Springe direkt zu Inhalt

„Rechtsfragen der Digitalisierung im Versicherungssektor“ (abgeschlossen 2019)

Forschungsprojekt im Rahmen der Forschungsförderung

des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft e.V.: 

„Rechtsfragen der Digitalisierung im Versicherungssektor“

 

Ziel des Forschungsprojekts ist es, praxisrelevante Rechtsfragen zu klären, die sich im Zusammenhang mit der Digitalisierung im Versicherungssektor stellen. Bei dem Rahmenthema handelt es sich um eine vielschichtige Thematik, die insbesondere Bezüge zum Versicherungsvertragsrecht, darüber hinaus aber auch zum Aufsichtsrecht und zum Datenschutzrecht aufweist. Um eine klare Fokussierung zu erzielen, steht im Mittelpunkt das Vertragsrecht, und zwar in Gestalt von zwei zentralen Themen, nämlich dem digitalen Abschluss von Versicherungsverträgen und den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Produktgestaltung. Angesichts der Breite des Forschungsfeldes werden dabei die mit dem Einsatz von Versicherungs-Apps verbundenen Fragen weitgehend ausgeklammert; sie sind Gegenstand eines weiteren Forschungsvorhabens.

Was die praktische Nutzbarmachung der Forschungsergebnisse angeht, ist es ein zentrales Anliegen, die Ergebnisse auf möglichst vielfältige Weise der interessierten Öffentlichkeit – und zwar Wissenschaft wie Praxis gleichermaßen – verfügbar zu machen. Zum einen sollen eine Monographie und ein Grundlagenaufsatz erstellt werden. Zum anderen gilt es geeignete weitere für die Praxis relevante Rechtsthemen aus der obigen Aufzählung in Gestalt von Einzelaufsätzen zu bearbeiten. So werden die Forschungsergebnisse in Fachvorträgen sowie auf Praxisforen präsentiert und der interessierten Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt.

Auszug aus dem Abschlussbericht:

Das Forschungsprojekt hat in beiden Bereichen – Vertragsschlussthematik und Produktgestaltung – zu einer Fülle von neuen Erkenntnissen geführt. Dabei hat sich insbesondere gezeigt, dass die Digitalisierung für die Vertreiber von Versicherungsdienstleistungen erhebliche Herausforderungen an die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben von VVG, VVG-InfoV und VersVermV stellt. So entsprechen, um nur ein Beispiel zu nennen, die Gestaltungen zahlreicher in der Praxis anzutreffender Online-Maklerportale sowie Versicherungs-Apps nicht den gesetzlichen Vorgaben. Besondere Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf das Textformerfordernis für die Übermittlung von Vertragsinformationen zu beachten. Daneben wirft aber etwa auch die den Versicherer treffende Frageobliegenheit bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers Probleme auf. Zusätzliche Aktualität hat das Forschungsprojekt dadurch erlangt, dass im Zuge der IDD-Umsetzung erstmals die digitale Informationsübermittlung durch sog. sophisticated websites ins VVG aufgenommen worden ist (s. § 6a VVG). Diese Neuregelung konnte unmittelbar in die Untersuchung einbezogen und kritisch gewürdigt werden.

Was die Produktseite angeht, so sind insbesondere die durch die zunehmende Automatisierung im Kfz-Sektor erreichten Fortschritte mit Folgefragen für die Versicherungsprodukte verbunden. Eine Verschiebung von der Kfz-Haftpflichtversicherung hin zur Produkthaftpflichtversicherung ist indessen nicht zu erwarten; die Halterhaftung bietet in Kombination mit der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung auch für Schäden durch autonomes Fahren eine tragfähige und für die Unfallopfer wirkungsvolle Entschädigungsgrundlage. Die durch sog. Gesundheits-Apps aufgeworfene Grundsatzfrage, ob es sich überhaupt noch um eine Versicherung handelt, wenn das Risiko digital exakt erfasst werden kann, erscheint weniger brisant als dies bisweilen anklingt, da der Eintritt des Versicherungsfalls unverändert auch von nicht digital erfassbaren Faktoren abhängt.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sind in vielfältiger Weise veröffentlicht und dokumentiert worden. Im Einzelnen ergibt sich der im Folgenden zusammengestellte Ertrag.


Aus dem Forschungsprojekt hervorgegangene Publikationen:

Das Forschungsprojekt hat zu einer Monographie von Felix Greis mit dem Titel: „Auswirkungen der Digitalisierung auf Abschluss und Gestaltung privater Versicherungsverträge – Moderne Informationstechnologie als Gefahr für die Erreichung des versicherungsvertraglichen Plansicherungsziels“ geführt. Diese Arbeit ist am 30.10.2019 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen worden. Die Veröffentlichung dieser Arbeit ist in der Berliner Reihe des Verlags Versicherungswirtschaft (VVW) vorgesehen.

