Springe direkt zu Inhalt

Stadionverbot (Kurzlösung)

Erster Teil: Grundfall

 

A. Zulässigkeit

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

1. Verhältnis zwischen von Sternburg und der Berliner Olympiastadion GmbH

- (-), Anspruch von Sternburg gegen Berliner Olympiastadion GmbH nicht öffentlich-rechtlicher Natur, da der GmbH keine öffentlich-rechtlichen Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen; öffentlich-rechtlicher Anspruch aus § 4 Abs. 1 PresseG verpflichtet nur „Behörden“

- Anspruch aus § 4 Abs. 1 PresseG Bln mgl., weil Begriff der „Behörde“ wg. Einfluss des Art. 5 Abs. 1 GG im Bereich der Daseinsvorsorge auch juristische Personen des Privatrechts umfassen muss, die unter bestimmendem Einfluss der öffentlichen Hand stehen

- wg. § 173 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 2 GVG könnte VG Berlin entscheiden; i.E. sollte keine Klage gegen Berliner Olympiastadion GmbH eingelegt werden, da § 4 PresseG Bln nur Auskunft auf spezielle Anfragen erfasst, nicht die Teilnahme an Veranstaltungen

 

2. Verhältnis zwischen von Sternburg und dem Land Berlin

- Zulassungsanspruch wandelt sich in Verschaffungsanspruch um, der das Land verpflichtet, auf den von ihm eingeschalteten Einrichtungsbetreiber dahingehend einzuwirken, dass ein im Rahmen der Widmung und des geltenden Rechts von einem Berechtigten geltend gemachter Anspruch realisiert werden kann

- Anspruch auf Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen ergibt sich in Berlin aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der jeweiligen Widmung der öffentlichen Einrichtung; verpflichtet allein das das Land Berlin als Hoheitsträger, daher öffentlich-rechtlich

- gleiches Ergebnis nach Zwei-Stufen-Theorie: Entscheidung, „ob“ zugelassen wird, immer öffentlich-rechtlicher Natur

 

3. Ergebnis zu I.

- § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO (+)


II. Statthafter Rechtsbehelf

- wg. besonderer zeitlichen Nähe: vorläufiger Rechtsschutz; Abgrenzung der Verfahren (§ 123 VwGO und § 80 Abs. 5 VwGO) nach § 123 Abs. 5 VwGO; Verschaffung eines Zulassungsanspruchs durch das Land Berlin (Einwirken auf GmbH) ist schlichtes Verwaltungshandeln; in der Hauptsache: allgemeine Leistungsklage, einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO

 

III. Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog

- Anordnungsanspruch: Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Widmung auf Zulassung ohne Sicherheitsüberprüfung; Anordnungsgrund: Eilbedürftigkeit, EM steht unmittelbar bevor

 

IV. Passive Prozessführungsbefugnis

- Rechtsträgerprinzip, Land Berlin

 

V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

- von Sternburg nach § 61 Nr. 1, Alt. 1, § 62 Abs. 1 VwGO; Land Berlin gemäß § 61 Nr. 1, Alt. 2, § 62 Abs. 3 VwGO

 

VI. Rechtsschutzbedürfnis

- wg. analoger Anwendung von § 156 VwGO ist keine vorherige Anfrage bei der entsprechenden Behörde erforderlich

 

VII. Ergebnis zu A.

- Antrag der von Sternburg ist zulässig

 

B. Begründetheit

- Antrag der von Sternburg auf Verschaffung einer Zulassung zum Olympiastadion ohne Sicherheitsüberprüfung ist nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO begründet, wenn von Sternburg gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO Tatsachen glaubhaft macht, die einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund tragen und die Hauptsache nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen wird

 

I. Anordnungsanspruch

- Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Einrichtungen könnte sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Widmung ergeben; aus derivativem Charakter des Anspruchs lassen sich folgende Voraussetzungen ableiten: Olympiastadion müsste eine öffentliche Einrichtung sein (1.); von Sternburg müsste personell berechtigt sein (2.) und eine Nutzung im Rahmen der Widmung (3.) sowie des geltenden Rechts (4.) begehren

