Springe direkt zu Inhalt

Die gromatischen Traktate des Iulius Frontinus

CorpusAgrimensorumRomanorum

CorpusAgrimensorumRomanorum
Bildquelle: Wolfenbüttel Herzog-August-Bibliothek, Guelf. 36.23 Aug. 2° (s. v ex.–vi in.) fol. 18r: Zeichnung eines ager arcifinius, eines nicht vermessenen Landes, der seine Begrenzung durch natürliche Bezugspunkte erhielt. Diese Bezugspunkte sind (eingezeichnet) Flüsse, Gräben, Berge, Grenzbäume und Flußscheiden. Am unteren Rand gut zu erkennen verläuft eine gepflasterte Straße (via).

Die gromatischen Traktate des Iulius Frontinus – Wissenstransfer im Spannungsbogen von Vermessungstechnik und Recht im Römischen Reich

Das seit 1.5.2021 betriebene Projekt wird von der Gerda Henkel Stiftung gefördert und knüpft an Forschungen im Exzellenzcluster Topoi an, die sich mit der philologischen, wissenschaftsgeschichtlichen, mathematischen und rechtsgeschichtlichen Erschließung der römischen Feldmessertexte beschäftigten. Diese Texte sind in den Gromatici Latini seit dem 6. Jh. n. Chr zusammengestellt worden und in mehreren Handschriften überliefert. Die bisher bestehenden Editionen bilden den tatsächlichen Überlieferungszustand nur unzureichend ab, wie die Topoi-Forschungen gezeigt haben. Es ist daher eine editorische Herausforderung, eine neue Textkonstitution zu erstellen.

In diesem Zusammenhang sind die mathematischen und astronomischen Darlegungen zu prüfen, rechtsgeschichtliche Expertise ist für die juristische Kontextualisierung erforderlich und die gewählten Beispiele für die Anwendung der Feldmesskunst bei der Anlage von Kolonien sind nach dem angesprochenen Ort und dem politischen Hintergrund zu beachten. Leistet man dies, liegt es nahe, den Texten eine Kommentierung hinzuzufügen und zur Erleichterung des Verständnisses eine deutsche Übersetzung zu erstellen. Dies ist im Jahr 2018 mit der Publikation: Lindermann, Knobloch, Möller, Hyginus. Das Feldmesserbuch. Ein Meisterwerk spätantiker Buchkunst geschehen. Dort wurden u.a. weitere Gründe für die bereits in der Forschung bevorzugte Datierung dieser Schrift in den 70er Jahren des 1. Jhs. n. Chr., in einer Phase der Konsolidierung des römischen Reiches durch Kaiser Vespasian, ermittelt. Einige Themen, die dieser Hyginus behandelt, sind die Ausrichtung der Vermessung an den Himmelsrichtungen und deren Ermittlung, das Limitationskreuz aus cardo und decumanus und die dadurch gewährleistete Bestimmung der Lage von Grundstücken, deren Nutzung in Zusammenhang mit der Art ihrer Vermessung vergeben wird. Eine bedeutsame Rolle spielt auch die grundsätzliche Verwendung der Systemlinien der Vermessung als Wege und damit als einer Basis-Infrastruktur.

Im Rahmen des jetzigen Projekts soll der wahrscheinlich älteste erhaltene Feldmessertext eines Iulius Frontinus (1. Jh. n. Chr.) untersucht werden. Rechtshistorisch interessant ist Frontinus vor allem deshalb, weil er noch stärker als Hyginus die rechtlichen Aspekte der mit der Feldmesskunst zusammenhängenden Regelung der Bodennutzung untersucht und eine Typologie von mit bestimmten Feldereigenschaften (qualitates) verbundenen Rechtsstreitigkeiten (controversiae) entwickelt. Die Abgrenzung der fachlichen Kompetenzbereiche von Feldmessern (Agrimensoren bzw. nach dem Vermessungsinstrument: Gromatikern) und Juristen wird ein Thema der Kommentierung sein wie auch die Einbettung in die Debatten der römischen Juristen und in ihre systematische Grundhaltung. Solche Themen sind im Rahmen von Topoi für spezifische Fragestellungen in den Dissertationen von Sebastian Frühinsfeld und Lennart Griese untersucht und die Feldmesserschriften dafür eingehend ausgewertet worden. Auch der Wirkung auf die spätantike Kommentierung der Feldmessertexte wird nachgegangen werden. Bedeutsam ist Frontinus ferner deswegen, weil er auch zum Verständnis der nur indenspärlichen inschriftlichen Zeugnissen greifbarenKatasterplanung des Römischen Reichs beiträgt.

Iulius Frontinus ist eine historische Persönlichkeit, über deren Identität es eine wissenschaftliche Debatte gibt. Manche identifizieren ihn mitSextus Iulius Frontinus, dem Statthalter der Provinz Britannia (74/75 n. Chr.) und dem curator aquarum, der unter Nerva (97 n. Chr.) die Funktionsfähigkeit der Aquädukte Roms beaufsichtigte, wozu er das fachwissenschaftliche Werk De aquaeductu urbis Romae verfasste. Es finden sich allerdings keine Verweise auf Geometer-Schriften weder bei ihm selbst noch bei seinen Zeitgenossen. [Fußnote zu https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/19829 und zu http://www.topoi.org/wp-content/uploads/2016/06/eTopoi_Vol5_Pascual.pdf]

Das im Projekt untersuchte Werk des Geometers Frontin enthält, wie man nach einem Jahr Forschungsarbeit sagen darf, vermutlich auch Textfragmente anderer Agrimensorenschriften, unter anderem eine weitere Textvariante des bereits untersuchten Hyginus. Andere kleinere Textstücke müssen wahrscheinlich ebenso neu zugewiesen werden.    

Die an dem Projekt Beteiligten können auf eine lange gemeinsame Arbeitserfahrung zurückblicken: Neben Frau Prof. Dr. Cosima Möller wird der klassische Philologe Herr Dr. Jens-Olaf Lindermann in dem Projekt tätig sein. Als externer Berater steht der Wissenschaftshistoriker und Mathematiker Herr Prof. Dr. Eberhard Knobloch (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) dem Projekt wieder zur Verfügung.

Im Rahmen des von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften veranstalteten Salon Sophie Charlotte im Januar 2019 wurde das Feldmesserbuch des Hyginus in drei Vorträgen vorgestellt. Link: https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/beitraege?what=tag&search_tag=Hyginus.