Über lange Jahrzehnte war die parlamentarische Kultur in der Bundesrepublik durch eine breite organisatorische Konsenslogik geprägt. In den letzten Jahren zeigt sich allerdings zunehmend, dass diese Konsenskultur an ihre Grenzen gerät.
Nicht nur der Debattenstil wird sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht zunehmend aggressiver. Auch die informalen Verfahrensabsprachen, insbesondere in den Ältestenräten, sind politisch immer weniger realisierbar, so dass an ihre Stelle konfliktbehaftete Mehrheitsentscheidungen, etwa über die Tagesordnung, treten müssen. Ihren Höhepunkt fand diese neue Konflikthaftigkeit in den Tumulten um die Konstituierung des Thüringer Landtags Ende September 2024. Diese Entwicklung vollzieht sich gleichwohl nicht im luftleeren Raum. Sie ist vielmehr eingebettet in eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung, in der die Regeln des Sagbaren, die Bedeutung von Rationalität im Diskurs und die Regeln der Wahrheitssuche grundlegend neu ausgelotet werden.
Parlamente als Orte, in denen sich idealtypisch die gesellschaftlich-politische Debatte aggregiert, wirken also einerseits als Brennglas für derartige gesellschaftliche Entwicklungen, sind aber gleichzeitig aufgrund ihrer vergleichsweise trägen Strukturen und ihrer Traditionsbehaftetheit sehr langsam und zurückhaltend in ihren Anpassungen an gewandelte gesellschaftliche Umstände.
Aus diesem Aufeinandertreffen von schneller gesellschaftlicher Entwicklung und großen institutionellen Beharrungskräften entsteht ein besonderes Konfliktpotential, das in der aktuellen politischen Situation immer wieder zu eskalieren droht.
Die Tagung versucht, dieses Konfliktpotential aus der Sicht von Rechts-, Politik- und Kulturwissenschaft sowie der Soziologie zu vermessen und neue Perspektiven zu finden.
Die Tagung wird von der Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert.
Tagungsort:
Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin
Garystraße 35
14195 Berlin
Teilnahme:
Die Veranstaltung richtet sich an Wissenschaftler*innen aus allen Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften, Praktiker*innen aus dem politischen Betrieb sowie an Studierende und interessierte Bürger*innen.
Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich.

