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5. Berliner Cyberversicherungstag (12.10.2023)

Rückblick: 5. Cyberversicherungstag am 12. Oktober 2023 an der FU Berlin

Am 12. Oktober 2023 fand am Fachbereich Rechtswissenschaft der FU Berlin in
Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verein für Versicherungswissenschaft e.V. (DVfVW) und
dem Berliner Verein zur Förderung der Versicherungswissenschaft bereits zum fünften Mal der
Cyberversicherungstag statt. Rund 100 Interessierte verfolgten die Vorträge aus Wissenschaft
und Praxis zu aktuellen Themen zur Cyberversicherung teilweise vor Ort, teilweise online. Die
Veranstaltungsreihe wurde initiiert und wird inhaltlich koordiniert von Thomas Pache (Aon
Hamburg) und Dr. Dan Schilbach (Kanzlei Noerr, Düsseldorf) als Vertreter der Praxis sowie
von Univ.-Prof. Dr. Christian Armbrüster als Vertreter der Wissenschaft, der die Tagung auch
moderierte.

Zum ersten Mal gab es in diesem Jahr einen informellen Vorabend in der Hotelbar des
Seminaris CampusHotel Berlin, bei dem die Teilnehmenden bereits im Vorlauf der
Veranstaltung die Möglichkeit zu einem ersten Austausch in informeller Atmosphäre hatten.

Die Veranstaltung begann am folgenden Tag nach einer Begrüßung sowie kurzen Einleitung in
das Thema der Cyberversicherung durch Prof. Armbrüster mit dem ersten Vortrag zu aktuellen
Entwicklungen bei Cyber-Schadenfällen von Christian Taube (Beazley Cyber Services,
München). Untermauert von einigen echten Fallbeispielen, die aufzeigten, wie Cyberangriffe
üblicherweise ablaufen, wies er auf klassische Schwachpunkte der Cybersicherheit hin.
Besonders bemerkenswert sei eine Tendenz dazu, dass Cyberkriminelle Daten zwar zunehmend
exfiltrieren, aber nicht mehr verschlüsseln. Auf Nachfrage aus dem Publikum gab er an, diese
Tendenz sei wahrscheinlich auf die steigende Bedeutung einer Rufschädigung bei Datenverlust
sowie den Erfahrungen der Hacker zurückzuführen. So würden Unternehmen bei einer reinen
Exfiltration häufiger und schneller zahlen, als wenn ihre Infrastruktur vollständig verschlüsselt
wurde. Letztlich kam er auch mit Blick auf den Sachverhalt der aktuellen Entscheidung des LG
Tübingen (4 O 193/21) zu dem Schluss, dass die Anforderungen an die Cybersicherheit
entgegen gängiger Auffassung nicht ständig steigen. Vielmehr scheitere Cybersicherheit immer
noch oft an einer mangelnden Umsetzung grundlegender Maßnahmen.

Alexander Welter (Aon, Mülheim an der Ruhr) und Dr. Dan Schilbach befassten sich
anschließend mit Herausforderungen in der Regulierung von Cyberschadenfällen. Dabei ging
es zum einen um Herausforderungen im Schadenhandling, welche die Referenten insbesondere
in den vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten sowie Auskunfts- und Mitwirkungs-
obliegenheiten im Schadenfall sahen. Hier sei ein häufiger Streitpunkt beispielsweise die
Herausgabe von sogenannten Pentests oder Audit-Berichten, die der regelmäßigen Prüfung der
Systemsicherheit dienen und Rückschlüsse auf mögliche Sicherheitslücken des
Versicherungsnehmers zulassen.

Zum anderen befassten sich die Referenten mit häufigen Streitpunkten in der Regulierung von
Cyberschäden. Nach einer kurzen Übersicht zu deckungsrechtlichen Einwendungen ging es
erneut um die aktuelle Entscheidung des LG Tübingen, diesmal jedoch unter dem
Gesichtspunkt einer Herbeiführung des Versicherungsfalls, die – so das Gericht – dem
Versicherer als Einwand versperrt ist, wenn die betreffende Gefahrenlage bereits bei
Vertragsschluss bestand und bereits Grundlage der Risikoprüfung des Versicherers war bzw.
hätte sein müssen. Die Referenten betonten vor diesem Hintergrund die Bedeutung
vorvertraglicher Risikoermittlung. Auf die Rückfrage, ob immer mehr technische
Obliegenheiten eingeführt würden, wurde von den Vortragenden entgegnet, dass weniger eine
Zunahme der technischen Obliegenheiten, sondern viel eher eine Zunahme der Risikofragen zu
beobachten sei.

