im Kurs von María gewesen zu sein.

Mich für die Art der Kurse zu entscheiden, fiel mir nicht schwer. Nach dem Besuch eines Grado-Seminars, war mir klar, ich würde nur Licenciatura-Kurse belegen. Dieses neue Grado-System nach Bologna ist sehr verschult und neben ständiger Anwesenheit zählen hier auch regelmäßige Hausaufgaben, Referate und Tests, mit denen man Punkte sammeln kann, die bereits für die Endnote zählen.

Ähnliches kann einem jedoch auch in einem Licenciatura-Kurs passieren. Die Dozentin des Internationlen Privatrechts vergab zum Beispiel 0,25 Punkte der Endnote für 80 % Anwesenheit. Für mich als deutsche Studentin war das sehr gewöhnungsbedürftig. Ich hatte ständig das Gefühl bevormundet zu werden und mein Studium nicht selbstständig organisieren zu können und dürfen.

Auch habe ich keinen richtigen Zugang zum Inhaltlichen finden können. Da die Lehrmethode eine ganz andere ist, als in Deutschland, ist auch die Lernmethode der Studenten eine andere. Es werden zum Beispiel höchst selten richtige Fälle gelöst. Falllösungsklausuren kennt man dort anscheinend nicht. Es werden im Gegenteil Multiple-Choice-Klausuren angeboten, die man jedoch keinesfalls unterschätzen sollte. Ich habe an einer solchen Klausur im Urheberrecht (Propiedad Intelectual bei Prof. Rodrigo-Bercovitz) teilgenommen und dafür wirklich sehr viel gelernt. Schließlich sind neben vielen Spaniern auch alle Erasmus-Studenten durchgefallen.

Glücklicherweise hatte ich in Rechtsfilosofie (Filosofía del Derecho) einen Professor (Sauquillo), der anstelle der Abschlussklausur eine Hausarbeit für Erasmus-Studenten anbot. Auch hierfür haben wir alle viel gearbeitet und haben letztendlich ALLE ganz knapp mit 5 Punkten bestanden. Wir waren uns alle einig, dass der Professor die Arbeiten nicht alle gelesen haben konnte, da er die Ergebnisse neben denen der normalen Klausur innerhalb einer Woche veröffentlicht hatte. Das war zwar einerseits etwas ärgerlich, aber auf der anderen Seite war ich auch stolz auf mich, eine 12-seitige Hausarbeit auf Spanisch verfasst und bestanden zu haben.

IV. Alltag und Freizeit

Einen Alltag hatte ich in Madrid nicht. Ich will nicht verschweigen, dass man als Erasmus-Student vor allem im ersten Drittel des Semesters mit vielen anderen Dingen als dem Studium beschäftigt ist.

Zunächst möchte man natürlich die Stadt und Leute kennen lernen. Mit denen erkundet man als nächstes das Nachtleben. Die vielen Veranstaltungen, die vom Erasmus Student Network (ESN) angeboten werden, seien es Wochenendreisen, Parties oder Museumsbesuche, sind zunächst auch viel spannender als Vorlesungen, von denen man anfänglich nur die Hälfte versteht.

Ich bemerkte bei mir jedoch nach gewisser Zeit einen kleinen Tiefpunkt. Nach zwei Monaten hatte ich erst einmal keine Lust mehr auf Parties und Weggehen und konzentrierte mich mehr auf die Uni. Das tat wirklich gut und bei der nächsten ESN-Veranstaltung hatte ich auch kein schlechtes Gewissen mehr.

Die Zeit nach Weihnachten war dann doch ziemlich hart und anstrengend. Ich habe den ganzen Januar mit Lernen verbracht und an meiner Hausarbeit geschrieben. Das alles fällt natürlich in einer Fremdsprache noch sehr viel schwerer als normalerweise.

V. Fazit

Schließlich kann ich nur sagen, dass ich jedem zu einem Auslandssemester raten kann. Ich kann zwar nicht sagen, dass mir diese sechs Monate sehr viel für meine akademische Laufbahn gebracht haben. Aber es war trotzdem sehr interessant, andere Lehr- und Lernmethoden mit der mir bekannten zu vergleichen. Auch habe ich einiges über das spanische Recht gelernt, es mir auf Dauer merken und anwenden werde ich in Deutschland doch eher nicht können. Jedoch habe ich noch nie zuvor in so kurzer Zeit so viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern der ganzen Welt kennengelernt. Die Gespräche, die ich mit ihnen führen konnte, sei es über Politik, Kultur oder anderes, haben mich sehr bereichert. Auch werde ich wahrscheinlich nie wieder die Möglichkeit haben, soviel eines anderen Landes (und das mit ESN sehr günstig) kennen zu lernen.

Über die Entwicklung meiner Sprachkenntnisse bin ich sehr zufrieden. Natürlich fehlen immer mal wieder Vokabeln. Aber von einem Spanier gefragt zu werden, woher aus Spanien man käme, macht richtig stolz.

Ich denke, die Zeit in Madrid hat mich noch ein bisschen mehr zu mir selbst geführt und ich hoffe, ich kann mir ein wenig von dem spanischen Lebensmotto „disfrutar la vida“ (das Leben genießen) bewahren.