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Friseurgeschäfte (Lösungsvorschlag)

Sartorius bittet um die Prüfung, ob die von dem Bezirk Pankow gegenüber Scheer im Einzelnen angekündigten (aber noch nicht erlassenen) Maßnahmen rechtmäßig sein könnten.

 

A. Untersagung des Verabreichens von Heißgetränken und Croissants an die Kunden des Friseurbetriebes wegen Unappetitlichkeit und mangelnder Hygiene

Zunächst beabsichtigt der Bezirk Pankow, Scheer das Verabreichen von Heißgetränken und Croissants an seine Kunden wegen mangelnder Hygiene und Unappetitlichkeit zu untersagen, soweit dies in den zum Haarschneiden vorgesehenen Räumlichkeiten und insbesondere gleichzeitig mit der Ausübung der eigentlichen Friseurtätigkeiten erfolgt. Hierbei stützt sich der Bezirk ausdrücklich auf das Gaststättengesetz. 

 

I. Rechtsgrundlage und Zuständigkeit

Als Rechtsgrundlage kommt insoweit nur § 5 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG in Betracht. Das Gaststättengesetz, das heute wegen der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG[1] nicht mehr vom Bund erlassen werden könnte, gilt nach Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG in Berlin noch als Bundesrecht fort, da es nicht nach Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG durch ein entsprechendes Landesgesetz ersetzt worden ist.

 

Anmerkung: 1. Bislang haben lediglich Brandenburg, Bremen und Thüringen ein eigenes Gaststättengesetz erlassen (vgl. BbgGaststG v. 2.10.2008 [GVBl I, 218 ff.]; BremGastG v 24. 2. 2009 [Brem.GBl. S. 45] und ThürGastG v. 9.10.2008 [GVBl 2008, 367]). Die wichtigste Neuregelung in Brandenburg und Thüringen besteht darin, dass die bisherige personen- und raumbezogene Erlaubnispflicht entfallen und durch eine bloße Gewerbeanzeigepflicht ersetzt worden ist, wobei im Falle eines beabsichtigten Alkoholausschanks eine vorherige Zuverlässigkeitsprüfung vorgesehen ist (kritisch hierzu Lehmann, NVwZ 2009, 84 ff.). Dagegen besteht in Bremen die Erlaubnispflicht bei Alkoholausschank fort, ist dort jedoch als reine Personalkonzession ausgestaltet also nicht mehr an bestimmte bauliche Anforderungen an die Gaststättenräume geknüpft.

2. Nach dem Sachverhalt ist die Verfassungsmäßigkeit des Gaststättengesetzes nicht zu hinterfragen. Seit seiner Änderung durch Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen und zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2005 (BGBl. I, S. 1666), bestehen hieran jedoch erhebliche Zweifel, näher U. Stelkens, BayVBl. 2007, 257, 266 ff.

 

 

Für solche Anordnungen wäre der Bezirk nach § 4 Abs. 2 AZG, § 2 Abs. 4 ASOG, Nr. 21 Abs. 2 lit. e zuständig.

 

II. Materielle Rechtmäßigkeit 

Fraglich ist jedoch, ob die Voraussetzungen einer solchen Anordnung vorliegen. Dann müsste Scheer zunächst ein Gaststättengewerbe (§ 1 GastG) betreiben (1. und 2.), das nicht erlaubnispflichtig ist (3.), und es müssten die Voraussetzungen einer Untersagungsverfügung nach § 5 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 GaststG vorliegen (4).

 

 1. Vorliegen eines stehenden Gewerbes

Voraussetzung einer Gaststätte nach § 1 GastG ist zunächst, dass das Ausschenken von Heißgetränken und das Servieren der Croissants von Scheer „im stehenden Gewerbe“ (§ 1 Abs. 1 GastG) bzw. im „Reisegewerbe“ (§ 1 Abs. 2 GastG) betrieben wird. Dem Gaststättengesetz liegt dabei der Gewerbebegriff der GewO zugrunde, was sich schon aus seinem Charakter als gewerberechtliches Spezialgesetz ergibt und durch § 31 GastG ausdrücklich bestätigt wird.[2] Der Gewerbebegriff wird allerdings auch in der GewO nicht legaldefiniert. Nach (weitgehend) übereinstimmender Rechtsprechung und Literatur liegt ein Gewerbe jedoch jedenfalls bei einer generell nicht verbotenen, auf Gewinnerzielung gerichteten und auf Dauer angelegten selbständigen Tätigkeit vor (sog. „Gewerbsmäßigkeit“ einer Tätigkeit/„vier positive Merkmale des Gewerbebegriffs“), die sich weder als Urproduktion noch als Verwaltung eigenen Vermögens noch als Ausübung eines freien Berufes (sog. „Gewerbsfähigkeit“ einer Tätigkeit/„drei negative Merkmale des Gewerbebegriffs“) darstellt.[3]

