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Das Jessup Team 2011: Berichte von den Vorbereitungen und vom Wettbewerb in Jena

Das Moot Court Team der FU 2011

Philip de Vries, Karla Loßack, Nicola Perry, Anna Hankings-Evans und Cedric Seeliger (v.l.n.r.)

 

Erfahrungsbericht von Karla Loßack

„Was machst du mit? Einen Moot Court? Was soll das denn sein?“ So und ähnlich verliefen die Gespräche, wenn ich davon erzählen sollte, was ich gerade so mache. Ich glaube, am Ende hatte ich eine höchstens 30 Sekunden fassende Antwort parat, die auch Nicht-Juristen zufriedenstellte und in etwa deutlich machte, woran wir ein halbes Jahr lang arbeiteten. Es fing im September 2010 ganz unscheinbar an. Wir trafen uns ein erstes Mal, ich lernte meine Teamkollegen kennen und ehe wir eigentlich wussten, womit und mit wem wir es die nächsten Wochen, Monate und schlaflose Nächte lang zu tun haben würden, steckten wir schon mitten drin in der Vorbereitung für den Jessup Moot Court 2011.

Rigalia und Ardenia hießen unsere fiktiven Sorgenkinder – zwei Staaten mit gemeinsamer Grenze und einer ethnischen Minderheit in den jeweiligen Provinzen, deren Streben nach Unabhängigkeit den einen Staat weniger und den anderen so sehr störten, dass er sie mit unbemannten Drohnen bekämpfte. Der Sachverhalt war zudem angereichert mit einer, nennen wir es "Kopftuchproblematik" und Korruptionsvorwürfe gegenüber den handelnen fiktiven Akteuren. Meine Aufgabe war es, Rigalias Praktiken bestmöglich vor dem IGH zu verteidigen. Keine leichte, aber auch keine unmögliche Aufgabe, auch wenn sie mich oft vor neue und unbekannte Herausforderungen stellte.

Wir trafen uns wöchentlich mit unserem an die Seite gestellten Coach, Jörg Kleis. Jede Woche diskutierten wir mit ihm wieder und wieder unsere Ideen zum Fall. Manchmal ging ich hochmotiviert aus seinem Büro, aber so manches Mal auch frustriert und ratlos, wenn eine weitere Woche verstrich, ohne dass ich das Gefühl hatte, einen größeren Fortschritt zu verbuchen. Rasch vergingen die Monate bis Weihnachten und im Januar hielten wir schließlich doch ein 60 Seiten fassendes und rechtlich fundiertes Ergebnis in der Hand – unseren Schriftsatz.

Die eigentliche Arbeit fing dann erst richtig an. Jörg organisierte Probesitzungen, lud Proberichter ein oder ermöglichte, dass wir an einem Rhetoriktraining in einer Großkanzlei teilnehmen konnten. So niederschmetternd die ersten Proben waren – denn so ziemlich keiner von uns hat es geschafft, im Zeitrahmen von 15 Minuten sein Plädoyer bei all den Zwischenfragen durch die Proberichter zu beenden - so kaum wiederzuerkennen war das Ergebnis nach der letzten Probesitzung.

Wir waren inzwischen gut vorbereitet, in den eigentlichen Wettbewerb zu starten und fuhren Mitte Februar nach Jena, wo die Sieger der Friedrich-Schiller-Universität des letzten Jahres die diesjährige Vorentscheidung ausrichteten. In ersten Empfängen lernten wir unsere Mitstreiter kennen. Am ersten Abend wurden die Schriftsätze unserer Vorrundengegner ausgeteilt. Für uns, die Respondents, hießen diese Düsseldorf und München. Als wir uns am Vorabend des ersten Matches durch die Schriftsätze der gegnerischen Teams lasen, sagte Jörg zur Beruhigung immer wieder, dass hier alle nur mit Wasser kochen würden. Zudem beruhigte die Tatsache, dass sich tatsächlich wenig überraschende Argumente in den Schriftsätzen auftaten.

