Bauunternehmer A ist verärgert, dass er bei einem Ausschreibungsverfahren dem Angebot der Firmengruppe B unterlegen ist. Seine Wut bringt er dadurch zum Ausdruck, dass er zum Telefon greift und bei B privat anruft. Dabei realisiert er nicht, dass gar nicht B, sondern dessen Vater am Telefon ist, den er im Glauben, es sei B, mit Drecksack, Schweinehund und Kartellbruder betitelt. V berichtet B von dem Telefonat.
Da der Zorn des A aber immer noch nicht verraucht ist, beschließt er, dem B eine Lektion zu erteilen. Er schickt ihm ein Paket, welches eine mit einem automatischen Zünder versehene Briefbombe mit Tränengas beinhaltet. Er adressiert das Paket mit Herrn B, Birkenhang 9, 14229 Berlin. Tatsächlich wohnt B jedoch Birkenhang 19. Der Paketbote P macht sich über die falsche Adressierung überhaupt keine Gedanken und bringt das Paket zum Birkenhang 9, wo es von einer Hausangestellten angenommen wird. Als sich später herausstellt, dass offenkundig ein Versehen vorliegt, bringt N, Bewohner des Hauses Nr.9, das Paket zum Haus des B, der es, nachdem er sich freundlich bei N bedankt und ins Haus zurück geht, öffnet. Die Bombe zündet, B erleidet erhebliche Augen- und Schleimhautreizungen, die erst nach einigen Stunden und ärztlicher Behandlung abklingen.
Strafbarkeit des A ? Erforderliche Strafanträge sind gestellt.
(nach Alpmann-Schmidt Klausuren für das Referendar-Examen, Fernklausuren-Kurs Münster, Klausur B 381; Lösung abgewandelt)
A kann sich dadurch, dass er bei B anrief und V als Drecksack, Schweinehund und Kartellbruder bezeichnete, nach § 185 StGB zum Nachteil des V strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Hierzu müsste er V, eine beleidigungsfähige natürliche Person, beleidigt haben. Eine Beleidigung ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung (vgl. nur Lackner/Kühl, StGB, § 185 Rn. 3). Die Ehre wird (nach dem normativ-faktischen Ehrbegriff) als komplexes Rechtsgut angesehen, das sowohl den sittlich-personalen Wert eines Menschen (innere Ehre) als auch den Ruf des Menschen in den Augen anderer (äußere Ehre) umfasst (Vgl. nur BGHSt 11, 68 (70 f.)). Ob der Achtungsanspruch eines Menschen in dieser Weise beeinträchtigt ist, ist wertend zu beurteilen. Ergibt sich aus den Umständen, dass die angesprochene Person gar nicht der gemeinte Adressat der Beleidigungen ist, kann seine Ehre auch nicht beeinträchtigt werden. Insbesondere durch die Beschimpfung als Kartellbruder wurde dem V klar, dass tatsächlich sein Sohn Adressat der Beleidigungen sein sollte, insoweit dieser Bauunternehmer war (vgl. hierzu Fallbesprechung von Marxen, Kompaktkurs Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 58 f. zu BayObLG, JR 1987, 431).
2. Ergebnis
Mangels
Tatbestandsmäßigkeit hat sich A nicht nach § 185 StGB zu Lasten des V strafbar
gemacht.
Indem A bei B anrief und V als Drecksack, Schweinehund und Kartellbruder bezeichnete, was dieser B mitteilte, kann sich A nach § 185 StGB zum Nachteil des B strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Hierzu müsste er B, eine
beleidigungsfähige Person, beleidigt, also in seiner Ehre verletzt haben. § 185
StGB umfasst hierbei diesbezügliche Äußerungen gegenüber dem Ehrträger selbst
genauso wie gegenüber einem Dritten, sofern es sich um Werturteile handelt.
Hinsichtlich Tatsachenbehauptungen dagegen ergibt die Systematik eine
Einschlägigkeit von §§ 186, 187 StGB.
