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Jessup Moot Court 2019 in Hamburg

Erfahrungsbericht

 Jeder von uns ist anders auf den Moot Court aufmerksam geworden. Eins hatten wir alle gemeinsam: Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartet! 

Vor Veröffentlichung des Sachverhalts im September hatten wir nur die groben Themen, welche viel Raum für Interpretation ließen. Jeder von uns beschäftigte sich daher mit einem Thema, jedoch stellte der Sachverhalt eine Überraschung dar. Der Fokus des diesjährigen Sachverhalts lag auf der Verantwortlichkeit von Staaten für das Verhalten von Unternehmen, dem Umweltvölkerrecht, insbesondere der Erhaltung von gefährdeten Tierarten, und den Rechten indigener Völker in verschiedenen Ausprägungen. Aktuelle völkerrechtliche Fragen, die sich auf der ganzen Welt auch in der Realität stellen! 

 

Mit der Veröffentlichung des Sachverhalts, dem sogenannten Special Agreement, ging dann die eigentliche Arbeit los. Zunächst einmal mussten wir uns entscheiden, wer welche Aufgaben für welche Seite bearbeitet. Jedes Team muss sowohl die Kläger- als auch die Beklagtenseite vertreten. Zu zweit bildete man entweder die Kläger- oder Beklagtenseite.   

Ziel der schriftlichen Phase war es zwei Schriftsätze, sogenannte „Memorials“, Anfang Januar abzugeben. Drei bis vier Monate Zeit zum Schreiben eines Memorials klingt viel. Wir haben aber gelernt: Ist es nicht!  

 

In der Anfangsphase mussten wir schwermütig unseren deutschen Gutachtenstil ablegen, um das anglo-amerikanische „IRAC“ zu erlernen. Zudem stellte es eine große Umstellung dar, kein objektives Gutachten erstellen zu müssen, sondern einen „parteiischen“ Schriftsatz. Plötzlich sollten keine Meinungsstreitigkeiten mehr dargestellt werden, sondern nur noch 1 Meinung (natürlich die für die eigene Position vorteilhafteste 😉) als die einzig richtige vertreten werden.  Nach der erfolgreichen Umstellung machte aber gerade das Vertreten einer Seite den Reiz des Wettbewerbs aus: Arbeiten wie ein echter Anwalt! Hierdurch lernten wir auch, dass sich mit Mühe so ziemlich jede Meinung vertreten lässt. Je mehr wir in unsere Positionen reinfanden, desto größer wurde die Leidenschaft beim Vertreten dieser. Dies zeigte sich insbesondere auch in hitzigen Diskussionen zwischen den Gegenspielern unseres Teams gegen Ende der Schriftphase.  

 

Darüber hinaus stellte natürlich die Recherche einen großen Teil der Arbeit in der Schriftphase dar. Da unser Sachverhalt sehr speziell war und sich nicht mit den „klassischen“ Problemen des Völkerrechts auseinandersetzte, erhielten wir spannende Einblicke in Rechtsgebiete, mit denen wir uns sonst sicherlich nicht in unserem Studium befasst hätten. Bei den Recherchen stießen wir auf die absurdesten Konventionen, die das Völkerrecht so hergibt. Zum Beispiel lasen wir die International Convention for the Conservation of Atlantic Tunas (Konvention zur Erhaltung atlantischer Thunfische). Noch nie haben wir uns so tief in einen Sachverhalt eingearbeitet, so dass wir uns kaum vorstellen konnten, dass die anderen Teams eine andere Argumentation ausgearbeitet hatten. 

 

Durch die wöchentlichen Teamtreffen und die gemeinsame Arbeit in unserem extra für den Moot Court von der Uni bereitgestellten Arbeitsraum wuchsen wir nicht nur als Team stärker zusammen, sondern machten auch große Fortschritte mit unseren Schriftsätze durch das Kennenlernen der Argumente der Gegenseite, Diskussionen zwischen den Gegenspielern und gegenseitigen Recherchehinweisen.  

 

Wie wichtig Zeitmanagement ist, wurde insbesondere in der letzten Redaktionswoche klar. Nie hätten wir erwartet, dass gerade Formalia so viel Zeit in Anspruch nehmen können. Nach 5 Tagen waren wir dann jedoch 5 Stunden vor Abgabe fertig, sodass wir die Abgabe bei einem wohlverdienten Burger feiern konnten! Unbeschreiblich, was einem für eine Last abfiel. 