Nach einer Kaffeepause, die von den Teilnehmenden zum regen Austausch genutzt wurde,
befasste sich Roman Dickmann (Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.) mit dem IT-
Schwachstellenmanagement in der Cyberversicherung. Hierfür warf er zunächst einen Blick
auf die Historie der Regulierung und Versicherung von Cyberrisiken. Letztlich schlussfolgerte
er, dass es trotz der exponentiellen Entwicklung bisher keinen Sockel an IT-Sicherheit gebe,
der – ähnlich den Sicherheitsstandards in der Feuerversicherung – zum Erreichen eines
Mindestmaßes an IT-Sicherheit aber dringend nötig wäre. Dies würde beispielsweise dazu
führen, dass bereits unsichere Produkte angeboten werden und Cyberkriminelle Handel mit den
Schwachstellen betreiben. In neuer EU-Gesetzgebung sah er jedoch positive Impulse. Im
Schwerpunkt folgte eine detaillierte Darstellung eines optimalen Schwachstellenmanagements.
In diesem Zusammenhang bemerkte Herr Dickmann, dass die Reaktion von Unternehmen auf
Hinweise Dritter häufig von wenig Dankbarkeit geprägt sei, obwohl diese Hinweise als
Bereicherung verstanden werden müssten. Der Vortrag schloss unter anderem mit der These
ab, dass vor diesem Hintergrund der Umgang mit Schwachstellen Eingang in das Underwriting
finden sollte.

Den Abschluss des Vormittagsprogramms machte Peter Graß (GDV, Berlin), der digital
zugeschaltet über die überarbeiteten GDV-Musterbedingungen zur Cyberversicherung
referierte. Die Veröffentlichung der Neufassung sei zum Ende des Jahres 2023 zu erwarten.
Darin seien nach Abstimmung mit den Marktteilnehmern wichtige Anpassungen vorgenommen
werden. Einige dieser Neuerungen stellte der Referent unter dem Vorbehalt ihrer Finalität vor.
So werde unter anderem die viel umstrittene Kriegsausschlussklausel neu gefasst. Auf
Nachfrage aus dem Publikum bemerkte Herr Graß, dass bei der Kriegsausschlussklausel
künftig auch eine staatliche Billigung von Angriffshandlungen erfasst sein soll. Er wies in
diesem Zusammenhang auf eine aktuelle GDV-Initiative zur Cybersicherheit hin. In Reaktion
auf das bereits erwähnte Urteil des LG Tübingen solle aller Voraussicht nach auch die
Einwendung nach § 81 Abs. 2 VVG ausdrücklich ausgeschlossen werden, wenngleich sich dies
aus Sicht des Referenten bereits aus der bislang geltenden Fassung der AVB ergebe.

Nach einem ausgiebigen Mittagessen und der Möglichkeit zu weiterem Austausch hielt Volker
Pulskamp (FleishmanHillard, Frankfurt a.M.) einen Vortrag zur professionellen
Krisenkommunikation in den Phasen vor, während und nach einem Cybervorfall. Dabei
präsentierte er die hierfür aus seiner Sicht wichtigsten Grundregeln. Zum einen sei es
entscheidend, die Kommunikation den Experten zu überlassen. Zum anderen sollte dies nicht
erst im Schadenfall passieren. Ein präventives Netzwerk für den Ernstfall könne oft dabei
helfen, schwerwiegende Fehler zu vermeiden. „Undisziplinierte“ Sprache solle durch
vorbereitete Botschaften und Textbausteine verhindert werden. Insbesondere unabhängige
Kommunikationskanäle zu den Stakeholdern sollten existieren, damit diese von einem Vorfall
nicht aus anderer Quelle erfahren und so wichtiges Vertrauen erhalten bleibt.