 

a) Gewerbsmäßigkeit

Scheer betreibt den Ausschank von Heißgetränken und Croissants an seine Kunden durchaus selbständig und dauerhaft und diese Tätigkeit ist an sich auch (natürlich) nicht verboten. Zweifel an der Gewerbsmäßigkeit könnten allenfalls bei der Frage bestehen, ob Scheer seinen Kunden das Heißgetränk und die Croissants mit Gewinnerzielungsabsicht serviert, da er ihnen hierfür kein gesondertes Entgelt berechnet. Jedoch kommt es für die Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit im Rahmen eines „Gesamtbetriebs“ mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, nicht darauf an, ob sich ein wirtschaftlicher Vorteil unmittelbar aus dieser Tätigkeit ergibt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist auch dann zu bejahen, wenn bei einer Gesamtleistung mit einer bestimmten Tätigkeit kein Überschuss erzielt wird, sofern hiermit ein Überschuss bei einer anderen „Betriebssparte“ erreicht werden soll. Hier erfolgt erkennbar das Servieren von Getränken und Croissants nicht aus Altruismus, sondern soll die Attraktivität der „Gesamtleistung“ erhöhen, für die auch ein einheitliches Entgelt erhoben wird.[4] Die vier positiven Merkmale des Gewerbebegriffs liegen also vor.

 

b) Gewerbsfähigkeit

Fraglich könnte allerdings sein, ob die Tätigkeit auch gewerbsfähig ist, da sich Scheer anscheinend als „Künstler“ sieht und die künstlerische Tätigkeit zu den nicht dem Gewerbebegriff unterfallenden freien Berufen gezählt wird. Wenn Scheer tatsächlich als Künstler anzusehen wäre, würde dies grundsätzlich die gesamte mit dieser „Kunstausübung“ zusammenhängende Tätigkeit umfassen und damit auch das damit verbundene Servieren von Heißgetränken und Croissants an seine „Kunstabnehmer“.[5] Allerdings wird man hier nicht annehmen können, dass die Tätigkeit Scheers tatsächlich als „künstlerisch“ anzusehen ist: Wesentlich für die künstlerische Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden.[6] Auch wenn die Anforderungen dieses materiellen Kunstbegriffs nicht zu hoch gehängt werden dürfen,[7] so wird man das Vorliegen künstlerischer Tätigkeit auch beim kreativen Haarschneiden in einem Friseursalon schon deshalb nicht annehmen können, weil sich jedenfalls die Kunden selbst kaum als Kunstobjekt ansehen werden: Scheer darf nicht frei und schöpferisch gestalten, sondern muss sich den Wünschen seiner Kunden (die schließlich später mit der Frisur herumlaufen müssen) beugen. Insoweit dürfte jedenfalls auch maßgeblich sein, dass Scheer mit seiner Tätigkeit mit „normalen“ Friseuren konkurriert, der Gebrauchswert seiner Frisuren also deren Kunstwert deutlich übersteigt, und er in den einschlägigen Fachkreisen mit seinen Werken auch nicht als echter „Künstler“ anerkannt und behandelt wird .[8]

Damit ergeben sich aus dem Sachverhalt letztlich zu wenig Anhaltspunkte dafür, dass Scheer mit seinem Leistungsangebot mehr Künstler als Handwerker ist, so dass seine Tätigkeit insgesamt auch nicht der Kunst zugerechnet werden kann. Dementsprechend ist auch das Servieren von Heißgetränken und Croissants im Rahmen dieser Tätigkeit nicht künstlerischer, damit nicht freiberuflicher und folglich gewerblicher Natur.

 

c) Stehendes Gewerbe

Fraglich ist jedoch noch, ob es sich hierbei auch um eine Tätigkeit im „stehenden Gewerbe“ handelt. Ein Gewerbe ist jedenfalls dann stehend, wenn es im Rahmen einer „gewerblichen Niederlassung“ i. S. d. § 42 Abs. 2 GewO ausgeübt wird. Dies ist hier gegeben, da der „Capital Cut“ ein zum dauernden Gebrauch eingerichteter und von Scheer ständig für den Friseurbetrieb genutzter Raum ist.

 

d) Ergebnis zu 1.

Scheer serviert also die Heißgetränke und Croissants „im stehenden Gewerbe“.