Die Bezeichungen Drecksack und Schweinehund als Werturteile sind in dieser Weise geeignet, das Ansehen des B in den Augen Dritter zu schmälern. Gleiches gilt für die Betitelung Kartellbruder, mit der jedoch die unrichtige Tatsache behauptet wird, B habe mit anderen Bauunternehmern Einfluss auf die Ausschreibungsverfahren beim Bau ("Kartell") genommen und so möglicherweise einen planmäßigen Submissionsbetrug begangen. § 185 StGB ist somit nur hinsichtlich der ersten beiden Bezeichnungen einschlägig.
A beleidigte zwar den V, den er am Telefon mit B verwechselte und der erst B die Bezeichnungen mitteilte. Hierin könnte eine wesentliche Kausalabweichung liegen, wenn der Ablauf außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit liegt oder eine andere Bewertung eröffnet. Dass bei einem Telefonat die falsche Person abhebt und dieser die sofortige Äußerungen dem Inhaber des Telefonanschlusses weitergibt, liegt nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit.
A hat den objektiven Tatbestand des § 185 StGB somit verwirklicht.
2. Subjektiver Tatbestand
Dies müsste A aber auch vorsätzlich getan haben. Vorsatz ist das Wissen um die Elemente des objektiven Tatbestandes sowie der Wille, diesen zu verwirklichen. Fraglich ist hierbei, wie es sich auf auswirkt, dass A tatsächlich nicht B beleidigte, sondern dessen Vater V, der .am Telefon war und den er nicht richtig identifizierte. Indem A gegenüber dem V hiermit aber wie gesehen den B beleidigte, ist dies keine Frage des Identitätsirrtums (error in persona), sondern des Vorsatzes bezüglich des Kausalverlaufs, wobei eine unwesentliche Abweichung abzulehnen ist. A handelte vorsätzlich.
3. Rechtswidrigkeit
Die Tat geschah auch
rechtswidrig. Selbst wenn man zugunsten des A unterstellt, er hätte
entsprechende achtenswerte Motive und Ziele, so würde dennoch die dann in
Betracht kommende Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB an dem
Angriff auf die Menschenwürde durch die Gleichsetzung mit einem Tier scheitern
(vgl. BVerfG, StV 1996, 17 (18)).
4. Schuld
Mangels Entschuldigungsgründen war die Tat auch schuldhaft.
5. Besonderheiten
Der erforderliche
Strafantrag ist zudem gestellt (§ 194 StGB).
6. Ergebnis
A hat sich nach § 185 StGB zu Lasten des B strafbar gemacht.
A kann sich ferner wegen Körperverletzung gemäß §§ 223 I, 25 I Var.2 StGB strafbar gemacht haben, indem er ein Paket mit einer Tränengasbombe versandte und B erhebliche Verletzung durch die Explosion erleidet.
1. Objektiver Tatbestand
Der objektiv-tatbestandliche Erfolg der Körperverletzung ist eingetreten, denn B erlitt infolge der Explosion der Tränengasbriefbombe erhebliche Augen- und Schleimhautreizungen, die über einige Stunden lang andauerten und die seine körperliche Unversehrtheit nicht nur unwesentlich beeinträchtigten. Ebenso rief die Tränengasexplosion einen nicht unerheblichen krankhaften Zustand herbei. Kausal hierfür war das Bringen des Pakets vom Postboten und dem Nachbarn an B, das auf dem Versenden des Pakets durch A beruhte. Fraglich ist aber, ob eine wesentliche Abweichung im Kausalverlauf vorliegt, die die objektive Zurechnung in Frage stellen könnte, denn A hatte fälschlicherweise N mit der Adressierung des Pakets individualisiert, der dann aber das Paket an B überbrachte. Nach herrschender Meinung sind Abweichungen zwischen dem vorgestellten und dem tatsächlichen Geschehensablauf dann unwesentlich, wenn sie sich noch in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (Sch/Sch/Sternberg-Lieben, StGB, § 15 Rn. 55; BGHSt 14, 193). Hier lag es nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass das falsch adressierte Paket unter nachbarschaftlichen Gesichtspunkten oder sogar von der Post an B ausgehändigt werden würde, sodass in objektiver Hinsicht an der Zurechenbarkeit keine Zweifel bestehen.
