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Bericht zum 3. internationalen Kongress Wasser-Wege-Wissen in Granada

Eröffnung

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Besuch der königlichen Kapelle

Besuch der königlichen Kapelle

Univ.-Prof. Dr. Cosima Möller und Univ.-Prof. Dr. Ignacio Czeguhn

Univ.-Prof. Dr. Cosima Möller und Univ.-Prof. Dr. Ignacio Czeguhn

News vom 01.06.2017

Bericht zum 3. internationalen Kongress Wasser-Wege-Wissen in Granada

Vom 29.-31. März 2017 fand in Granada der 3. internationale Kongress zu dem Thema „Wasser–Wege-Wissen auf der iberischen Halbinsel. Eine interdisziplinäre Annäherung im Verlauf der Geschichte“ statt. Das Thema ist Gegenstand der Forschungen in der Gruppe B-1 Wege-Wasser-Wissen des Exzellenzclusters Topoi und weist Überschneidungen mit den Forschungen in der Querschnittsgruppe Wasser (A-3) auf. Das Thema Wasser ist weder auf die Erforschung durch eine einzelne Wissenschaft noch auf eine bestimmte Zeit oder Region begrenzt. So ist es höchst angemessen, dass die Tagung, wie schon die beiden Vorgängertagungen in Elche 2014 und in Berlin 2016, die multidiziplinäre Kompetenz in Topoi und gute Kontakte zu spanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nutzte. Daher konnte mit Aussicht auf guten Ertrag ein regional besonders interessanter Bezugspunkt, nämlich die iberische Halbinsel, gewählt werden. Die iberische Halbinsel weist insbesondere im Süden und Osten trockene Regionen auf, in denen von alters her eine Bewässerung zur erfolgreichen Bewirtschaftung des Landes erforderlich war. Dieser Umstand ist zum Teil über die Jahrhunderte in der Landschaft sichtbar geblieben, indem Anlagen für die Bewässerung, aber auch für die Entwässerung gebaut, erhalten und optimiert worden sind. Diese Spuren in der Landschaft werden flankiert von Spuren in Urkunden und Rechtstexten. Auch die Rechtstexte reichen weit in die Geschichte zurück. Rechtliche Regelungen für das Wassermanagement finden sich in großer Differenziertheit im römischen Recht, das in den Provinzen auf der iberischen Halbinsel in der Zeit der römischen Herrschaft – punktuell seit dem 2. Jh. v. Chr., mit verfestigter Struktur seit Augustus und bis zum Ende des 5. Jhs. n. Chr. - in Geltung stand. Es ist ein ebenso spannendes wie umstrittenes Forschungsthema, ob und in welcher Weise eine Fortführung dieser Tradition oder ein Bruch mit dieser in westgotischer Zeit und seit dem 8. Jh. n. Chr. unter arabischer Herrschaft, schließlich seit dem Ende des 15. Jh. unter der Herrschaft der katholischen Könige stattgefunden hat. Die rechtlichen Fragen spielen bis zum heutigen Tage eine besondere Rolle. Dies wurde dem Teilnehmerkreis bei der ersten Tagung im Jahr 2014 in Valencia beim Besuch des wöchentlich einberufenen traditionsreichen Wassergerichts eindrücklich vorgeführt.

Das historisch entwickelte und gegenwärtig gelebte Wassermanagement bildet auch einen Forschungsgegenstand aus sozio-geologischer Perspektive und mit besonderem Augenmerk auf der Vega von Vélez Blanco. Den aktuellen Stand der Forschung zu den Funktionsmechanismen der Wasserverteilung in dieser Gemeinschaft schilderte Jonas Berking unter Bezugnahme auf die Forschungen von Sarah Ißelhorst (FU Berlin). Das Verhältnis der Gesellschaft zur Wassernutzung spiegelt sich auch in textlicher Überlieferung, bei der in den Stadtbüchern besonders wichtige Informationen zu gewinnen sind. Die literarische Überlieferung kann ebenfalls herangezogen werden. Darauf machte Isabel del Val Valdivieso (Universität Valladolid) in einem mit zahlreichen Beispielen angereicherten Vortrag aufmerksam. Das Wasser wird von den Königen im 16. Jh. zur Stärkung der Macht eingesetzt. Die Bedeutung des Wassers zeigt sich in den Gerichtsverfahren und in den dort herangezogenen Urkunden und königlichen Briefen. Nicht selten ging es um den Betrieb von Mühlen.