 

2. Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GastG

Zudem müssten die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GastG vorliegen. Unproblematisch ist insoweit, dass Scheer an seine Kunden Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GastG) und sein Friseurbetrieb ist auch i. S. des § 1 Abs. 1 GastG „jedermann zugänglich“, weil sich dort grundsätzlich jedermann die Haare schneiden lassen kann. Damit ist grundsätzlich der Begriff der Schankwirtschaft erfüllt. Der Betrieb muss nicht so eingerichtet sein wie eine Gaststätte, die im Sprachgebrauch als „Wirtschaft“ bezeichnet wird, so dass grundsätzlich auch der Kaffeeausschank in Friseurbetrieben als Betrieb einer „Schankwirtschaft“ dem Gaststättenbegriff des Gaststättengesetzes unterfällt.[9] Insbesondere ist nicht Voraussetzung des Gaststättenbegriffs, dass für das Verabreichen der Getränke ein gesondertes Entgelt erhoben wird, solange die „Gaststätte“ nur insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Wie insbesondere auch § 2 Abs. 2 Nr. 2 GastG zeigt, geht das Gesetz zudem davon aus, dass grundsätzlich auch Bagatellfälle, bei denen die besonderen Gefahren des Gaststättengewerbes kaum vorliegen, vom Gaststättenbegriff umfasst sind.[10] Für eine Herausnahme von Bagatellfällen aus dem Gaststättenbegriff im Wege teleologischer Reduktion ist damit kein Raum.

 

Anmerkung: Unklar demgegenüber die Regierungsbegründung zu Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen und zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2005 (BGBl. I, S. 1666): Hier wird einerseits betont, dass die Abgabe von Getränken u. a. in Friseurbetrieben diese nicht in ein „Gaststättengewerbe“ wandele, andererseits jedoch auf die Möglichkeit verwiesen, auch in solchen Betrieben Missständen nach § 5 Abs. 2 Gaststättengesetz zu begegnen, was gerade das Vorliegen eines Gaststättengewerbes voraussetzt: BT-Drs. 15/4231, S. 17.

 

Wegen des Servierens der Croissants könnte zudem auch eine „Speisewirtschaft“ i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG vorliegen. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn es sich bei den Croissants um eine „zubereitete Speise“ i. S. dieser Vorschrift handelt. Zubereitete Speisen in diesem Sinne sind alle zum alsbaldigen Verzehr essfertig gemachten Lebensmittel.[11] Die Zubereitung muss dabei nicht der Wirt selbst vornehmen, denn das Gesetz knüpft das Vorliegen einer Speisegaststätte nur an das „Verabreichen“ zubereiteter Speisen, nicht aber an das Zubereiten selbst. Nicht zu den zubereiteten Speisen gehören letztlich nur solche Lebensmittel, die ohne besondere Bearbeitung essfertig sind (frisches ungeschältes Obst) oder ohne besondere Hilfsmittel, z. B. Tiefkühlung, längere Zeit vorrätig gehalten werden können, wie Konfitüren, ungeöffnete Konserven, sog. Dauerbackwaren (z. B. Kekse, Zwieback), Dauerwurst. - Feinbackwaren, also auch Croissants, sollen demgegenüber grundsätzlich den zubereiteten Speisen zugezählt werden, weil sie, wenn sie essfertig gemacht (also gebacken) sind, alsbald verzehrt werden sollten - sonst werden sie trocken.

 

Anmerkung: Die verhältnismäßig weite Auslegung des Begriffs „zubereitete Speisen“ diente (jedenfalls ursprünglich) weniger dazu, den Gaststättenbegriff auszuweiten, als dem Gastwirt zu ermöglichen, nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG Feinbackwaren außerhalb der Ladenöffnungszeiten als zubereitete Speisen auch „über die Straße“ verkaufen zu können. Dieser Hintergrund für die Einbeziehung von Feinbackwaren in den Begriff „zubereitete Speisen“ wird sehr deutlich bei Hieronnimi, GewArch 1958, 243 ff.; Förg, GewArch 1959, 26 ff.

 

3. Keine Erlaubnispflichtigkeit von Scheers „Gaststätte“?

Aufgrund der Änderung des § 2 Abs. 2 GastG[12] ist nunmehr eindeutig, dass Scheers „Gaststätte“ nicht erlaubnispflichtig ist, da er keine alkoholischen Getränke verabreicht.[13] 

 

4. Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 i. V. mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 Gaststättengesetz

Fraglich ist jedoch, ob eine Anordnung, das Verabreichen von Heißgetränken und Croissants an die Kunden in dem eigentlichen Friseursalon und gleichzeitig mit der Ausübung von Friseurtätigkeiten zu unterlassen, von § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG gedeckt ist. Dann müsste eine solche Anordnung dem Schutz der Gäste gegen Gefahren für die Gesundheit dienen (die anderen Alternativen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG kommen von vornherein nicht in Betracht). Der Bezirk Pankow begründet eine solche Gefahr damit, dass sich nie ausschließen lasse, dass die verabreichten Getränke und Speisen mit Haaren, Sprays u. ä. in Berührung kämen. Mit solchen allgemeinen Erwägungen lässt sich aber ein vollständiges Verbot des Verabreichens von Speisen und Getränken in Friseursalons nicht begründen. Dies gilt insbesondere, soweit der Bezirk auf die angebliche „Unappetitlichkeit“ abstellt: Die Möglichkeit, dass ein Getränk oder ein Croissant auf den bewirteten Kunden unappetitlich wirkt, z. B. weil ein Haar darauf schwimmt oder bestimmte Duftstoffe den Geschmack beeinträchtigen, begründet noch keine Gesundheitsgefahr für die Gäste. Es ist nicht Aufgabe der Gaststättenbehörden, das Publikum vor unappetitlich zubereiteten oder schlecht schmeckenden Getränken und Speisen zu schützen. Denn niemand ist gezwungen, in einer seinen Appetit beeinträchtigenden Umgebung etwas zu verzehren.[14]

