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Das Jessup Team 2010: Berichte von der Vorbereitung bis zum Wettbewerb

 

Das Jessup Team 2010 (v.l.n.r.):

Sebastian Walther, Juliane Koch, Maria Blatkowska, Kristina Werner, Christopher Lautenbach

 

Erfahrungsbericht von Sebastian Walther

Das Kammergericht repräsentiert ein Stück Zeitgeschichte. Hier wurden einst die Attentäter des 20. Juni angeklagt und dem Volksrichter Roland Freisler vorgeführt. Heute tagen hier unter anderem das Berliner Verfassungsgericht und das Kammergericht. Nur Wenigen ist hingegen bekannt, dass am 27. Februar 2010 in den ehrwürdigen Hallen des alten preußischen Baus das Finale und Halbfinale des „Philip C. Jessup International Law Moot Court Competition“ stattfand. In die Zeitgeschichte wird dieser Tag wohl nicht eingehen, trotzdem werde ich ihn nie vergessen. Vor dem deutschen IGH-Richter Bruno Simma und weiteren Völkerrechtskoryphäen als Staatenvertreter des stolzen Königreichs Rydal zu stehen und sich mitten im Plädoyer, also im Eifer des Gefechts, nicht an den Namen des Mittelmeeranrainers Marokko erinnern zu können (dabei war ich dort dreimal im Urlaub), fällt schon schwer genug. Dabei waren wir doch so gut vorbereitet. Nachdem im Juni von unseren Coaches Dagmar Lutz und Jörg Kleis die Auswahlgespräche für das Jessup-Team 2010 geführt wurden, fand schon im August das erste Treffen statt. Ich konnte leider nicht kommen, weil im Urlaub (nicht in Marokko), aber mir wurde später überbracht, dass während dieses Treffens die Marschrichtung für die kommenden Monate schon einmal vorgegeben wurde. Der „Jessup“ erfordere Disziplin, Nachhaltigkeit, die Sache solle ernst genommen werden. Diese Ankündigung war nicht aus der Luft gegriffen. In den vier Monaten bis zu den mündlichen Verhandlungen erlebten wir „Mooties“ eine Betreuungsintensität, wie sie sonst wohl nur an den absoluten US- Spitzenunis zu beobachten ist. Dagmar Lutz und Jörg Kleis trafen sich ein bis zweimal jede Woche, um mit uns den Schriftsatz zu diskutieren. Später, als es in die Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung ging, trafen sie sich sogar mit uns in ihrer Freizeit zum teambuilding, inklusive Fernsehaufbauen. Als Höhepunkt organisierten die beiden mehrere Probeverhandlungen vor Professoren und Großkanzleianwälten in renommierten Rechtsanwaltskanzleien in Mitte. Sogar ein Rhetorikseminar war im Programm inbegriffen, indem ich endlich lernte, das Bauchatmen und Singen in der Badewanne entscheidend für den rhetorischen Erfolg eines Anwalts sind. Für diese erstklassige Betreuung erwarteten beide aber auch ein erstklassiges Engagement von uns „Mooties“. Da soll man sich gar nichts vormachen. Vor allem das Erstellen der Schriftsätze erfordert Arbeit und Energie. Die Quellenlage und Dogmatik im Völkerrecht ist herausfordernd. So verbrachten wir „Mooties“ viel Zeit in der Bibliothek und Zuhause, um das völkerrechtliche Selbstbestimmungsrecht und das internationale Investitionsschutzrecht zu durchleuchten. Trotz allem ist der Arbeitsaufwand machbar. Ich habe damals neben dem „Jessup“ noch den Schwerpunkt und das propädeutische Seminar gemacht und hatte trotzdem noch genug Zeit für viel Schlaf. Der Schlaf litt dann aber trotzdem, als Ende Februar endlich der Startschuss für die mündlichen Verhandlungen in Berlin fiel. Eingeläutet wurden die Verhandlungen mit einem großen Empfang und sie endeten mit einer großen Abschlussgala, in der sich Studenten, also „learned friends“, von 15 deutschen Unis näher kennen lernten. Dazwischen lagen drei großartige Verhandlungstage, in denen man schick gekleidet, namhafte Völkerrechtler von seiner (natürlich der richtigen) Position zu überzeugen versuchte. Das mit dem Überzeugen klappte sehr gut, bis eben das Halbfinale kam und eben Marokko. Ausgeschieden - aber was für Monate! Soviel über Jura gelernt, das Völkerrecht, Psychologie, Gruppendynamik, Stressbewältigung, Schreiben und das Leben als Staatenvertreter des großartigen Königreichs Rydal!