Zudem ist aus dem Forschungsprojekt eine Vielzahl von Aufsätzen hervorgegangen:

  1. Armbrüster/Greis, Telematik in der Kfz-Versicherung aus rechtlicher Sicht, ZfV 2015, 457-460
  2. Armbrüster/Pfeiffer, Rechtsfragen rund um Versicherungs-Apps, ZfV 2016, 277-280
  3. Armbrüster, Verantwortungsverlagerungen und Versicherungsschutz – das Beispiel des automatisierten Fahrens, in: Gless, Sabine / Seelmann, Kurt (Hrsg.), Intelligente Agenten und das Recht, 2017
  4. Armbrüster, Der Abschluss von Versicherungsverträgen über das Internet, r+s 2017,  57-65 (Grundlagenaufsatz)
  5. Armbrüster, Autonomes Fahren – das Ende der Fahrer- und Halterhaftung? NJW-Editorial, NJW-aktuell 9/2017, S. 3
  6. Armbrüster, Lenken statt Tatort schauen, VW 3/2017, 28-29
  7. Armbrüster, Automatisiertes Fahren – Paradigmenwechsel im Straßenverkehrsrecht? ZRP 2017, 83-86
  8. Armbrüster, Digitaler Abschluss von Versicherungen – Vertragsrechtliche Anforderungen, Diskussionsbeiträge der Hamburger Gesellschaft zur Förderung des Versicherungswesens, Ausgabe 1/2017
  9. Armbrüster, 6. Kapitel. Versicherung. Rechtliche Anforderungen beim Online-Vertrieb von Versicherungen, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch, 2018
  10. Armbrüster, Online-Vertrieb von Versicherungsprodukten, JuS 2019, 299-305
  11. Armbrüster, Privatversicherungsrecht, 2. Aufl. 2019: Neue ausführliche Kapitel zur Digitalisierung und zur Cyberrisiko-Versicherung

Aufgrund des Forschungsprojekts ist der Projektleiter von der AIDA eingeladen worden, für den AIDA-Weltkongress in Rio de Janeiro im Jahr 2018 den National Report über die Thematik zu erstellen. Dieser Report in englischer Sprache mit einem Umfang von 34 Seiten ist im September 2017 an die AIDA übermittelt worden.

Hinzu kommen eine Einarbeitung der Forschungsergebnisse in die Kommentierungen des VVG von Prölss/Martin, 30. Aufl. 2018 (Einleitung), und im Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2017 (Beratungspflicht des Versicherers, § 6 VVG) sowie Publikationen in Medien (z.B. Handelsblatt Sonderausgabe Versicherungen und Digitalisierung).

Zum Forschungsprojekt durchgeführte Vorträge und Diskussionsveranstaltungen:

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden unter anderem im Rahmen von Veranstaltungen bei folgenden Institutionen vorgestellt und diskutiert:

  • ARGE Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (Versicherungstag)
  • Deutscher Verein für Versicherungswissenschaft e.V. (Bibliotheksgespräch)
  • Verein zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Berlin e.V. (Öffentliche Veranstaltung)
  • Hamburger Gesellschaft zur Förderung des Versicherungswesens mbH (Fachdiskussion)
  • Bund der Versicherten (Jahrestagung)
  • Deutsche Gesellschaft für Vermögensschadenhaftpflicht e.V. (DGVH-Tag)
  • Stiftung Warentest (beratende Begleitung der Untersuchung und Bewertung von Versicherungs-Apps)
  • Technische Universität Köln, Institut für Versicherungswesen (Vortragsveranstaltung)
  • Universität Marburg (Tagung „Digitalisierung – Recht – Finanzen“)
  • Universität Wien (Privatissimum Prof. Dr. Fenyves)
  • Euroforum (Konferenz „Rethinking Insurance“)
  • Weser-Kurier (Fachtagung Automotive)
  • Tagesspiegel (Digital Science Match)

Hinzu kommen Diskussionsveranstaltungen bei mehreren Versicherern und Maklerhäusern. Außerdem wurden zu den Themen des Forschungsprojekts zwei Stellungnahmen für den GDV erstellt, nämlich zur „Orientierungshilfe: Ausgewählte zivil- und datenschutzrechtliche Aspekte der Digitalisierung“ und zu den Folgen des autonomen Fahrens für die Zukunft der Kfz-Haftpflichtversicherung.

Fazit:

Mit dem Forschungsprojekt ist es gelungen die Diskussion und den Erkenntnisstand über Rechtsfragen der Digitalisierung im Versicherungssektor deutlich voranzutreiben und der Praxis in vielerlei Hinsicht zu größerer Rechtssicherheit zu verhelfen. Zudem haben sich über die gewonnenen wissenschaftlichen Kontakte im In- und Ausland konkrete Anknüpfungspunkte für aussichtsreiche Folgeforschungen ergeben. Das Forschungsprojekt hätte ohne die Unterstützung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft e.V. so nicht durchgeführt werden können. Für diese Unterstützung gebührt dem Verein nachdrücklicher Dank.