Will man auf die weiteren Vorträge einen zeitlich sortierten Blick werfen, so ist mit der römischen Antike zu beginnen. Zwei Vorträge widmeten sich dem römischen Erbe beim Wassermanagement. Eingangs stellte Cosima Möller (FU Berlin) die römischrechtlichen Regelungskonzepte für Regenwasser im Sinne einer Vorsorge vor den Schattenseiten des Wassers vor. Die Regenwasserabwehrklage, die schon die XII Tafeln aus dem 5. Jh. v. Chr. kennen, wurde von einigen römischen Juristen im Rahmen prinzipiell begründeter Rücksichtnahmepflichten interpretiert. Andere machten ihre Anwendbarkeit davon abhängig, dass Schäden aufgrund menschlicher Eingriffe drohten. Die mit der Klage durchgesetzte Beseitigungspflicht bezog sich auf die Grundstücksveränderungen, die zu einer möglichen Schädigung des Nachbarn führen konnten. Dazu gehörten Gräben, Dämme oder auch veränderte Grundstücksnutzungen. Es zeigt sich in diesem Bereich ebenso wie bei nützlichem Wasser eine Flexibilisierung der gesetzlichen Regelung dadurch, dass Grunddienstbarkeiten, Servituten, eine privatrechtliche Gestaltung mit dauerhaftem Charakter ermöglichen. Das römische Erbe im Spiegel der Verwaltungsorganisation beleuchtete Pepa Castillo Pascual (Universität La Rioja), die Indizien dafür vorstellte, dass die Strukturen der Wasserverwaltung in römischer Zeit, insbesondere seit ihrer Regelung durch Augustus und hinsichtlich des zentralen Amtes des curator aquarum, in der weiteren Geschichte Spaniens ihre Spuren hinterlassen haben. Sie stellte die These auf, dass diese vielleicht sogar über die Zeit der muslimischen Herrschaft hinweg als Vorbild bei der Neu-Organisation im 16. Jh. nach der Reconquista gedient hätten. Eine bekannte römische Struktur mit dauerhafter Wirkung wird im Meilensteinprojekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erforscht. Auf seinen Untersuchungen aufbauend stellte Manfred Schmidt (BBAW) die Schwierigkeiten vor, die sich bei der Zuordnung von Meilensteinen zu einem konkreten Straßenverlauf der viae publicae in der Provinz Baetica im Süden Spaniens zeigen. Diese markieren eine zum Teil erhebliche Abweichung von pragmatischen Anlagen wie der via Augusta von mythischen Straßenverläufen wie der via Heracleia, die zugleich den Vermessungslinien entsprechen.

In die westgotische Zeit führte der Vortrag von Stefan Esders (FU Berlin), der anhand von Synoden und Konzilien im 7. Jh. n. Chr. zeigen konnte, dass die Mittelmeerwelt trotz einer starken politischen Zersplitterung in eindrucksvollem Maße vernetzt war. Zugleich wies er auf die besondere Bedeutung hin, die eine eidliche Bindung der Westgoten an ihren Herrscher dadurch gewann, dass mit Chindasvinth 642/3 ein König eine Bindung über den Tod hinaus einforderte.

Dem Recht im Al-Andalus zwischen dem 8. und dem 12. Jh. n. Chr. widmete sich Magdalena Martínez Almira (Universität Alicante). Sie erläuterte das Konzept des aufgestauten Wassers (agua estanca), an das Verteilsysteme mit Leitungen und Ableitungen anknüpften, für deren Nutzung verschiedene Zeitabschnitte festgelegt wurden. Das Objekt der Verteilung sollte grundsätzlich in gerechter und gleichmäßiger Weise festgelegt werden. In der Kasuistik tauchte neben der Zuteilung von Wasser auch die Frage auf, ob im Wege von Servituten eine Weitergabe der Wassernutzung zulässig gewesen sei. Die besondere Bedeutung von Fließ- und Stauwasser im Al-Andalus thematisierte Antonio Malpica Cuello (Universität Granada) und stellte Überlegungen zur Prägung von Gesellschaften durch agrarische Ökosysteme an.