2. Subjektiver Tatbestand
A müsste die Verletzung
aber auch vorsätzlich, also mit dem Wissen um die Elemente des objektiven
Tatbestandes und dem Willen, diesen zu verwirklichen, verwirklicht haben.
Zweifel bestehen dahingehend, dass A eine Figur individualisiert, aber eine
andere verletzt haben kann (sog. Fehlgehen der Tat aberratio ictus), sodass
ihm hinsichtlich der Verletzung der getroffenen Person der Vorsatz gefehlt
haben kann. Andererseits könnte auch lediglich ein im Motivbereich liegender
und damit unbeachtlicher, auf einer psychischen Fehlleistung beruhender error
in persona vorliegen, als A versehentlich die falsche Anschrift des B auf dem
Paket angab. Läge vorliegend eine Zielabweichung im Sinne der aberratio ictus
vor, so könnte dies zum Wegfall der Vollendungshaftung ausVorsatztat führen.
Die Klassifizierung des Irrtums des A hängt von der Definition der
vorsatzrelevanten Tatbestandsmerkmale und deren Zielabweichung ab:
a. Nach der Konkretisierungstheorie liegt eine aberratio ictus dann vor, wenn der Täter seine Tat auf ein bestimmtes Opfer konkretisiert, denn dann müsse auch dieses von ihm individualisierte Opfer getroffen werden, um den objektiven Erfolg als vorsätzlich bewirkt zurechenbar zu machen. Auch beim error in persona sei dies der Fall, denn hier sei genau die Person oder das Objekt, das der Täter ausgesucht habe, getroffen worden und der Irrtum sei bereits früher, nämlich bei der Auswahl geschehen. Habe der Täter ein anderes, als das anvisierte Zielobjekt getroffen, so seien Tatverwirklichung und konkretisierter Vorsatz nicht deckungsgleich, was auch nicht dadurch heilbar sei, das man es genügen lasse, wenn der Täter sich nur ein Zielobjekt mit denselben rechtlichen Merkmalen vorgestellt habe (Jescheck/ Weigend, AT, § 29 V 6 c; Koriath JuS 1997, 901; Sch/Sch/Sternberg-Lieben, StGB, § 15 Rn. 57). Folgt man dieser Aufassung, so konkretisierte A mit der falschen Empfängerangabe den N als das Opfer seines Anschlags, der tatbestandliche Erfolg trat jedoch bei B ein. Der fälschlicherweise auf N konkretisierte Tatvorsatz wäre nicht deckungsgleich mit dem tatsächlichen Geschehen, sodass objektiver und subjektiver Tatbestand auseinanderfielen mit der Folge, dass bezüglich N eine versuchte Körperverletzung vorläge, tateinheitlich verwirklicht mit einer fahrlässigen Körperverletzung an B.
b. Nach der Gleichwertigkeitstheorie soll es dagegen keinen Unterschied machen, ob der Täter einem error in persona vel objecto oder aber einer aberratio ictus unterlegen sei, da sich der Vorsatz des Täters nur auf die im gesetzlichen Tatbestand umschriebenen Merkmale beziehen müsse, so dass aus Vollendung hafte, wer das Rechtsgut verletzt habe, was er auch habe treffen wollen, auch wenn unterschiedliche Rechtsgutträger betroffen seien (Puppe, JZ 1989, 729 (730 f.); Loewenheim, JuS 1966, 310; Noll, ZStW 77, 5). Folgt man dieser Auffassung, wirkte sich die Fehlindividualisierung des A nicht vorsatzausschließend aus.
