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Frauen in Haft: Eine historische Gegenüberstellung des KZ-Ravensbrück und der UHA Keibelstraße

Von Lea Sofie Stein und Sophie Rousseau

 

Am 30. April 1945 befreiten die sowjetischen Truppen das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Neben jüdischen Insassinnen waren dort auch viele Frauen unabhängig von ihrer religiösen Herkunft inhaftiert.[1]

„Wenn Auschwitz gezeigt hat, was der Mensch einem Volk antun kann, so hat Ravensbrück gezeigt, was der Mensch den Frauen antun kann.“ -  Sarah Helm (in 'Ohne Haar und ohne Namen: im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück')

 

KZ Ravensbrück

In im nördlichen Brandenburg gelegenen Ravensbrück errichtete die SS 1939 das größte Frauenkonzentrationslager Deutschlands. Nachdem die ersten Insassinnen im Frühjahr dorthin verlegt worden waren, wurde 1942, im Zuge stetiger Erweiterung des Lagers, noch ein zusätzliches Männerlager angegliedert. Das Konzentrationslager registrierte seit seiner Gründung bis zu dem Ende des Krieges etwa 120.000 Frauen, 1.200 weibliche Jugendliche und Kinder sowie 20.000 Männer.

Ab 1941 galt Ravensbrück offiziell als Hinrichtungsstätte. Bis zur Errichtung einer provisorischen Gaskammer im Jahr 1945 fand die Tötung der unzähligen Frauen durch die Exekution mit Schusswaffen statt. Von Januar bis April 1945 kamen dann 5.000-6.000 Häftlinge in der neu errichteten Gaskammer ums Leben. Wie viele Häftlinge insgesamt in Ravensbrück ihren Tod fanden, konnte bis heute nicht genau geklärt werden. Die geschätzte Anzahl der Opfer beläuft sich allerdings auf ungefähr 30.000-90.000. Im Gegensatz zu dem gängigen Bild der Inhaftierten eines Konzentrationslagers war nur eine Minderheit der Frauen jüdischer Abstammung. Der Hauptteil waren wohl politische Gefangene, unter anderem Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen, sowie Prostituierte und Kleinkriminelle.

Auch Schwangere kamen ins Konzentrationslager. Heute wird davon ausgegangen, dass allein in Ravensbrück in den Jahren 1943-1945 über 600 Kinder zur Welt kamen. Da aber nur die wenigsten Säuglinge überlebten, ist die tatsächliche Zahl unmöglich feststellbar. Schwangerschaften und Neugeborene waren von den Nationalsozialisten in den Lagern äußerst unerwünscht. Aus ihrer Sicht waren die Frauen dadurch nicht nur eingeschränkt arbeitsfähig, sie würden ihre Babys über ihre Arbeit priorisieren. Die Säuglinge benötigten außerdem eine zusätzliche Pflege und Verpflegung, die die Leitung der Konzentrationslager nicht gewillt waren zu stellen. Anfängliche Versuche die Situation mit Hilfe von erzwungenen Abtreibungen unter Kontrolle zu bringen, verliefen erfolglos, als immer mehr schwangere Frauen nach Ravensbrück kamen. Doch auch wenn die Babys nun in den Lagern bis zur Geburt ausgetragen werden durften, war dies für die Neugeborenen noch immer keine Garantie für ein Überleben. Durch die schlechten Zustände in den Lagern war kaum eine Frau in der Lage ihr Kind selbst zu stillen und auch zusätzliches Essensportionen waren für sie nicht zugänglich. Je weiter der Krieg voranschritt, desto weniger Essen bekamen die Insassinnen, oftmals nicht mehr als eine dünne Brühe. Letztendlich ließen die Nationalsozialisten die Geburten zwar zu, aber nur um die Kinder anschließend systematisch verhungern zu lassen. Der Großteil der Neugeborenen verstarb einfach an Verwahrlosung. Von den Müttern getrennt, erlagen sie häufig dem Hunger oder Unterkühlung. Von den Hunderten geborenen Kindern ist nur von 40 bekannt, dass sie überlebten. 

