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Der Immobilien-Hai (Sachverhalt)

Die Habewill-Anton-Immobilien-GmbH (H.A.I.-GmbH) ist Eigentümerin von Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus Blücherplatz 36 in Kreuzberg. Zwar wirft das Objekt durch die Vermietung Gewinn ab, der neue Geschäftsführer Innozenz Piätsch denkt aber, dass trotz der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise ein Verkauf der Wohnungen für seine Firma lukrativer wäre.

Piätsch, der in Dahlem lebt und Kreuzberg nur am 1. Mai für revolutionär hält, hat aber nicht mit dem Widerstand der Altmieter und Altmieterinnen, die teilweise als Studierende in den späten 1960er Jahren in das Haus gezogen sind, gerechnet: Beim Besichtigungstermin im März 2009 werden Zettel in den Hof des Hauses geworfen. Sie tragen die Aufschrift „Schaustelle Blücherplatz 36, www.blücher36.de, Mieter_Innen wehren sich erfolgreich!“ Zwei Tage später lagen die beschriebenen Zettel während einer weiteren Besichtigung in dem zur Wohnung der Rollgardina Mikaelson führenden Treppenhaus; als sich die das Grundstück besichtigenden Personen im zweiten Hof befunden haben, ließ die Mikaelson kurzer Hand aus dem Fenster ihrer Wohnung eine Handvoll dieser Zettel „hinabrieseln“. Die Interessenten nahmen daraufhin vom Wohnungskauf Abstand. Aufgrund dieser Vorfälle kündigte die H.A.I.-GmbH das Mietverhältnis mit der Mikaelson fristlos. Da diese nicht auszog, erhob Piätsch beim Amtsgericht Räumungsklage gegen die Mikaelson.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Rollgardina Mikaelson, die schon ganz andere Kämpfe durchgestanden hat, ließ sich davon nicht beeindrucken und ging in die Berufung. Zur Überraschung des Piätsch gewann die Mikaelson diese „2. Runde“: Das Landgericht wies die Räumungsklage unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils ab. Zum Räumungsantrag führte es aus: Ein Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB sei aufgrund der der Mikaelson im Kündigungsschreiben vorgeworfenen Handlungen nicht gegeben. Das Herabwerfen von Zetteln rechtfertige – auch im Wiederholungsfall – keine fristlose Kündigung. Die dadurch eingetretene Verschmutzung des Innenhofes sei angesichts der Anzahl der Zettel nur geringfügig. Daran ändere der Umstand, dass die Zettel jeweils zu einer Zeit herunter geworfen worden seien, als sich Kaufinteressenten auf dem Hof befunden hätten, nichts. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass durch die Menge der Zettel oder die Art des Herabwerfens eine Herabwürdigung der auf dem Hof befindlichen Personen erfolgt sei. Schließlich stelle auch der auf dem Wurfzettel enthaltene Hinweis auf die Internetseite www.blücher36.de mit dem Zusatz „Mieter_Innen wehren sich erfolgreich“ keine Pflichtverletzung dar, da es sich hierbei um eine erlaubte Inkenntnissetzung der Kaufinteressenten von dem Konflikt zwischen den „alten“ Mietern und der Eigentümerseite handle. Schließlich stelle auch der Verweis auf die Internetseite allein wegen ihres Inhalts keinen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Der Inhalt der Internetseite – und damit auch ein Hinweis auf sie – könnte allenfalls dann eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn die Internetseite über das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 GG hinausgehend auch eine Schmähkritik der jeweiligen Eigentümer bzw. der hinter ihnen stehenden natürlichen Personen enthalte. Die Eigentümer müssten sich eine kritische, öffentliche Auseinandersetzung mit ihrem Handeln gefallen lassen, solange – wie hier – keine Überschreitung der Grenze zur Schmähkritik vorliege. Auch sei nicht erkennbar, dass mit der Internetseite allein versucht werde, die geschäftlichen Interessen der Eigentümer zu schädigen.

Piätsch hält diese Entscheidung, gegen die keine Einlegung von Rechtsmitteln möglich ist, für grob ungerecht, da ein Eingriff in das Eigentumsrecht der H.A.I.-GmbH vorliege. Er legt zwei Wochen nach Urteilsverkündung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin für die H.A.I.-GmbH Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Hierbei stützt er sich mit ausführlicher Begründung auf eine Verletzung von Art. 14 GG.

Wird die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben?


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