c. Der BGH (NStZ 1998, 298) hat in einer der vorliegenden vergleichbaren Situation bereits einen unbeachtlichen error in persona angenommen: Für die Bejahung eines error in persona spiele es grundsätzlich keine Rolle, ob der Täter das Opfer optisch wahrgenommen und verwechselt habe oder ob er es, ohne es zu Gesicht zu bekommen, mittelbar über eine Sache (fehl-)individualisiert habe. Hier wurde B mittelbar über seine Wohnanschrift von A (fehl-)ermittelt und zum Ziel seines Anschlags gemacht. Die Verwechslung mit N stellte folglich einen reinen Motivirrtum dar, der durch eine psychische Fehlleistung begründet wurde. Die Zielabweichung, die nach der Entlassung des Kausalverlaufs aus den Händen des A durch Versenden des Pakets erfolgte, wirkte dann" nicht mehr vorsatzausschließend, sodass A vorliegend wegen vollendeter Körperverletzung zu bestrafen wäre.
d. Auf der einen Seite bleibt in den Fällen sinnlicher Wahrnehmung die Zielbildung (welches Objekt) am sinnlich Wahrgenommenen gleichsam hängen und lässt die sinnliche Vorstellung irrelevant werden. Fehlt es an der sinnlichen Wahrnehmung wie hier beim Abschicken eines Pakets ohne dass A das Opfer sieht, so könnte man argumentieren, dass dann nur sinnliche Vorstellung entscheiden könnte, ob das richtige Objekt getroffen wurde (Herzberg, JA 1981, 472 f.). Jede Abweichung von der Vorstellung des Täters wäre dann eine aberratio ictus. Aber selbst wenn man dies zugrunde legt, wäre eine derartige hier nicht zu bejahen, ist das letztendliche Opfer doch das gewollte und nur der Kausalabaluf vom vorgestellten abweichend. A hätte demnach vorsätzlich gehandelt. Nichts anderes ergibt sich, wenn man berücksichtigt, dass der Täter es nicht in der Hand hatte, welche konkrete Person getroffen wird. Sein Vorsatz müsse daher darauf gerichtet sein, all jene Personen zu treffen, die das Paket öffnen und den Zündmechanismus in Gang setzen (vgl. Sch/Schr/Cramer, StGB, § 15 Rn. 59 zum Sprengfalle-Fall des BGH). Mit der Tötung desjenigen, der das Paket öffnet, hätte sich dann der so konkretisierte Vorsatz realisiert. Obwohl die letztere Ansicht des Bundesgerichtshofes damit näher liegt, kann der Streit letztlich offen bleiben. A handelte nach allen Ansichten vorsätzlich. (Ausführlich zu diesem Abgrenzungsproblem und zur Sprengfalle-Entscheidung Geppert, JK 98, StGB § 16/4.)
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
Mangels Rechtfertigungs-
und Entschuldigungsgründen geschah die Tat auch rechtswidrig und schuldhaft.
4. Ergebnis
A hat sich nach § 223 I
StGB strafbar gemacht.
A kann sich darüber hinaus
durch das Verschicken des Pakets sogar nach § 224 I Nr.1, 3, 5 StGB strafbar
gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Zur Erfüllung des
Grundtatbestandes müsste eine Qualifikation einschlägig sein.
a. In Betracht zu ziehen ist zunächst die Körperverletzung durch Beibringung von Gift, § 224 I Nr.1 StGB. Gift im Sinne der Vorschrift umfasst jeden Stoff, der unter bestimmten Bedingungen, unter anderem auch mittels Einatmen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung im konkreten Fall gesundheitsschädlich ist, wobei die Eignung zur Gesundheltsschädigung ausreichend ist (Wessels/Hettinger, AT, Rn. 263; Tröndle/Fischer, StGB, § 224 Rn. 3). Das von A verwandte Tränengas war geeignet, erhebliche Gesundheitsschädigungen herbeizuführen, die in der Reizung von Augen und Schleimhäuter lagen, wenn es eingeatmet wurde, sodass mit der Verabreichung des Tränengases das Merkmal des Beibringens von Gift erfüllt ist (vgl. Sch/Schr/Stree, StGB, § 224 Rn. 6)
b. Dagegen scheidet die Qualifikation des hinterlistigen Überfalls, § 224 I Nr.5 StGB aus, da das planmäßige, in einer auf Verdecken der wahren Absichten berechnete Vorgehen voraussetzt, dass es sich äußerlich manifestiert, was bei einem Überraschungsangriff allein noch nicht der Fall ist (vgl. zuletzt BGH, NStZ 2004, 93).
c. Anhaltspunkte dafür, dass eine das Leben gefährdende Behandlung (§ 224 I Nr.5 StGB) vorlag, sind nieht ohne weiteres anzunehmen, da eine solche Eignung von Tränengas in der konkreten Verwendungsart nicht besteht.