„Ich hörte auf zu wachsen. Ich trug die ganze Zeit denselben Kindermantel.“ - Fainman-Krausz (in ‚Ich habe die Schreie gehört‘)

Auch die sich im Lager befindlichen Kinder erwartete keine bessere Perspektive. Die Kinder in den Konzentrationslagern waren in den Frauenlagern untergebracht, dies galt auch für Jungen bis zu ihrem zwölften Lebensjahr. In Ravensbrück werden etwa 900 Kinder und Jugendliche geschätzt, die sich im Alter zwischen 2-16 Jahren befanden. Ein paar von ihnen kamen zusammen mit einem Familienmitglied in das Lager, die Regel war dies aber wohl nicht. Schnell fanden sich deshalb sogenannte “Lagermütter” unter den inhaftierten Frauen. Sie nahmen sich der verwaisten Kinder an und versuchten ihr Leben möglichst normal und erträglich zu gestalten. Ab dem zwölften Lebensjahr wurden den Mädchen erstmals eine Arbeit zugewiesen, während die Jungen ab diesem Alter in ein Männerlager verlegt wurden. Alle Kinder in jüngerem Alter blieben tagsüber in den Baracken. Der Zusammenhalt der Frauen und Lagermütter war wohl lebensrettend für viele der Kinder.

Doch auch ohne die Pflicht zur Arbeit machten die Strapazen der Lebensumstände vor den Kindern nicht halt. Mit dem immer weniger werdenden Essen im Rahmen des fortschreitenden Krieges litt vor allem die körperliche Entwicklung der Jungen und Mädchen. Viele erlitten körperliche Schäden durch die Mangelernährung, die ein Leben lang Folgen für sie haben würde, wenn sie die Inhaftierung überhaupt überlebten.

"Ravensbrück wird bis heute nur am Rande beachtet. Das Bild des KZ-Häftlings ist männlich“ - Insa Eschebach (Leiterin Gedänkstätte Ravensbrück, in ‚Ich habe die Schreie gehört‘)

Das Gebiet Ravensbrück fiel nach der Gebietsaufteilung durch die Alliierten 1945 im selbigen Jahr in den Herrschaftsbereich der Sowjetunion und damit der Streitmacht zu, die nur Wochen zuvor die Befreiung ihrer Insassen ermöglichte.

 

UHA Keibelstraße

Auch eine ehemalige Untersuchungshaftanstalt der DDR ist heute Gedenkstätte. Mit Eröffnung im Oktober 1951 entstand mit der UHA II die einzige Untersuchungshaftanstalt im Osten von Berlin, in der auch Frauen inhaftiert waren. Untergebracht waren Untersuchungshäftlinge und bereits verurteilte Strafgefangene, mit unterschiedlichen Haftgründen.

Das Gebäude besteht aus einem Keller und neun Etagen mit sieben verschiedenen Stationen. Der Frauentrakt befand sich in der 7. Etage. Die UHA Keibelstraße verfügte über 131 Zellen und damit insgesamt über 209 Haftplätze, hatte jedoch Ende 1970 wesentlich mehr Inhaftierte. Während ihres Aufenthalts hatten die Häftlinge die Möglichkeit freiwillig Arbeiten in der Anstalt zu verrichten und bekamen dafür einen sehr knappen Lohn.

Das Leben der Frauen in der UHA war in einem strengen Tagesablauf geregelt, dieser umfasste unter anderem das Aufstehen um sechs und die Nachtruhe um 20 Uhr. Zudem waren sie zu einer Art militärischen Ordnung angehalten und hatten ihre Zelle entsprechend aufzuräumen. So war es den Inhaftierten nicht erlaubt, sich tagsüber auf ihr Bett zu setzen, da dieses für die Nacht gemacht sei. Philosophie der Anstalt war es, die Insassinnen zum Nachdenken zu zwingen, der Alltag bestand, abgesehen von dem einstündigen Hofgang, aus dem Aufenthalt in der Zelle oder der Arbeit.