Ein vollständiges Verbot der „Gaststättenleistungen“ im Friseursalon kann daher nicht auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG gestützt werden. Allenfalls wäre denkbar, durch einzelne, die Getränke- und Croissantbereitstellung regelnde Auflagen konkrete Hygieneanforderungen sicherzustellen. Dass zur Sicherstellung konkreter Hygieneanforderungen im vorliegenden Fall Auflagen erforderlich sind, lässt sich nach dem Sachverhalt aber nicht entnehmen. Der Bezirk hat sein vollständiges Verbot vielmehr auf sehr allgemein gehaltene, im Ergebnis nicht durchschlagende Erwägungen gestützt, die konkrete Gefahren für die Gesundheit der Gäste i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG nicht zu begründen vermögen. Damit liegen die Voraussetzungen einer Anordnung nach § 5 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG nicht vor.

 

III. Ergebnis zu A.

Der Bezirk Pankow darf Scheer somit auf Grundlage des 5 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG das Verabreichen von Heißgetränken und Croissants an seine Kunden nicht untersagen.

 

B. Untersagung des Verabreichens von Heißgetränken und Croissants während der Sperrzeiten nach § 6 Abs. 1 GastVO

Der Bezirk Pankow ist zudem der Ansicht, Scheer dürfe innerhalb der Sperrzeit des § 6 Abs. 1 GastVO zwischen 5:00 und 6:00 Uhr keine Getränke und Speisen servieren.

 

I. Ermächtigungsgrundlage und Zuständigkeit

Nach § 4 Abs. 2 AZG, § 2 Abs. 4 ASOG, Nr. 21 Abs. 2 lit. e i.V.m. Nr. 12 Abs. 6 ZustKat ASOG ist davon auszugehen, dass das Bezirksamt sachlich und instanziell zuständig war, da es hier nicht um eine allgemeine Festsetzung von Sperrzeiten ging. Da es in der GastVO an einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Durchsetzung der Sperrzeitverordnung fehlt, kann die GastVO nur in Anwendung der polizeirechtlichen Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG durchgesetzt werden, soweit ein Verstoß gegen die Sperrzeitregelung zugleich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

 

Anmerkung: Siehe hierzu aber auch VG Stuttgart GewArch 1999, 254 f. und Michel/Kienzle/Pauly, Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 18 Rn. 35: Sie nehmen an, dass sich aus dem Gaststättengesetz implizit die Ermächtigung der für die Durchsetzung des Gaststättengesetzes zuständigen Behörde entnehmen lasse, die Beachtung der Sperrzeitverordnungen durch Verwaltungsakt bezogen auf eine bestimmte Gaststätte verbindlich zu konkretisieren. Dies wird mit der zutreffenden Erwägung begründet, dass eine solche Konkretisierung (der an sich alle Gaststättenunternehmen unmittelbar und kraft Gesetzes bindenden) Sperrzeiten gerade in Fällen, in denen die Bindung eines Betriebes an die gaststättenrechtlichen Sperrzeiten zweifelhaft ist, gegenüber der Einleitung eines Bußgeldverfahrens nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 GastG das mildere Mittel darstellt. Hiermit soll wohl auch ein Gleichklang zwischen der Zuständigkeit zur Verlängerung oder Verkürzung der Sperrzeit im Einzelfall und der Durchsetzung der allgemeinen Sperrzeit erzielt werden. In Berlin ist eine solche Konstruktion jedoch nicht notwendig, da nach Nr. 21 Abs. 2 lit. e ZustKat ASOG die Bezirksämter auch für die Sperrzeitverlängerung und -verkürzung im Einzelfall zuständig sind.

 

II. Materielle Rechtmäßigkeit

Damit stellt sich die Frage, ob das Bezirksamt auf Grundlage des § 17 Abs. 1 ASOG die Beachtung der Sperrstunde des § 6 Abs. 1 GastVO durchsetzen kann.