Im Folgenden ging es um Kumulrisiken. Die Referenten Thomas Pache, Sebastian Scholz (PPI
AG/cysmo Cyber Risk GmbH, Köln) und Daniel Kasper (Qualrisk Cyber Insurance Center,
Köln) warfen nacheinander jeweils einen eigenen, kurzen Blick auf dieses für die
Cyberversicherung brisante Thema. Zunächst referierte Herr Pache dazu, ab wann Cyber-
Kumule grundsätzlich nicht mehr versicherbar seien und welche Maßnahmen Versicherer
ergreifen könnten. Hier sei es möglich, Ausschlüsse wie etwa die Kriegsausschlussklausel zu
vereinbaren sowie Risiken genau zu selektieren und zu überwachen. Er stellte auch
Überlegungen zu einem staatlich gelenkten Rückversicherungspool für die Cyber-
Kumulrisiken an. Sebastian Scholz widmete sich der Identifikation von Kumulen in der
Cyberversicherung. Nach Darstellung einiger potentieller Kumulszenarien präsentierte er ein
IT-Tool, dass der Identifzierung von Kumulrisiken in einem Risikoportfolio dienen kann.
Daniel Kasper resümierte zuletzt, dass niemand genau wissen könne, wann Kumulrisiken
eintreten. Vor allem das stete Bewusstsein für diese Risiken sei entscheidend. Er wies auf die
erste Cyber-Katastrophen-Anleihe von Beazleys hin, mit der sich eine neue spannende
Entwicklung auf dem Versicherungsmarkt abzeichne.

Die Tagung wurde mit einem Vortrag von Isabelle Brams (Lathan&Watkins, Frankfurt a.M.)
abgerundet, die sich Schadensersatz und Bußgeldern wegen DSGVO-Verstößen nach einem
Cyberangriff widmete. Nach einem Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen
referierte sie zu den typischen Konsequenzen mit Blick auf einen Verstoß gegen Art. 32
DSGVO. Hier könne es für das Unternehmen Meldepflichten geben, gleichzeitig drohten
Behördenverfahren und Bußgelder sowie Schadensersatz und Kündigungsrechte von
Vertragspartnern. Diese Konsequenzen wurden anschließend detailliert referiert. Als
vorbereitende Maßnahmen sollte grundsätzlich eine gerichtsfeste Dokumentation der für den
Datenschutz relevanten Strukturen und Prozesse erfolgen. Außerdem seien selbstverständlich
die üblichen Anforderungen an die IT-Sicherheit einzuhalten. Korrespondierend zu ihren
Vorrednern wies die Referentin auf die Notwendigkeit eines sogenannten Cybersecurity
Incident Response Plan hin, also einem Plan, der dem Unternehmen im Ernstfall hilft, die
richtigen Schritte einzuleiten. Abschließend erläuterte Frau Brams, auch Manager würden sich
bei einem Datenschutzverstoß regelmäßig Haftungsrisiken ausgesetzt sehen. Als Fazit hielt sie
fest, dass ein Datenleck allein nie die Katastrophe sei. Vielmehr würde die Katastrophe erst bei
einem unprofessionellen Umgang mit dem Problem entstehen.

Die Veranstaltung wurde von Prof. Armbrüster mit einer Danksagung an die Vortragenden und
Diskutanden, das Publikum und die an der Organisation Beteiligten beendet. Dabei kamen noch
weiterführende Fragen zur Sprache, die in den Vorträgen aufgeworfen wurden und Anlass für
eine Fortsetzung des Formats im kommenden Jahr bieten würden. Wie jedes Jahr lud er die
Teilnehmenden dazu ein, auch künftig eigene Themenvorschläge einzubringen, um auch
weiterhin eine große Praxisnähe des Berliner Cyberversicherungstags zu gewährleisten.
Der nächste Berliner Cyberversicherungstag soll am Freitag, dem 11. Oktober 2024 stattfinden.
Nähere Informationen werden auf den homepages der beteiligten Institutionen zu finden sein.

Dominik Schürger/Markus Hoffmann
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Lehrstuhl Univ.-Prof. Dr. Christian Armbrüster
Freie Universität Berlin