2. Vorsatz, Rechtswidrigkeit,
Schuld
Die Verwendung des
Tränengases erfolgte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
3. Ergebnis
A hat sich damit sogar
nach § 224 I Nr.1 StGB strafbar gemacht.
A kann sich zudem einer
versuchten gefährlichen Körperverletzung, die nach § 223 II StGB strafbar ist,
zum Nachteil des N schuldig sein. Wenn man aber wie vorliegend eine aberratio
ictus ablehnt und einen unbeachtlichen
error in persona gelangt, der muss eine versuchte Strafbarkeit bezüglich des
N ablehnen.
Abwandlung
A kann sich durch das Versenden des Paketes mit der Tränengasbombe, die zu einer Verletzung des N führt, nach §§ 223 I, 224 I Nr.1, 25 I Var.2 StGB strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Mit der Verletzung des N durch das Tränengas, einem Gift iSd § 224 I Nr.1 StGB, ist der tatbestandliche Erfolg einer gefährlichen Körperverletzung ist eingetreten. Da A nicht selbst handelte, sondern den Paketboten P und N zum Tatmittler machte, liegt ein Fall mittelbarer Täterschaft kraft Wissensherrschaft vor. Eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf ist wie oben nicht zu verzeichnen, da es nicht außerhalb aller Lebenswahrscheinlichkeit liegt, dass bei der Versendung von Post die Paketboten aufgrund von Flüchtigkeit oder Hektik versehentlich die Postsendung beim falschen Empfänger abgeben.
2. Subjektiver Tatbestand
Fraglich ist jedoch, ob A vorsätzlich handelte. Der Tatmittler P verwechselte versehentlich die Hausnummern und glaubte, er bringe das Paket dem richtigen Empfänger. Er nahm aufgrund einer psychischen Fehlleistung eine Verwechselung vor, die zu einem error in persona bei ihm führte. Welche Auswirkungen dieser Irrtum auf den Vorsatz des A hat, ist nach wie vor Gegenstand einer heftigen Diskussion (vgl. übersichtlich Streng, JuS 1991, 910 ff., bezogen auf den Hoferben-Fall (BGHSt 37, 214)):
a. Es wird vertreten, dass der error in persona des Tatmittlers grundsätzlich für den mittelbaren Täter unbeachtlich sei und nur für den Fall einer wesentlichen Kausalabweichung eine andere Bewertung gerechtfertigt sei. Der Hintermann motiviere ein Werkzeug, welches ein Angriffsobjekt ansteuere, dass der Hintermann in tatbestandlicher Hinsicht bereits als geeignetes Tatsubjekt qualifiziert habe; der vom Hintermann initiierte Kausalverlauf sei darauf angelegt, dass jenes Ziel auch erreicht werde; im Gegensatz dazu werde bei der aberratio ictus lediglich zufällig ein demselben Tatbestand unterfallendes Angriffsziel verletzt (Gropp, AT, § 10 Rn. 79). Folgt man dieser Auffassung, begegnet der Tatbestandsvorsatz des A in Hinblick auf eine Verletzung des N keinen Bedenken. Gegen sie ist entscheidend einzuwenden, dass im Prinzip eine Anwendung der Grundsätze bei der Anstiftung befürwortet wird, aber ein grundlegender Unterschied zwischen ferngesteuertem Tatmittler und grundsätzlich eigenverantwortlichen Angestiftetem besteht.