Die Inhaftierten waren wegen der unterschiedlichsten Tatbeständen wie Asozialität, Rowdytum oder Republikflucht in Haft, dabei kamen auch zeittypische Delikte wie §§ 213, 249, 214, 256 des Strafgesetzbuchs des DDR vor. Wie es sich auch in aktuellen Statistiken widerspiegelt, waren die Frauen in der DDR auch zu dieser Zeit eher selten wegen Gewaltdelikten inhaftiert – die meisten saßen ihre Strafe aufgrund von Eigentumsdelikten ab. Neben der versuchten Republikflucht und Diebstahl lässt sich in den Akten ehemaliger weiblicher Insassen außerdem der Haftgrund der Asozialität finden. Während ein Gefängnisaufenthalt wegen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch Asozialität gemäß § 249 bei Männern meistens der Trunkenheit geschuldet war, war dieses Urteil bei Frauen meistens wesentlich vielschichtiger begründet (vgl. hierzu auch den Beitrag von Geib/Tuchelt).

Betrachtet man Erzählungen und Schicksale der Inhaftierten, wird im Vergleich männlicher und weiblicher Inhaftierter vor allem der Verlust der Kinder als ein prominentes Thema deutlich. Obwohl auch Männer in der UHA ihre Kinder nicht mehr sehen konnten, waren Frauen wohl trotzdem die primären Geschädigten. Abgesehen davon, dass Frauen häufig eine engere Bindung zu ihren Kindern hatten, scheint hier der Entzug des Sorgerechts ein härterer Eingriff zu sein als bei männlichen Insassen. Hinzu kommt der immense psychischen Druck, den Frauen durchleben, wenn sie ihr Kind weder sprechen noch aufwachsen sehen können. Nach Entlassung bekamen die meisten Frauen ihr Sorgerecht nicht wieder. Die Kinder kamen zu Verwandten oder ins Kinderheim und wurden oftmals auch adoptiert. Kam es zu einer Adoption, wurde es für die Frau nicht nur unmöglich das Sorgerecht wiederzuerlangen, auch der Kontakt an sich entfiel komplett. Die Frauen waren also nicht nur mit ihrer verlorenen Lebenszeit, sondern auch mit dem Verlust ihres Kindes konfrontiert. Verbunden mit der sozialen Stellung in der Gesellschaft zeigt sich hier der wohl größte Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Häftlingen: Obwohl gleichermaßen als (Ex-)Häftlinge angesehen, ließ auch zu DDR-Zeiten das allgemeine Bild der Frau die Haftstrafe schwerer wiegen als die des Mannes. Die Frau war neben anderen Dingen eben vor allem auch die Mutter. Sie war nun also auch diejenige, der ihr Kind weggenommen wurde – und damit doppelt stigmatisiert, als Häftling und als schlechte Mutter. Da der gesellschaftliche Druck für ehemalige inhaftierte Frauen damit größer war als der eines Mannes, waren auch zu DDR-Zeiten damit nicht nur die Haft selbst, sondern auch die Nachwirkungen der Haft für Frauen schwerer.

 

Fazit

Bei allen Unterschieden ermöglichen sowohl das KZ Ravensbrück als auch das Gebäude der UHA, welches nach der Wiedervereinigung Deutschlands noch bis in das Jahr 1996 als Polizei und Abschiebegewahrsam benutzt wurde, aktuell als Lernort die Aufklärung über ihre Geschichten. Schlussendlich lässt sich nur hoffen, das neue Generationen durch solche Einrichtungen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen können. Ob dies jedoch wirklich so sein wird, bleibt dabei offen.

 

Quellen:

Sarah Helm: Ohne Haar und ohne Namen. Im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, 2016

Johannes Böhm: 70 Jahre Kriegsende: „Ich habe die Schreie gehört“, Tagesspiegel vom 20.4.2015 (https://www.tagesspiegel.de/berlin/ich-habe-die-schreie-gehort-8143321.html, Abruf am 1.10.2022)

Materialien zur Geschichte des KZ Ravensbrück auf der Website der Gedenkstätte: https://www.ravensbrueck-sbg.de, z.B. Arbeitsblatt "Kinder in Ravensbrück" zur Projektarbeit in der Gedenkstätte Ravensbrück, Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, RA Bd. 30/Ber. 570


[1]Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück - Frauenkonzentrationslager (1939-1945).