Promotionskolleg: Gerechtigkeit durch Tarifvertrag
Vortragsreihe: Weichenstellungen im Kollektivarbeitsrecht
In Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle organisiert das Promotionskolleg „Gerechtigkeit durch Tarifvertrag“ an der Freien Universität Berlin eine Vortragsreihe zu „Weichenstellungen im Kollektivarbeitsrecht“. Die Vortragsreihe findet von Ende April bis Ende Mai (fast) immer montags um 18 Uhr in Berlin und Halle im Wechsel statt.
Die Geschichte des kollektiven Arbeitsrechts in Deutschland ist wesentlich geprägt durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Einige Urteile von Urteile erscheinen im Rückblick als zentrale Weichenstellungen, nicht nur mit Blick auf die Rechtsentwicklung, sondern auch auf die Entwicklung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie und der Kräfteverhältnisse zwischen den Tarifvertragsparteien. Aus einer Perspektive, die eine effektive Tarifautonomie als notwendigen institutionellen Unterbau einer gerechten Arbeitswelt versteht, müssen einige dieser Urteile als durchaus problematisch angesehen werden. In fünf Vorträgen werden solchen Weichenstellungen in den Fokus genommen, um einerseits die unterliegenden rechtsdogmatischen Linien und andererseits auch die gesellschaftlichen Folgen kritisch zu analysieren.
Programm
- 26.4. Berlin (Dienstag!): Daniel Ulber (Halle) - Die Grenzen der Tarifmacht - Interpretation oder Implosion der Koalitionsfreiheit? (FU Berlin)
- 2.5. Halle: Olaf Deinert (Göttingen) - OT-Mitgliedschaften – oder: wie nagelt man ei-nen Pudding an die Wand?
- 9.5. Berlin: Nora Markard (Münster) – "Tarifautonome Diskriminierung? - Grund und Maß des tarifrechtlichen Gleichbehandlungsgebots"
- 16.5. Halle: Florian Rödl (FU Berlin) - "Parität" und "Verhältnismäßigkeit" - Über Grundmissverständnisse im Arbeitskampfrecht
- 23.5. Berlin: Johanna Wolff (Osnabrück) – „Die Allgemeinverbindlicherklärung: Wirklich Rechtssetzung sui generis?"
Wo: Berlin (Hörsaal III – Van’t Hoff Straße 8) und Halle (Anhalter Zimmer – Universitätsring 5)
Uhrzeit: 18 Uhr
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Call for Participation
Zwischenbilanzkonferenz des Promotionskollegs
„Gerechtigkeit durch Tarifvertrag“
22./23. September 2022 an der FU Berlin
Am 22. und 23. September 2022 wird das interdisziplinäre Promotionskolleg „Gerechtigkeit durch Tarifvertrag“ in Berlin eine Konferenz abhalten, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Die Konferenz widmet sich den rechts- und sozialwissenschaftlichen Grundlagen der Tarifautonomie und soll sowohl der Präsentation erster Forschungsergebnisse des Kollegs als auch dem disziplinären und interdisziplinären Austausch und der Vernetzung dienen.
Das Kolleg beforscht mit der Tarifautonomie einen wesentlichen Pfeiler von Industriellen Beziehungen und Sozialstaatlichkeit. Als solcher ist die konkrete Ausgestaltung der Tarifautonomie immer wieder Gegenstand politischer und juristischer Debatten, wobei der Fokus dabei nicht selten auf ihrer Begründung und Legitimation liegt. In den letzten Jahren hat sich allerdings ein liberalistisches Grundverständnis der Tarifautonomie als „kollektiv ausgeübte Privatautonomie“ etabliert, das weder rechtlich der normativen Bedeutung noch gesellschaftspolitisch der realen Funktion des Tarifvertragssystems gerecht wird: Tarifautonomie ist die Antwort auf die soziale Vermachtung der Arbeitswelt. Diese rührt daher, dass menschliche Arbeitskraft keine Ware ist wie jede andere (eine „fiktive Ware“) und der Arbeitsmarkt darum auch keinen funktionsfähigen Markt darstellt. Vor diesem Hintergrund ist die Tarifierung von Arbeitsverhältnissen gerade keine Frage persönlicher Präferenz von Arbeitsvertragsparteien, sondern eine Frage der Gerechtigkeit. Gleichwohl muss Tarifierung aus guten Gründen und vom Grundgesetz garantiert von freien Koalitionen getragen, und das heißt immer auch von handlungsfähigen Gewerkschaften erkämpft werden. Diese anspruchsvolle Voraussetzung scheint in der Gegenwart ständig prekärer zu werden, allzumal unter dem ökonomischen Druck globalisierter Märkte und im Kontext der gesellschaftlichen Megatrends von Individualisierung und Entsolidarisierung.
Die Konferenz knüpft sowohl an dieses theoretische Grundverständnis als auch an dieses praktische Grundproblem der Tarifautonomie an und soll die sich daraus ergebenden Fragen und Bezüge aus der Perspektive verschiedener Disziplinen thematisieren, unter anderem in drei offenen Panels. Für diese Panels wird herzlich dazu eingeladen, Vorschläge für Beiträge einzureichen. Die Themen umfassen Tarifautonomie, Arbeitskampf und Tarifpolitik aus rechtlicher sowie aus politik-, geschichts- oder sozialwissenschaftlicher Perspektive.
Arbeiten, die sich auf die Ebene von Arbeitsverhältnis oder Arbeitsplatz (Mikroebene) und auf die Ebene von Betrieb oder Branche (Mesoebene) beziehen, sind genauso erwünscht wie Arbeiten zu staatlicher Regulierung samt Rechtsprechung oder zur Ebene der Gesamtwirtschaft (Makroebene). Ohne dass das Themenspektrum mit dem Folgenden abschließend bestimmt werden soll, könnten sich die Beiträge der Erosion der Tarifbindung, OT-Mitgliedschaften von Arbeitgeberverbänden, Allgemeinverbindlichkeitsregelungen, Streik und Arbeitskampf, der Tarifierung von Lieferketten, der nationalen, europäischen und supranationalen Tarifpolitik oder Gewerkschaftsentwicklungen widmen. Auch international und historisch vergleichend angelegte Themenstellungen sind willkommen.
Um den interdisziplinären Dialog und die Vernetzung innerhalb des Feldes der Industriellen Beziehungen zu fördern, freuen wir uns über Einreichungen aus den Rechts-, Politik-, Sozial- und Geschichtswissenschaften. Besonders aufgerufen werden Forscher*innen, die am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn stehen (Prädocs und frühe Postdocs).
Wir bitten, die Vorschläge für Beiträge bis zum 15.03.2021 in elektronischer Form als PDF- oder Word-Datei an f.syrovatka@fu-berlin.de zu senden. Die Einreichungen sollen einen Arbeitstitel und ein Abstract (in deutscher oder englischer Sprache) von etwa einer Seite umfassen.
Den Call for Participation finden Sie hier als PDF.