b. Die frühere h.M vertrat hingegen die Auffassung, der error in persona vel in obiecto des Tatmittlers führe generell beim mittelbaren Täter zu einer aberratio ictus (Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 21 Rn. 15; Jescheck/Weigend, AT, § 62 III 2; SK/Rudolphi, StGB, § 16 Rn. 30; LK/Roxin, StGB, § 25 Rn. 149). Es mache in rechtlicher Hinsicht keinen Unterschied, ob das Fehlgehen der Tat auf einem menschlichen Versagen oder auf fehlgeleiteter Naturkausalität beruhe; in beiden Fällen umfasse der Vorsatz des Täters nicht den konkreten Erfolg der Tat. Folgt man dieser Auffassung, würde eine vorsätzliche Körperverletzung an N ausscheiden.
c. Die mittlerweile wohl herrschende Meinung differenziert und entscheidet anhand der Marschroute des Tatmittlers: Überlasse der mittelbare Täter, der ein bestimmtes Objekt beziehungsweise Opfer im Auge habe, dessen Individualisierung dem Tatmittler anhand bestimmter Charakteristika, so müsse er sich den Auswahlfehler des instruktiv handelnden Tatmittlers wie seinen eigenen Fehler zurechnen lassen, wenn nicht bereits auf der subjektiven Ebene nach allgemeinen Regeln eine vorsatzausschließende, wesentliche Abweichung im Kausalverlauf vorliege. Handele dagegen das (gut- oder bösgläubige) Werkzeug ohne Auswahlmöglichkeit bei der Individualisierung, so stelle die auftragswidrige Ausführung für den Hintermann eine aberratio ictus dar (Sch/Sch/Cramer/Heine, StGB, § 25 Rn. 51 ff.; Jakobs, AT, 21/206; Wessels/Beulke, AT, Rn. 550; Streng, JuS 91, 910 (916)).
Dieser Auffassung ist der Vorzug zu gewähren, da eine zielgenauere Betrachtung der Ursache für die objektive Kausalabweichung gewährleistet ist als die pauschale Gleichsetzung von error in persona vel in obiecto und aberatio ictus, die dem Tatmittler widerfährt. Das ist auch konsequent, denn anders als in den Fällen bloßer Naturkausalität (etwa das Geschoss, welches abweicht), hat es der Hintermann in der Hand, die Konkretisierung des Angriffsziels so präzise wie möglich zu konkretisieren, um Vorsatzkonkretisierung zu erreichen und nicht für Exzesse des Tatmittlers uneingeschränkt zu haften (Blutbad-Argument). P sollte vorliegend das Paket an die richtige Adresse des B überbringen. Damit war das Tatsubjekt von A so genau individualisiert worden, dass der Tatmittler P im Prinzip keine Gelegenheit hatte, bei der Individualisierung auszuwählen, sodass in der auftragswidrigen Übersendung des Paketes an N aus der Sicht des A eine aberratio ictus vorlag. Folge ist der Vorsatzausschluss bezüglich des tatsächlich bewirkten Verletzungserfolgs an N.
3. Ergebnis
A hat sich damit nicht
nach §§ 223 I, 224 I Nr.1, 25 I Var.2 StGB strafbar gemacht.
A hat sich hingegen wegen der sorgfaltswidrigen Versendung des Pakets, deren Verletzungsfolgen objektiv vorhersehbar waren sowie für A nach § 229 StGB strafbar gemacht. Der nach § 230 StGB erforderliche Strafantrag wurde gestellt.
III. §§ 223 I, II, 224 I Nr.1, 22 StGB
A wollte den B mittels Tränengasbombe am Körper verletzen, wozu er mit dem Entlassen des Pakets aus seinem Herrschaftsbereich auch unmittelbar ansetzte, sodass er sich nach § 223 I, 224 I Nr.1, 22 StGB, der nach § 223 II StGB grundsätzlich strafbar ist, strafbar gemacht.
§§ 224 I Nr.1, 22 StGB lässt §§ 223 I, II, 22 StGB konkurrenzrechtlich zurücktreten (Spezialität). Zu § 229 StGB, der mit der gleichen Handlung (Versenden des Pakets) erfüllt wurde, besteht Tateinheit (§ 52 StGB).