Die übrigen Vorträge führten in die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte. So schilderte Emma Montanos Ferrin (Universität Coruna) die Rolle des Wassers als Instrument vor Strafgerichten, indem sie auf die im 12. und 13. Jh. angewandte Wasserprobe zu Beginn von Strafverfahren einging und die Strafe des Säckens nach abgeschlossenem Strafverfahren als ius proprium der spanischen Gebiete bei schweren Verbrechen einordnete. Francisco José Abellán Contreras (Universität Alicante, zur Zeit Universität Coimbra) stellte das Rechtsregime der Albufera von Valencia vom 13. bis zum 20. Jh. vor, einer Salzwasserlagune, die schon in der Antike wegen ihrer beeindruckenden Biodiversität und ihrer Größe beschrieben worden war. Die meist als königliches Eigentum reklamierte Albufera ist rechtshistorisch besonders interessant, weil im 14. Jh. erstmals Verwaltungsregeln schriftlich festgelegt worden sind. Bald danach wurden neue Verwaltungsstrukturen geschaffen und auch eine Gerichtsbarkeit errichtet. Eine besondere Rolle spielte die Nutzung zum Fischfang und zur Jagd von Enten. Aber auch Aspekte der Hygiene waren Grundlage von Regelungen. Ebenfalls in den Bereich einer mittelalterlichen Regelung der Nutzung von Wasser führte der Vortrag von Jorge Payá Sellés (Universität Alicante), der sich dem Flussgebiet des Montnegre und dem Bewässerungsgelände der Huerta von Alicante zuwandte. Die Verpachtung von Wasserableitungen und Grundstücken führte zu Unmut bei denjenigen, die Gemüse anbauten. Das veranlasste die Könige, eine Kopplung zwischen dem Landbesitz und der Wasserverteilung herzustellen. Außerdem galten der Einrichtung einer Rechtsprechung und der Durchsetzung von Instandhaltungspflichten der Bewässerer die besondere Aufmerksamkeit. Sara Moreno Tejada (Universität Elche) erörterte Vermutungen zu den historischen Wurzeln und Hintergründen des Rates der „Hombres Buenos“ von Murcia. Die Gerichtsbarkeit wurde in Abhängigkeit von der städtischen Verwaltung ausgestaltet und vom 13. bis zum 19. Jahrhundert immer wieder verändert. Lebhaft umstritten war die These, dass rechtliche Strukturen der islamischen Zeit übernommen worden sein könnten. Besonderes Interesse fand der Hinweis, dass eine Teilnahme von Rechtsanwälten an den Prozessen vor den Wassergerichten verboten wurde, damit die Prozesse schneller abgeschlossen werden konnten.

Alberto Garcia Porras und Esteban Fernández Navarro (Universität Granada) berichteten über archäologische Untersuchungen zu den Wasserleitungen an der Grenze Granadas. Hierdurch soll die Gewährleistung der Wasserversorgung im mittelalterlichen Granada besser nachvollziehbar gemacht werden. Eine wichtige Rolle spielte neben Quellwasser die Ableitung von Flusswasser durch Kanäle und die Sekundärnutzung durch Terrassierungen.

Die Tagung wurde durch eine konzise Zusammenfassung der zentralen Themen abgerundet, die der Gastgeber der 1. Tagung Wasser-Wege-Wissen, José Antonio Pérez Juan (Universität Elche) leistete.

Gestützt auf die Mitwirkung verschiedener Veranstalter des Kongresses wurde ergänzend zu den Vorträgen ein besonders gelungenes Begleitprogramm zusammengestellt. Ignacio Czeguhn, der in Topoi ein Forschungsprojekt zu Gerichtsurteilen im al-Andalus leitet, ist es gelungen, eine Kooperation mit der Universität Miguel Hernández in Elche und mit der Universität Granada sowie mit der Schule der Künste in Granada und dem Patronat der Alhambra und des Generalife herzustellen. Daher war es möglich, dass die Tagung in der Alhambra und dort im Palast Karls V. stattfand. Außerdem konnten die Teilnehmer von fachkundigen Führungen durch die Alhambra einschließlich des Sommerpalastes (Generalife) und deren Wasserversorgung und durch die Wasserversorgungsanlagen im ältesten Stadtteil Granadas, dem Albaicin, ebenso profitieren wie von einer Führung in der Kathedrale mit der königlichen Kapelle, in der Ferdinand II. und Isabella I. beigesetzt sind.

Bei der Tagung war eine Simultanübersetzung durch Dolmetscherinnen gewährleistet. Begünstigt wurde der wissenschaftliche Austausch durch die inzwischen gewachsenen Kontakte, die durch fellowships auch zu längeren Aufenthalten in Berlin geführt haben, durch die hervorragende Organisation, für die Yolanda Quesada Morillas ein besonderes Lob zu zollen ist, die spanische Gastfreundschaft und das frühlingshaft-sonnige Wetter. Ein Tagungsband wird die Vorträge der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen. Der Band zur ersten Tagung, der 2016 im Nomos Verlag erschienen ist, hat kürzlich in Spanien eine Auszeichnung für den besten Band einer internationalen Tagung erhalten.

Cosima Möller

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