 

Erfahrungsbericht von Christopher Lautenbach

 

Warschau, Wien oder Washington – viele Moot Courts locken mit großartigen Reisen. So auch der Philip C. Jessup International Law Moot Court. Erst geht es zur deutschen Endausscheidung in die Stadt des Vorjahresgewinners (dies könnte z.B. München oder Düsseldorf sein) und die drei besten Teams fliegen für eine Woche zum internationalen Finale nach Washington. Was für Aussichten also, als wir uns im Sommer 2009 für den Jessup bewarben! Ein halbes Jahr später, im Januar 2010 gingen unsere beiden Reisen dann nach Dahlem in die Boltzmannstr. 3 und nach Schöneberg in das (zugegeben äußerst beeidndruckende!) Kammergericht Berlin. Trotzdem -und das sollte alles über den „Jessup“ aussagen- war es eine großartige Erfahrung, die ich wirklich jedem empfehlen kann und werde! Die eigentliche Reise des „Jessup“ ist nämlich die durch einen äußerst vielseitigen und komplizierten Fall, den man in den ersten Wochen kaum versteht und am Ende fast im Wortlaut wiedergeben kann. Unser Fall war angelehnt an den Falkland-Konflikt (In der Zeitung klang das immer so simpel!) und umkreiste das Recht der Staatengründung und des Investitionsschutzes. Mindestens genauso viel wie über das Völkerrecht haben wir aber über uns selbst gelernt, darüber wie wir arbeiten und wie wir auf andere Menschen wirken. In zahllosen Probe-Verhandlungen („Pleadings“) vor Professoren, in Großkanzleien, vor ehemaligen Mooties und unseren Coaches wurde alles bewertet, was man sagte, aber auch wie man es sagte, wann man es sagte, was man nicht sagt, was die Hände dabei machen, was die Augen machen, der Mund, die Beine... Und all das ist wichtig! Beim Anschauen der Videoaufzeichnung eines unserer Probe-Pleadings wurde mir beispielsweise klar, wie sehr es nervt, wenn ich aus Nervosität alle 5 Sekunden die Blätter auf dem Pult vor mir zurecht rücke. Aber mit jeder Runde wird man sicherer, fühlt sich in seiner Rolle als Staatenvertreter vor den Richtern wohler und lernt auch kritische Fragen souverän und je nach Wissensstand vielsagend zu beantworten. Ob für mündliche Prüfungen, den späteren Beruf oder für Familienfeiern - die im Laufe dieser Zeit erlernte Fähigkeit vor einer Gruppe von Menschen zu stehen und seine Argumentation zu präsentieren wird für uns noch viel wert sein. Nach diesen spannenden und anstrengenden Monaten der Vorbereitung führte unsere Reise schließlich zur deutschen Endausscheidung, die in diesem Jahr von uns, also der FU Berlin, ausgerichtet wurde. So fiel zwar das „Klassenfahrts-Erlebnis“ weg, das normalerweise mit dem „Jessup“ verbunden ist, andererseits hatten wir aber auch einen gewissen Heimvorteil. Zudem konnten auch Freunde von uns zuschauen und sehen, womit wir uns seit Monaten beschäftigt hatten. Nach 4 äußerst knappen Begegnungen in der Vorrunde war die Freude riesig, als wir uns tatsächlich für das Halbfinale qualifizierten und somit zu den 4 besten der 15 angetretenen Unis gehörten. So kamen wir in den Genuss eines Pleadings im Kammergericht Berlin vor einer erlesenen Richterbank mit bekannten Völkerrechtlern und einem IGH-Richter. Dass dieses Match verloren ging, sollte die Freude über einen großartigen Wettbewerb nicht trüben, sodass wir unser Abschneiden und die gemeinsam gemachten Erfahrungen auch bei der Abschlussveranstaltung aller Teams im Meistersaal kräftig feierten. Der verdiente Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs und somit Ausrichter im nächten Jahr ist übrigens die Uni Jena. Aber wie gesagt, es geht nicht um die Reise.

 

Die Applicants 2010:

Best Oralist Christopher Lautenbach und Kristina Werner auf der Abschlussfeier

im Spiegelsaal am Potsdamer Platz

 

Die Respondents 2010 (v.l.n.r.):

Maria Blatkowska, Juliane Koch und Sebastian Walther beim Halbfinale im Gerichtssaal des Kammergerichts