Beide Matches verliefen unterschiedlich. Besonders in der Begegnung gegen München stellten mir Professor Tomuschat und Frau Dr. Oellers-Frahm immer wieder Fragen und bewirkten, dass ich meine Zeit nur so davonrennen sah. Als der Bailiff die 0 hochhielt, die mir den Ablauf meiner Zeit bildhaft vorführte, machte es Mühe, die doch entstandene Enttäuschung mit einem Lächeln und freundlichem „I see my time is up. I thank this Court for its kind attention“ zu überspielen - etwas, worin uns Jörg immer wieder trainiert hatte. Aber das ist das Spiel und letztlich wird mir wohl ewig in Erinnerung bleiben, wie beherzt Herr Prof. Tomuschat die fiktive Verhandlung gegen München mit seinem stolz mitgebrachten Richterhammer für beendet erklärte und laut auf den Tisch schlug: „The Court is adjourned.“

Am Ende des Tages wurden im Rathaus die Finalisten bekanntgegeben. Wir waren nicht dabei und natürlich darüber enttäuscht. Rigalia und Ardenia haben uns Monate lang beschäftigt und jeder von uns hat an diesem Wettbewerb sicher auch mit der Hoffnung teilgenommen, am Ende im Finale in Washington zu stehen. Schlecht waren wir sicher nicht und mit ein bisschen mehr Vorrundenglück wären wir vielleicht auch einer der ersten Vier gewesen.

Nach einem interessanten Finale und einer tollen Abendveranstaltung fuhren wir am Sonntag mit dem Gefühl nach Berlin zurück, dass Alles viel zu schnell vorbei gegangen war. Auch wenn wir letztlich ohne nennenswerte Preise und Auszeichnungen aus diesem Wettbewerb gingen, war der persönliche Gewinn des Jessup Moot Courts 2011 enorm. Neben den immer wieder betonten Vorzügen einer Teilnahme an einem internationalen Moot Court, wie denen des Gewinns praxisnaher Völkerrechtskenntnisse, englischer Sprachfertigkeiten, vermittelter Anwaltspraxis und Rhetoriktrainings, haben wir Erfahrungen gemacht, die wir wohl alle nicht mehr missen möchten. Denn trotz der vielen Arbeit, die die Teilnahme gleichwohl bedeutete, habe ich vor allem viel Spaß an der Sache und am Humanitären Völkerrecht gehabt, den man in dieser Form wohl kaum in einer gewöhnlichen Vorlesung gehabt hätte. Nicht zuletzt sind meine Teamkollegen und ich aber auch zu Freunden zusammengewachsen – ein nicht zu verachtender Punkt bei einer kleinen Runde Leute, die man vor einem halben Jahr noch gar nicht kannte. Eine Teilnahme am Philipp C. Jessup Moot Court lohnt sich und ich möchte sie hiermit jedem, der mit dem Gedanken spielt, ans Herz legen.

 

Erfahrungsbericht Anna Hankings-Evans

Der Philip C. Jessup International Law Moot Court gilt mit seinen jährlich über tausend Teilnehmern als der weltweit größte Moot Court. Schon das Bewerbungsgespräch stimmte mich auf die kommenden Monate ein. So war Bestandteil des „Einstellungstests“ eine Stellungnahme zu dem völkerrechtlichen Sachverhalt aus dem vergangenen Jahr – selbstverständlich in englischer Sprache. Als die Zusammenstellung des Teams feststand, wurde alsbald das erste Treffen einberufen. Es sollten nunmehr arbeitsintensive Monate folgen. Insbesondere die schriftliche Ausarbeitung gestaltete sich als große Herausforderung. Das Team wurde zunächst aufgeteilt in Antragsteller (Applicant) und Antragsgegner (Respondent). Unsere Aufgabe bestand darin, in die Rolle eines Anwalts zu schlüpfen und insbesondere mit Argumentationstaktik und fundiertem Wissen dem zu vertretenen Staat zur Durchsetzung der Forderungen zu verhelfen. Wichtigster Grundsatz hierbei: (Fast) nichts ist abwegig, solange dies nur mit Überzeugungskraft vorgetragen wird.