 

1. Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 ASOG

Tatbestandsvoraussetzung des § 17 Abs. 1 ASOG ist zunächst das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Unter den Begriff „öffentliche Sicherheit“ fällt u. a.  der Schutz der gesamten Rechtsordnung.[15] Grundsätzlich ist damit auch die Sperrzeitregelung des § 6 Abs. 1 GastVO Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Fraglich ist jedoch, ob das Verhalten Scheers insoweit auch eine Gefahr  für die öffentliche Sicherheit begründet.[16] Dies ist dann der Fall, wenn er mit dem Ausschank von Heißgetränken und dem Verabreichen von Croissants an seine Kunden auch zwischen 5:00 und 6:00 Uhr morgens gegen § 6 Abs. 1 GastVO verstößt. Das ist zu bejahen: Da § 6 Abs. 1 GastVO auf der Ermächtigung des § 18 GastG beruht, sind die dort verwendeten Begriffe der Schank- und Speisewirtschaft mit denen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Gaststättengesetz deckungsgleich. Scheer betreibt auch eine solche „Gaststätte“ (siehe oben A. II. 2.). Dass diese „Gaststätte“ nicht erlaubnispflichtig ist (siehe oben A. II. 3.), ändert an der Bindung an die Sperrzeit nichts.[17] Somit liegt in diesem Verhalten an sich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit i.S. des § 17 Abs. 1 ASOG, so dass ihm dieses Verhalten auf dieser Grundlage an sich auch untersagt werden kann, zumal diese Gefahr von Scheer selbst verursacht wird, so dass er nach § 13 Abs. 1 ASOG auch der richtige Adressat einer solchen Verfügung wäre. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass einer auf § 17 Abs. 1 i.V. m. § 13 ASOG gestützten Verfügung gegenüber Scheer liegen also vor.

 

2. Rechtsfolge: Ermessen § 12 ASOG, § 40 VwVfG

Das Bezirksamt müsste bei Erlass der Maßnahme jedoch auch das ihm insoweit eingeräumte Rechtsfolgeermessen ordnungsgemäß, d.h. unter Berücksichtigung der Grenzen von § 12 ASOG, § 40 VwVfG, ausgeübt haben. Insoweit ist bereits sehr zweifelhaft, ob die Motive des Bezirksamts, die „alteingessenen Friseurbetriebe“ vor „ungesunder“ Konkurrenz zu schützen, dem Zweck der Ermächtigung (§ 40 Alt. 1 VwVfG) entsprechen. Jedenfalls gehört zu den von der Behörde zu beachtenden Ermessensgrenzen (§ 40 Alt. 2 VwVfG) insbesondere das Übermaßverbot des § 11 ASOG.

 

Anmerkung: Zur Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe diesen Hinweis.

 

Hier ist daran zu denken, dass als milderes Mittel, um rechtmäßige Zustände wieder herzustellen, der Erlass einer widerruflichen Verkürzung der Sperrzeiten auf Null zu Gunsten Scheers auf Grundlage des § 8 S. 1 GastVO in Betracht kommt. Denn nach § 18 Abs. 1 S. 2 GastG müssen die Länder u. a. bestimmen, dass die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses für einzelne Betriebe, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Dementsprechend kann das Bezirksamt auf Grundlage des diese Regelung umsetzenden § 8 S. 1 GastVO auch die Sperrzeit für den Betrieb Scheers widerruflich auf Null verkürzen, wenn hierfür ein „öffentliches Bedürfnis“ besteht. Liegen diese Beeinträchtigungen vor und werden durch eine solche Verkürzung die legitimen Interessen Dritter (insbesondere der Nachbarn) nicht beeinträchtigt, könnten durch eine solche Sperrzeitverkürzung, die nicht antragsbedürftig ist, legale Zustände hergestellt werden, so dass auf diese Weise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach § 17 Abs. 1 ASOG entfiele.

Tatsächlich wird man die Voraussetzungen einer Sperrzeitverkürzung auf Null nach § 8 S. 1 GastVO hier annehmen können: Ein öffentliches Bedürfnis für eine Sperrzeitverkürzung liegt vor, wenn eine solche Regelung im Interesse der Allgemeinheit als angezeigt erscheint. Es müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Leistungen des in Rede stehenden Betriebes während der allgemeinen Sperrzeit in erheblichen Maße in Anspruch genommen werden. Dies allein reicht jedoch nicht aus: Ein öffentliches Interesse an der Sperrzeitverkürzung kann nur dann vorliegen, wenn die Befriedigung dieses Bedarfs auch im Einklang mit der Rechtsordnung und anderen von der Verwaltung zu wahrenden öffentlichen Belangen steht, also auch dem Gemeinwohl nicht widerspricht.[18] 

