Springe direkt zu Inhalt

Gliederung der Individualbeschwerde vor dem EGMR

Die Prüfung einer Individualbeschwerde vor dem EGMR

 

A. Zulässigkeit

I. Vereinbarkeit ratione temporis

zeitliche Vereinbarkeit; entscheidend ist der Zeitpunkt der Ratifikation durch den beklagten Mitgliedstaat (sollte nur geprüft werden, wenn der Sachverhalt dazu Veranlassung gibt)

II. Vereinbarkeit ratione loci

vor allem bei extraterritorialen Hoheitsakten problematisch (sollte ebenfalls nur geprüft werden, wenn der Sachverhalt dazu Veranlassung gibt)

III. Vereinbarkeit ratione materiae

Frage des Beschwerdegegenstandes; hier sind in der Regel die verschiedenen staatlichen Akte, die angegriffen werden, zu differenzieren

IV. Vereinbarkeit ratione personae

1.   Beschwerdegegner

beklagter Staat Vertragspartei der EMRK bzw. des einschlägigen Zusatzprotokolls (oder: wurde zulässiger Vorbehalt durch Staat gegen diese Norm eingelegt?);

Besonderheiten: Klage gegen Internationale Organisation; Zurechenbarkeit des angegriffenen Handelns zum Staat; Schutzpflicht

2.   Beschwerdeführer

a) Parteifähigkeit: Art. 34 EMRK: „jede natürliche Person, nichtstaatliche Organisation oder Personengruppe“

b) Opfereigenschaft: Die Opfereigenschaft setzt die Behauptung des Beschwerdeführers voraus, durch eine Vertragspartei in einem der in der EMRK anerkannten Rechte verletzt zu sein (Art. 34 EMRK).

→ der Beschwerdeführer muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein.

V. Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges nach Art. 35 I EMRK

Grundsatz der flexiblen Anwendung von Art. 35 I EMRK; es greifen zahlreiche Ausnahmen, z.B. wenn kein zugänglicher und wirksamer innerstaatlicher Rechtsschutz besteht.

VI. Frist und Form

Art. 35 I EMRK: 6 Monatsfrist

Art. 35 II lit a) EMRK: namentliche Beschwerdeeinlegung; Art. 45 VerfO: schriftliche Beschwerdeeinlegung

VII. Außergewöhnliche Unzulässigkeitsgründe

Insb. offensichtliche Unbegründetheit und Rechtsmissbräuchlichkeit, Art. 35 III EMRK

 

B. Begründetheit

I. Schutzbereich

II. Eingriff

III. Rechtfertigung

1. Allgemeine Schrankenregelungen

·       Art. 15 EMRK: Notstand

·       Art. 16 EMRK: politische Tätigkeit von Ausländern

·       Art. 17 EMRK: Verbot des Missbrauchs der Konventionsrechte

2. Spezielle Schrankenregelungen nach dem jeweiligen Absatz 2 (bei Art. 8-11 EMRK)

a. Gesetzliche Grundlage

aa. Existenz eines formell rechtmäßig zustande gekommenen Gesetzes; u.U. ungeschriebenes Recht

bb. Zugänglichkeit und ausreichende Bestimmtheit des Gesetzes

b. Eingriffsgrund: legitimes, in Abs. 2 aufgezähltes Ziel.

c. Notwendig in einer demokratischen Gesellschaft

→ Ist dem Grunde nach eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, deshalb entweder Verhältnismäßigkeitsprüfung (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit) oder:

aa. Abwägung von Bedeutung des Eingriffsziels im Verhältnis zur Schwere des Eingriffs

bb. Beurteilungsspielraum (margin of appreciation)

 

dieses Schema ist angelehnt an das Schema von Anne Peters/Tilmann Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 2012, S. 297 ff.