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Tagung "Römisches Vermessungswesen"

Am 28. und 29 März war die TOPOI-Villa in Dahlem Ort einer durch Cosima Möller (B-I-1) organisierten Tagung, die in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich war. Schon das Tagungsthema der römischen Feldmesserschriften, die seit dem 6. Jh. n.Chr. im corpus agrimensorum Romanorum versammelt sind, steht so nun nicht eben häufig auf der Agenda wissenschaftlichen Betriebs und auch die vertretenen Disziplinen sprechen für ein komplexes Forschungsgebiet ebenso wie für die Fähigkeit von TOPOI, diese Gebiete unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen. Für die römische Rechtsgeschichte standen die Vorträge von Cosima Möller (FU Berlin), Floriana Cursi (Università degli Studi di Teramo) und Okko Behrends (Universität Göttingen), für die historische Betrachtung Pepa Castillo Pascual (Universidad de la Rioja) und Stefan Esders (FU Berlin). Daß bei einem Thema wie der Vermessung, neben der historischen Geographie, vertreten durch Klaus Geus (FU Berlin), auch Mathematik und Technikgeschichte eine wichtige und wesentliche Rolle spielen, wurde durch Vorträge von Eberhard Knobloch (BBAW, TU Berlin) und Menso Folkerts (LMU München) deutlich gemacht, und schließlich war auch die klassische Philologie durch Thorsten Fögen (Durham University/HU Berlin) und Jens-Olaf Lindermann (FU Berlin) vertreten.

Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch den TOPOI-Sprecher der FU Berlin, Michael Meyer, war am ersten Tag das vermessene Feld den Juristen und Historikern überlassen, die z.B. die unterschiedlichen Herangehensweisen der agrimensores und der iuris periti an eine Grenzstreitigkeit in genauen Analysen herausarbeiteten. An diesen Themenbereich knüpften besonders die Vorträge von Cosima Möller und Floriana Cursi an, die sich mit dem Wegesystem in einem vermessenen und zugewiesenen Gebiet beschäftigten und Vorgaben, die durch agrimensorische Vermessungstätigkeit entstehen, gegenüber den rechtlichen Aspekten wie z.B. denen einer Grundsicherung von Zugang zu öffentlichen Wegen oder mögliche Überlagerungen durch Festlegungen von Privatleuten untersuchten. Die ersten Anfangsgründe der Zusammenhänge von Bodennutzung und Vermessung beleuchtete anschließend der Beitrag von Okko Behrends, der über den auguralen Ursprung des Limitationskreuzes als eine mögliche Entstehungsursache sprach und dann auf die unterschiedlichen Nutzungsformen von Land und ihren Einfluß auf das friedliche Zusammenleben der bereits vorrömischen Siedlungsgemeinschaften einging. Hieran schlossen sich der Beitrag von Pepa Castillo Pascual, in dem Rechtsstreitigkeiten territorialer Natur zwischen Gemeinden aus der Sicht der Historikerin beleuchtet wurden, und derjenige von Stefan Esders an, der die Bedeutung der römischen Landvermessung für die Steuererhebung in der Spätantike anhand von griechischen Dokumenten aus Ägypten bis hin zur Umsetzung von lateinischer Fachterminologie ins Griechische behandelte.

Der zweite Tag stand dann besonders im Zeichen der Mathematik und der Geographie; Eberhard Knobloch und Menso Folkerts gingen dabei vor allem auf die durchaus schwierigen mathematischen Aspekte der Landvermessung ein, einmal in bezug auf die Ermittlung der genauen Nord-Südachse des agrimensorischen Wege- und Grenznetzes mithilfe der Schattenstabmessung, einmal in bezug auf die Vermessung von Feldstücken, deren komplexe Berechnung auch die Arbeit mit Näherungswerten notwendig macht. Die unterschiedliche Vorstellung der Erde und ihre Einordnung in den Kosmos, die zum Teil noch freigelegt werden muß, war nicht nur bei Eberhard Knobloch, sondern auch bei Klaus Geus Gegenstand des Vortrags, in dem die kartographische Erfassung, die in Spuren auch in den Gromatikerschriften faßbar ist, mit griechischen astronomischen wie geographischen Quellen verglichen wurde. Den sprachlichen Aspekten und der Wortgeschichte besonders mit der Idee von Raum verbundener Termini wie locus oder spatium war der Vortrag von Jens-Olaf Lindermann gewidmet, während der Beitrag von Thorsten Fögen das corpus agrimensorum Romanorum mit anderer Fachliteratur verglich und Parallelen beispielsweise im Gebrauch eher archaistischen Fachvokabulars ebenso hervorhob wie das Bewußtsein der Autoren, ihr Fach nicht nur durch spezifisches Wissen zu beherrschen, sondern sich auch der ethischen Komponente eigenen Tuns bewußt zu werden, was durch zahlreiche Belege überzeugend herausgearbeitet wurde.

Geprägt war die Tagung von einem angenehmen Gesprächs- und Diskussionsklima, das durch die hohe Qualität der einzelnen Beiträge und die Aufgeschlossenheit der Teilnehmer, zu denen auch fachkundige Gäste gehörten, entstand. Erst der Blick aus verschiedenen Fachrichtungen läßt ein facettenreiches Bild vom römischen Vermessungswesen entstehen.

Möller/Lindermann

 

Eine Kurzfassung dieses Artikels ist ebenfalls in der Zeitschrift Neotopia erschienen.

 

Gruppenbild

 

v.l.n.r. (vorn): Cosima Möller, Pepa Castillo Pascual, Floriana Cursi,
Eberhard Knobloch, (hinten): Klaus Geus, Markus Asper, Menso Folkerts,
Thorsten Fögen, Okko Behrends, Stefan Esders, Jens-Olaf Lindermann.