Hiervon kann nach dem Sachverhalt ausgegangen werden: Scheer hat mit seinem Geschäftskonzept, das vom Publikum sofort angenommen worden ist, eine anscheinend objektiv vorhandene Versorgungslücke entdeckt. Ein öffentliches Interesse an einer Verkürzung der Sperrzeit auf Null erscheint somit als gegeben. Es sind auch keine Gründe erkennbar, weshalb die Sperrzeitverkürzung sonstigen öffentlichen Belangen entgegenstehen könnte. Hierbei ist zu beachten, dass der eigentliche Friseurbetrieb nicht an die Sperrzeit gebunden ist, das Verbot, zwischen 5:00 und 6:00 Uhr Heißgetränke und Croissants zu verabreichen, also nichts daran ändert, dass Scheer seinen Friseurbetrieb - wenn auch ohne seinen Zusatzservice - auch zwischen 5:00 und 6:00 Uhr offen halten und Kunden bedienen darf (siehe unten C). Die Geräuschbelastungssituation, etwa durch An- und Abfahrtsverkehr, ändert sich also durch das Verbot nicht.

Angesichts dessen ist kein rechtfertigender Grund erkennbar, mit dem eine Sperrzeitverkürzung zu Gunsten von Scheers „Neben-Gaststättenbetrieb“ abgelehnt werden könnte. Eine Sperrzeitverkürzung auf Null nach § 8 S. 1 GastVO wäre somit gegenüber der Durchsetzung der Sperrzeit nach § 6 Abs. 1 GastVO auf Grundlage des § 17 Abs. 1 ASOG erkennbar das mildeste Mittel, um rechtmäßige Zustände wieder herzustellen. Angesichts dessen erscheint eine Verfügung, mit der die Beachtung der Sperrzeit nach § 6 Abs. 1 GastVO gegenüber Scheer durchgesetzt werden soll, als unverhältnismäßig und damit als ermessensfehlerhaft.

 

3. Ergebnis zu II.

Damit liegen die materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Polizeiverfügung, mit der die Beachtung der Sperrzeit nach § 6 Abs. 1 GastVO gegenüber Scheer durchgesetzt wird, nicht vor.

 

III. Ergebnis zu B.

Es besteht damit für den Bezirk keine Möglichkeit, die Verabreichung von Heißgetränken und Croissants an die Kunden von Scheers Friseursalon in der Zeit zwischen 5:00 und 6:00 Uhr morgens zu untersagen.

 

C. Anordnung, die Ladenschlusszeiten beim Verkauf von Haarpflegemitteln an die Kunden einzuhalten

Weiterhin beabsichtigt nach dem Sachverhalt das Bezirksamt, Scheer zu untersagen, außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten des § 3 S. 1 Nr. 1 LadSchlG Haarpflegemittel an seine Kunden zu verkaufen. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) hat aber nach Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG das „alte“ Gesetz über den Ladenschluss des Bundes ersetzt. Es gibt nach § 3 Abs. 1 BerLadÖffG werktags in Berlin keine verbindlichen Ladenschlusszeiten mehr. Eine auf § 17 Abs. 1 ASOG gestützte Schließungsverfügung wäre demnach rechtswidrig.

 

Anmerkung:In anderen Bundesländern existieren weiterhin Ladenschlusszeiten und auch in Berlin kommt es in anderen Bereichen auf die einzelnen Voraussetzungen des LadÖffG an. Siehe dafür die Saarheimer Lösung: Friseurgeschäfte. Zu beachten ist außerdem das neue Urteil des BVerfG, in dem die voraussetzungslose Verkaufsöffnung an allen Adventssonntagen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 BerlLadÖffG als Verstoß gegen die Schutzpflicht des Staates aus Art.  4 Abs. 1, 2 GG gewertet wurde, BVerfG, 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07, Urteil v. 1.12.2009, Rn. 150 ff., 173 f.

 

Es besteht damit für den Bezirk Pankow keine Befugnis, Scheer den Verkauf von Haarpflegeprodukten an die Kunden seines Friseurgeschäfts in der Zeit zwischen 5:00 und 6:00 Uhr morgens zu untersagen.

 

D. Untersagung des Friseurbetriebes wegen Missachtung des Gaststättenrechts und des Ladenöffnungsrechts sowie wegen Gefährlichkeit für die Kunden

Schließlich beabsichtigt das Bezirksamt, Scheer die Ausübung des Friseurgewerbes wegen Unzuverlässigkeit generell zu untersagen. Als Rechtsgrundlage kommt insoweit nur § 35 Abs. 1 S. 1 GewO in Betracht. Für den Erlass einer solchen Gewerbeuntersagung wäre das Bezirksamt nach § 4 Abs. 2 AZG, § 2 Abs. 4 ASOG, Nr. 21 Abs. 2 lit. b ZustKat ASOG sachlich und instanziell zuständig. Für das Verbot müsste das Bezirksamt wegen § 4 lit. a VwVfG Bln i.V.m. § 1, Anlage 1 Nr. 3 FörmVfO ein förmliches Verwaltungsverfahren nach den §§ 63 ff. VwVfG durchführen. Die einfache Anhörung nach § 28 VwVfG reicht hier nicht aus.