 

 

Nach Abgabe der Memorials folgte dann die Vorbereitung auf das nationale Finale in Hamburg. Hierfür mussten wir auf Grundlage unserer Memorials mündliche Vorträge, sogenannte Pleadings, ausarbeiten, die wir in Hamburg vor „Gericht“ präsentieren sollten. Fast täglich trafen wir uns in den kommenden Wochen, um unsere Pleadings zu üben, unsere Mimik und Gestik unter Kontrolle zu bekommen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen von den Fragen der „Proberichter“ und diese höflich, geschickt und rechtlich fundiert zu beantworten. All dies sollte geübt sein, da auch das beste Argument aus dem Schriftsatz nicht überzeugt, wenn es nicht in nachvollziehbarer und souveräner Weise vorgetragen wird. In den „Probepleadings“ erhielten wir Unterstützung durch Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter und durften uns auch in Großkanzleien wie Noerr, Blomstein und Gleiss Lutz unter Beweis stellen.  

 

Aufgrund des Feedbacks der Proberichter mussten wir so einiges Mal unsere Pleadings über den Haufen werfen, Argumente nochmal hinterfragen und unser Hintergrundwissen erweitern. Doch ohne dieses konstruktive und hilfreiche Feedback hätten wir nicht so über uns hinauswachsen können. Es war für uns alle beeindruckend zu sehen, wie viel 5 Wochen Übung ausmachen können. Jede Woche wurden wir besser! Darüber hinaus lernten wir, unsere Argumente „bis zum Ende durchziehen“ und die daraus resultierenden Konsequenzen zu tragen, wenn nur so das gewünschte Ergebnis für unseren Staat erreicht werden konnte. Wie schwierig es war, trotz der ganzen Fragen, den Haltungen der Richter und der eigenen Nervosität souverän und ruhig zu bleiben, stellte sich uns jeden Tag aufs Neue. Wie wichtig das Auftreten vor Gericht ist, wurde uns durch das viele Üben mehr als bewusst. Insbesondere, dass man sich nicht dadurch verunsichern lassen sollte, dass manche Argumentationen nicht eindeutig einer Seite zuzuschreiben waren, da der Sachverhalt auf diese Kontroversen angelegt wurde.  

 

Auch wenn wir durch die wöchentlichen Treffen in der Memorial-Phase und der Redaktionswoche schon als Team zusammengewachsen sind, haben die (fast) täglichen Pleadings in der Uni oder Kanzleien wesentlich zu einem Teamspirit beigetragen. So freute man sich über die großen Fortschritte der anderen genauso wie über seine eigenen. Gerade zum sonst starken Einzelkämpfer_innenstudium Jura war die Pleading-Phase eine tolle Abwechslung.  

 

 Als wir am Mittwoch, den 20.02.2019, um 9 Uhr in den ICE nach Hamburg stiegen, schwebten uns viele Gedanken durch den Kopf: Wer würden unsere Gegner sein? Wie gut würden wir im Vergleich sein? Hatten wir vielleicht etwas Wichtiges übersehen? Wer würden unsere Richter sein? Wie fies würden die Fragen werden? Wir hatten keine Vorstellung, wie sehr uns die kommenden 5 Tage schlauchen, jedoch insbesondere auch bereichern würden. In 2 Tagen erwarteten uns 4 Vorrunden-Pleadings. Am Donnerstagmorgen hieß es dann zum ersten Mal „Madame President, your Excellencies, may it please the Court!“ Auch wenn wir uns leider nicht für das Viertelfinale qualifizieren konnten, waren wir stolz auf unsere Leistung! Wir haben uns von allen Schwierigkeiten, die uns in den 6 Monaten in den Weg gestellt haben, nicht unterkriegen lassen, sondern haben immer weitergekämpft und riesen Fortschritte gemacht. Insbesondere konnten wir eine positive Bilanz im Bezug auf das souveräne Auftreten vor erfahrenen Juristen verbuchen. Eine Erfahrung, von der wir in unserem späteren Berufsleben absolut profitieren werden! 

 

Neben der Pleadings kam aber auch der Spaß in Hamburg nicht zu kurz. Im Rahmen von gesponsorten Dinnern und einer großen Abschlussparty hatten wir die Chance, die Richter bestehend aus Professoren, Anwälten und Diplomaten, und die anderen Teams (besser) kennenzulernen und gemeinsam zu feiern.  

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Jessup Moot Court, auch wenn er manchmal sehr anstrengend und intensiv ist, eine einzigartige Möglichkeit ist, um während des doch sehr theoretisch gehaltenen Studiums praxisnahe Erfahrungen zu sammeln, seine rhetorischen Fähigkeiten auszubauen, einen vertieften Einblick in das Völkerrecht zu bekommen und andere völkerrechtsinteressierte Studenten kennenzulernen.  Wir würden diese Erfahrung nicht missen wollen!