Springe direkt zu Inhalt

Day of Crisis 2022 (Den Haag)

Erfahrungsbericht Day of Crisis 2022

Um drei Uhr morgens fließen die Gedanken zäh. Einzig das Rauschen der Computerbelüftung und das behäbige Klicken unserer Tastaturen durchbrechen die Stille unseres Hotelzimmers. Vor unseren übermüdeten Augen verschwimmen die Buchstaben auf den Bildschirmen zu schwarzen Schlieren. Wie war das gleich mit den Voraussetzungen für die Geltendmachung des diplomatischen Schutzrechts? Und wie ließe sich dieses Privileg der Staaten gewinnbringend für die inhaftierte Crew der Molly einsetzen? Es bleiben noch zehn Minuten, dann erwartet die Regierung von Westeros ein umfassendes Rechtsgutachten zu den möglichen völkerrechtlichen Ansprüchen gegen den Staat Middlelands in ihrem Postfach. Und dann noch wenigstens anderthalb Stunden Schlaf, bis es weiter geht zur finalen Verhandlungsrunde über eine Konvention zur Kriminalisierung und Abschaffung der Spionage im Friedenspalast von Den Haag. Werden die Staaten der DoC-World einen Kompromiss erringen?

Beim diesjährigen Day of Crisis, wie er seit 2012 von der Universität Paris Nanterre in Kooperation mit der Kanzlei Simmons and Simmons und der Haager Akademie für Völkerrecht in Den Haag ausgerichtet wird, trafen zehn Teams aus aller Welt aufeinander, um binnen 24 Stunden ununterbrochen juristische Lösungen für eine kontinuierlich eskalierende globale Krise und ihre Nebenschauplätze zu finden. Jedes Team verkörperte eine renommierte Kanzlei, die im Verlaufe dieses kräftezehrenden Wettbewerbs damit beauftragt wurden, Rechtsgutachten für Regierungen zu erstellen, die Interessen von Staaten bei mündlichen Verhandlungen durchzusetzen oder dem Geschäftemacher „Xelon Muk“ aus der Patsche zu helfen, dessen Unternehmen nach einer Satellitenkollision im Begriff ist, den Weg in die Investment-Stratosphäre anzutreten. Ab Freitag Morgen um neun Uhr folgte im Stundentakt Deadline auf Deadline, während unsere Köpfe über Problemen aus dem klassischen Public International Law aber auch aus den Bereichen International Arbitration und des völkerrechtlichen Investitionsschutzes brüteten.

Doch unser Fünfer-Team – Tom Haguen LLC – ließ sich nicht so einfach die Batterien aus dem Tesla holen. Als Consigliere des Teufels war es auch mal unsere Aufgabe, jeweils verfeindete Staaten zu demselben Problem zu beraten. Dabei kam es darauf an, die ständig neuen, per Mail eintrudelnden, Informationen abzuspeichern und nichts zu vertauschen – ein dynamischer Sachverhalt sozusagen – sowie eine effektive Arbeitsteilung zu organisieren. Der Lichtblick: bei fünf Personen war immer mindestens ein Teammitglied für die Kaffeeversorgung veräußerbar.

Gegen 19 Uhr verlagerte sich der Wettbewerb von der Haager Universität für Angewandte Wissenschaften in unser Hotel. Hinter uns lagen bereits fünf Verhandlungsrunden und ein Dutzend schriftlicher Einlassungen. In der Lobby überfiel uns die Müdigkeit, dabei war noch nicht einmal die Hälfte der Zeit vergangen. Von hier ab war jede Aufgabe auch ein Kampf gegen die eigenen Augenlider.  

Aber irgendwie hat „Tom Haguen LLC“ die Nacht überstanden. Bei Morgengrauen feilten wir an unserem Positionspapier für die finale Verhandlungsrunde. Um 9 Uhr waren alle Teams in der großen Aula der Haager Akademie für Völkerrecht versammelt. Die diesjährige Jury war hochkarätig besetzt. Neben dem ehemaligen niederländischen Außenminister Bernard Bot war auch die neue Richterin am Internationalen Gerichtshof Hilary Charlesworth anwesend. Jedes Team hatte sieben Minuten, um die Position seines Staates vorzustellen und in einer zweiten Verhandlungsrunde auf die übrigen Staaten zu reagieren. Zu einem Kompromiss sind die Staaten an diesem Tag – Oh Wunder – nicht gelangt. Doch hat das Team der FU am Ende einige schöne Erfolge errungen: in der Kategorie „Best Written Legal Advice“ belegten wir den dritten Platz; für unsere Leistung in der Finalrunde kamen wir sogar auf Platz 2. Sieger des Tages war ohne Zweifel das Team aus Madrid, das gleich zwei erste Plätze belegte. Am wichtigsten bleibt jedoch, dass wir als Team eine schöne gemeinsame Zeit in Den Haag verbringen durften und dabei in der ein- oder anderen Weise über uns hinausgewachsen sind.

Unser Dank als Team gebührt neben dem großartigen Organisationsteam aus Den Haag insbesondere Prof. Heike Krieger für die Unterstützung unserer Bewerbung, unserer Coachess Lea Kuhlmann. Wir bedanken auch uns auch bei der Ernst-Reuter-Gesellschaft für die großzügige finanzielle Unterstützung.