Damit unterschied sich die Moot Court Arbeit grundlegend von bisherigen Arbeitsaufträgen im Rahmen des juristischen Studienverlaufs, Klausuren und Hausarbeiten eingeschlossen. So war das Verfassen der Memorials ein spannender Einblick in die Arbeitsweise eines Anwalts und damit wichtige Erfahrung im Hinblick auf die spätere Praxis. Doch auch im Bereich sowohl des wissenschaftlichen Arbeitens, als auch der Fremdsprachenkompetenz vermochte ich meine Fähigkeiten zu erweitern. Jegliche anfängliche Skepsis über eigene Unzulänglichkeiten verflogen alsbald und ich widmete mich mit Vergnügen aktuellen, aber auch exotischen Problemen des Völkerrechts. Gerade darin lag für mich der Reiz, namentlich ein Rechtsgebiet zu erforschen, welches mir im Rahmen des Studiums kaum begegnet wäre. Wer kann schon behaupten, sich intensiv mit der Korruptionsbekämpfung im internationalen Handelsverkehr auseinandergesetzt zu haben?!

Während der schriftlichen Phase beliefen sich die wöchentlichen Treffen auf maximal zwei. Dies sollte sich mit der Vorbereitung der mündlichen Vorträge (Pleadings) ändern. Mitte Januar, nach Einsendung der Memorials, freuten wir uns allesamt auf den spaßigen Teil des Wettbewerbs, die mündliche Phase. In diesem Rahmen wurden wir intensiv rhetorisch ausgebildet und unser Wissen dahingehen ausgeweitet, sodass wir den Fragen der Richter standhalten konnten. Insbesondere wurde mehrmals wöchentlich die spätere Wettbewerbssituation simuliert und damit die Gerichtsverhandlung vor dem IGH. Dankbar waren wir in diesem Zusammenarbeit für das Privileg, von renommierten Anwaltskanzleien vorbereitet worden zu sein. So waren wir Gast der Kanzleien HengelerMueller und Freshfields Bruckhaus Deringer. In diesem Rahmen wurde uns von den dort tätigen Anwälten, aber auch von einem Rhetorikcoach die Welt der Gestik und Mimik nähergebracht, was nicht ausschließlich für den Wettbewerb von Nutzen sein dürfte. Aber auch von ehemaligen Teilnehmern des Moot Courts wurden wir tatkräftig unterstützt, indem diese in die Rolle der Richter schlüpften und uns gelegentlich auch unbequeme Fragen stellten.

Die national rounds, also die deutsche Qualifikationsrunden für den Endausscheid in Washington D.C., wurden Mitte Februar in Jena ausgetragen. Zwar schafften wir es nicht in das Halbfinale, was durchaus einen Moment der Enttäuschung zur Folge hatte. Dessen ungeachtet durfte sich das Berliner FU Team jedoch über einen respektablen 8. Platz freuen. Die Enttäuschung war auch rasch verflogen, waren doch die gesammelten Erfahrungen umso wertvoller. Insbesondere bot der Wettbewerb die Möglichkeit, Juristen im Bereich des Völkerrechts kennenzulernen, die einem allenfalls aus Lehrbüchern bekannt sein durften. So war auch dieses Jahr die Richterbank prominent besetzt. Insbesondere waren Richter des IGH vertreten, Bruno Simma und Abdul G. Koroma, doch auch eine Reihe namhafter Professoren und Rechtsanwälte testete unser Wissen. Und so gönnten wir den Sieg dem Team aus Bochum, das sich verdientermaßen gegen Göttingen im Finale durchsetzte. Gern zitiere ich in diesem Zusammenhang Judge Koroma, der zutreffend meinte, einer müsse eben gewinnen, das sei das Spiel.



Counsels for Applicant, the State of Ardenia: Anna Hankings-Evans, Philip de Vries

 

Counsels for Respondent, the State of Rigalia: Karla Loßack, Nicola Perry, Cedric Seeliger