Fraglich ist jedoch, ob auch die materiellen Voraussetzungen einer solchen Gewerbeuntersagung vorliegen.

 

I. Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO

Dann müsste § 35 Abs. 1 S. 1 GewO zunächst überhaupt anwendbar sein. Insoweit ist bereits festgestellt worden, dass Scheer mit seinem Friseurgeschäft ein stehendes Gewerbe betreibt (siehe oben A. II. 1.), so dass § 35 GewO tatbestandlich anwendbar sein könnte. Fraglich ist allerdings, wie es sich auswirkt, dass Scheer in die Handwerksrolle eingetragen ist und als Friseurmeister ein zulassungspflichtiges Handwerk i. S. des § 1 Abs. 2 S. 1 HandwO i.V.m. Nr. 38 der Anlage A zur Handwerksordnung betreibt.

 

1. Genereller Ausschluss der GewO durch die Handwerksordnung?

Insoweit könnte angenommen werden, dass die §§ 1 ff. der Handwerksordnung grundsätzlich abschließend den Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks regeln, ein ergänzender Rückgriff auf die Gewerbeordnung also nicht in Betracht kommt. Für diese Sichtweise könnte insbesondere sprechen, dass in der Handwerksordnung ein etwa mit § 31 Gaststättengesetz vergleichbarer Generalverweis auf die Gewerbeordnung fehlt. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass das Handwerksrecht ursprünglich in der Gewerbeordnung selbst geregelt war. Auch ist die Handwerksausübung ein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung und § 1 Abs. 1 HandwO nimmt auch deutlich auf die Begrifflichkeiten der Gewerbeordnung („stehendes Gewerbe“) Bezug. Daher kann die Gewerbeordnung grundsätzlich ergänzend zur Handwerksordnung herangezogen werden, sofern die Handwerksordnung bestimmte Sachbereiche nicht abschließend regelt.

 

2. § 16 Abs. 3 S. 1 Handwerksordnung als lex specialis?

Jedoch könnte einem Rückgriff auf § 35 Abs. 1 S. 1 GewO entgegenstehen, dass § 16 Abs. 3 HandwO einen spezielle Ermächtigung zur Untersagung der Fortführung eines Handwerksbetriebes enthält. § 16 Abs. 3 HandwO ermächtigt allerdings nur zur Untersagung der Fortsetzung eines Handwerksbetriebs, wenn hierbei die Vorschriften der Handwerksordnung missachtet werden. Die Handwerksordnung regelt aber nur die Frage, welche fachliche Befähigung Voraussetzung der Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks ist, stellt jedoch an dessen tatsächliche Ausübung selbst keine Anforderungen. Angesichts der Gefahren, die von unzuverlässigen Gewerbetreibenden für die Allgemeinheit und das Publikum ausgehen, wäre es aber eine unverständliche Privilegierung von Handwerkern gegenüber sonstigen Gewerbetreibenden, wenn diese ihrem Gewerbe auch bei Unzuverlässigkeit nachgehen könnten. § 35 Abs. 1 S. 1 GewO wird also nicht durch § 16 Abs. 3 HandwO als spezialgesetzliche Regelung ausgeschlossen.[19]

 

3. Ausschluss des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO durch § 35 Abs. 8 S. 1 GewO?

Daher schließt auch § 35 Abs. 8 S. 1 GewO die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO vorliegend nicht aus[20]: Zwar ist die Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks nach § 1 Abs. 1 Handwerksordnung nur denjenigen gestattet, die in die Handwerksrolle eingetragen sind. Diese Eintragung könnte man durchaus als eine besondere „Zulassung“ i. S. des § 35 Abs. 8 S. 1 GewO verstehen. Gegenstand dieser Zulassung ist jedoch allein die fachliche Befähigung des Handwerksbetriebsleiters zur Ausübung des zulassungspflichtigen Handwerks (vgl. §§ 7 ff. Handwerksordnung). Daher kann diese Zulassung nicht wegen Unzuverlässigkeit des Handwerkers entzogen werden.

 

4. Ergebnis zu I.

Grundsätzlich ist damit § 35 Abs. 1 S. 1 GewO auch gegenüber Scheer anwendbar.

 

II. Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO

Fraglich ist somit, ob die Voraussetzungen einer Friseurgewerbeuntersagung gegenüber Scheer vorliegen. Dann müssten Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit Scheers in Bezug auf sein Friseurgewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.  Nach allgemeiner Ansicht ist gewerberechtlich unzuverlässig, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft sein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird.[21] Es handelt sich um einen flexiblen Begriff, der gerichtlich jedoch voll nachprüfbar ist.

