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SQ Blog: Geschlecht im Recht

Im Sommersemester 2022 gab zum ersten Mal die Veranstaltung „Recht, geschlechtersensibel betrachtet“ am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität. Als „Schlüsselqualifikationen“ für die Ausübung juristischer Berufe nennt § 5a Abs. 3 DRiG exemplarisch Gesprächsführung, Rhetorik, Mediation oder Kommunikationsfähigkeit – auch die kritische Reflexion der Bedeutung von Geschlecht im Recht ist hier einzuordnen. „Geschlecht im Recht“ ist dabei als Querschnittsthema zu verstehen, das gesellschaftliche und rechtliche Aspekte miteinander verknüpft, in der universitären juristischen Ausbildung jedoch bestenfalls punktuell angesprochen wird. Auf studentischer Seite gibt es jedoch hohes Interesse. Dabei geht es sowohl um feministische und gendertheoretische Zugänge zum Recht als auch um die damit verbundenen Probleme von Rassismus und sozialer Benachteiligung.

Eine Gruppe von Studierenden, die hier zu Wort kommen soll, beschäftigte sich im Sommersemester 2022 mit dem Thema „Frauen in Haft“. Historisch ist die Inhaftierung von Frauen häufig erfolgt, um Prostitution, Obdachlosigkeit oder vermeintlich sittenlosem Verhalten zu begegnen: Die Zwangsunterbringung in den Anstalten – Spinnhäuser, Magdalenenhäuser, Heime für „gefallene Mädchen“ – traf oft arme Frauen, ledige Mütter oder auch Frauen mit psychischen Erkrankungen. Unter der Nazi-Herrschaft wurden politisch aktive Frauen und Mädchen, Jüdinnen, Romnja und Sintezza, Zwangsarbeiterinnen und auch „Asoziale“ in Konzentrationslagern inhaftiert. Um sowohl historisch als auch aktuell Zugang zu Kontinuitäten und Besonderheiten des Themas zu bekommen, fanden Exkursionen ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, zum Lernort Keibelstraße als ehemaliger Untersuchungshaftanstalt der DDR für Frauen sowie in die Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin-Lichtenberg statt. Eindrücke und Reflexionen der Teilnehmenden sind in Blogbeiträgen verarbeitet worden: So betrachten Carla Geib und Nora Tuchelt das Konstrukt der „Asozialität“ – das besonders Frauen traf – als Straftatbestand und Inhaftierungsgrund in historischer Perspektive. Lea Sofie Stein und Sophie Rousseau beschäftigen sich mit den inhaftierten Frauen im KZ Ravensbrück und in der Untersuchungshaftanstalt Keibelstraße, wobei sie besonders auf das Schicksal inhaftierter Mütter und dem der Kinder hinweisen. Jingyi Peng und Isabel Müller-Marquardt reflektieren ihren Besuch des Lernorts Keibelstraße und konzentrieren sich auf die Gefangenen der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt, wobei sie besonders den Vorwurf der Asozialität und Prostitution nach dem DDR-Strafrecht in den Blick nehmen. Wie es um inhaftierte Frauen heute steht, beleuchten Shashwati Wagle, Lotte Tietze und Vanessa Braun, die sich in ihrem Beitrag der Lebenssituation von Frauen vor ihrem Haftantritt widmen. Besondere Problemlagen der inhaftierten Frauen, namentlich psychische Erkrankungen, stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Pauline Elger, Hannah Feuerer und Anouk Single. Einer bestimmten Gruppe inhaftierter Frauen widmen sich auch Tamira Braasch und Emilia Streitbörger, die die aktuelle politische Diskussion zur Problematik der Ersatzfreiheitsstrafen bei nicht bezahlten Geldstrafen aufgreifen.