 

1. Unzuverlässigkeit wegen Verstoßes gegen das Gaststätten- und Ladenöffnungsrecht

Nach diesen Grundsätzen kann das beharrliche Verstoßen gegen die bei Ausübung eines bestimmten Gewerbes zu beachtenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften grundsätzlich eine Gewerbeuntersagung rechtfertigen. Insoweit rügt der Bezirk jedoch nur die ständige Missachtung des Gaststättenrechts und des Ladenöffnungsrechts. Es ist indes bereits dargelegt worden, dass ein solcher Verstoß gar nicht vorliegt, so dass hier dahingestellt bleiben kann, ob die Missachtung von Vorschriften, die allenfalls Randbereiche eines Betriebes betreffen, überhaupt Anhaltspunkte dafür bieten können, dass der Gewerbetreibende auch hinsichtlich seiner Haupttätigkeit unzuverlässig ist.

 

2. Unzuverlässigkeit wegen der Verletzung von Frau Zille

Der Bezirk Pankow begründet die Unzuverlässigkeit Scheers jedoch auch mit dem Unfall, der Frau Zille wiederfahren ist. Insoweit ist jedoch bereits fraglich, ob eine einzelne fahrlässige Körperverletzung bei Ausübung des Friseurhandwerks hinreichende Anhaltspunkte dafür bietet, dass der betroffene Friseur auf die körperliche Unversehrtheit seiner Kunden nicht hinreichend Rücksicht nimmt und aus diesem Grund als unzuverlässig und als eine Gefahr für die Allgemeinheit anzusehen ist. Jedenfalls im vorliegenden Fall war die Körperverletzung wohl ausschließlich auf das Verhalten der Kundin selbst zurückzuführen, so dass sie schlicht keine Grundlage für die Annahme einer Unzuverlässigkeit Scheers bilden kann.

 

3. Ergebnis zu II.

Mangels tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass Scheer die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Friseurhandwerks fehlt, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO nicht vor.

 

III. Ergebnis zu D.

Der Bezirk Pankow kann Scheer somit auch die Ausübung des Friseurhandwerks nicht untersagen.

 

E. Gesamtergebnis 

Keine der von dem Bezirk Pankow gegenüber Scheer angekündigten Maßnahmen kann daher rechtmäßig sein.

 

Siehe hierzu: BGH NJW 1983, 1504 ff.; BayOblGSt 1979, 34 ff.; BVerwGE 20, 325 ff.; BVerwG, NJW 1960, 2209 f.; BVerwGE 101, 157 ff.; OVG Lüneburg GewArch 1973, 303 ff.; OVG Hamburg DVBl. 1955, 195 ff.; VG Freiburg NJW 2002, 1285 f.; VG Stuttgart GewArch 1999, 254 f.; BSGE 82, 164 ff. 
Siehe ferner zu den grundlegenden Änderungen des Gaststättengesetzes durch Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen und zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2005 (BGBl. I, S. 1666): Pöltl, GewArch 2005, 353 ff.; U. Stelkens, BayVBl. 2007, 257 ff.

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Fußnoten

[1] 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I 2034 - sog. "Föderalismusreform I").

[2] Frotscher/Kramer, Rn. 391.

[3] Frotscher/Kramer, Rn. 251.

[4] BVerwGE 20, 325, 329; VGH Mannheim GewArch 2000, 33.

[5] VG Freiburg NJW 2002, 1285 f.

[6] BVerfGE 30, 173, 188 f.; BVerfGE 67, 213, 226 ff.

[7] VGH Mannheim NJW 1989, 1299 (Kunst bejaht bei Anfertigung von Scherenschnitten).

[8] Vgl. BSGE 82, 164, 167 ff. (zur Abgrenzung von Handwerk und Kunst in Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur Künstlersozialversicherung)

[9] Michel/Kienzle/Pauly, Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 1 Rn. 3

[10] Michel/Kienzle/Pauly, Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 1 Rn. 44; anders zum früheren Gaststättenrecht BVerwGE 20, 325, 326 ff.

[11] Michel/Kienzle/Pauly, Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 1 Rn. 56

[12] Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen und zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2005 (BGBl. I, S. 1666

[13] Nur insoweit ist eine Gaststättenerlaubnis noch erforderlich, s. Pöltl, GewArch 2005, 353, 356; U. Stelkens, BayVBl. 2007, 257, 264.

[14] OVG Lüneburg GewArch 1973, 303, 304.

[15] Siehe Götz, § 4 Rn. 1 ff.

[16] Zu diesem Begriff: Götz, § 6 Rn. 1 ff.

[17] Pöltl, GewArch 2005, 353, 358.

[18] BVerwGE 101, 157, 160

[19] Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2003, S. 232.

[20] Frotscher, Rn. 274.

[21] BVerwGE 65, 1 f.; Frotscher, Rn. 278.