 

1. Olympiastadion als öffentliche Einrichtung

- unter öffentlicher Einrichtung ist jede (organisatorische) Zusammenfassung von Personen und Sachmitteln zu verstehen, die im öffentlichen Interesse unterhalten und die durch einen Widmungsakt der allgemeinen Nutzung zugänglich gemacht wird

- Olympiastadion anlässlich der Olympischen Spiele 1936 errichtet worden und hat seit damals eine Zweckbestimmung als Anlage zur Durchführung kultureller, sportlicher und sonstiger großer Veranstaltungen erlangt; konkludente Widmung

 

2. Personelle Berechtigung der von Sternburg

- Berechtigte sind nach den GOen der Bundesländer grundsätzlich die Einwohner; in Berlin ist der Kreis der Zugangsberechtigten jedoch grds. weiter gefasst; den Widmungen lässt sich keine Begrenzung auf die Einwohner Berlins entnehmen (+)

- außerdem immer dann keine auf Einwohner begrenzten Zulassung, wenn die öffentliche Einrichtung ein überörtliches Gepräge aufweist, d.h. überregionale Veranstaltungen mit überregionalen Besuchern anlocken will (+)

 

3. Im Rahmen der Widmung

- Presseberichterstattung von Großereignissen immanenter Teil des Nutzungszweckes; Akkreditierung von Sportjournalisten von Widmung umfasst

 

4. Im Rahmen des geltenden Rechts

- Ablehnung auf Sicherheitsbedenken gestützt; Land Berlin dann verpflichtet, auf eine Zulassung ohne Sicherheitsprüfung hinzuwirken, wenn es selbst für die Beachtung der ordnungsrechtlichen Aspekte nicht zuständig ist oder wenn die Beachtung solcher Aspekte gesetzlich geregelt sein muss

 

a) Zuständigkeit des Landes Berlin für ordnungsrechtliche Prüfung

eine Ansicht: Gemeinde/Land als Einrichtungsträger ist es verwehrt, im Rahmen der Zulassungsprüfung ordnungsrechtliche Erwägungen anzustellen; (+) dafür spezielle Zuständigkeiten

h.M.: aus unbestrittener Einrichtungskompetenz erwächst Land/Gemeinde eine akzessorische ordnungsrechtliche Kompetenz bezüglich der Einrichtung selbst;

(+), wenn Kompetenz zur Einrichtung, dann auch zur Regelung des Zugangs

- Berlin als Land für ordnungsrechtliche Aspekte sowieso zuständig (anders bei Flächenstaat und Einrichtungen der Gemeinden); aus Annexkompetenz folgt auch, dass ordnungsrechtliche Zuständigkeit ausnahmsweise auf anderes Organ übertragen werden darf; hier wurde Sicherheitsprüfung zudem von Polizeibehörde und nicht von der GmbH vorgenommen

 

b) Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes

- für Sicherheitsüberprüfung könnte ausdrückliche Rechtsgrundlage erforderlich sein

 

aa) Grundrechtsverpflichtung der Berliner Olympiastadion GmbH

- Land Berlin bleibt im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Verschaffungsanspruchs an Grundrechte gebunden

 

bb) Schutzbereich eines Grundrechts/Eingriff

- Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist Spezialfall der Informationsfreiheit, da sie die Beschaffung der Informationen nicht nur aus allgemein zugänglichen Quellen, sondern auch durch besondere Recherchen, Beobachtungen etc. umfasst; aus dem Abwehrrecht der Pressefreiheit kein Anspruch gegenüber öffentlichen Stellen auf Auskünfte herzuleiten; daher kein Anspruch auf privilegierten Zugang zu einem Sportereignis (-)

- aber Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG: Reporter ohne Sicherheitsüberprüfung werden anders behandelt

 

cc) Kein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes wegen „Annexkompetenz“ hinsichtlich einrichtungsbezogener Störungen

- Ablehnung der Zulassung zur öffentlichen Einrichtung aus ordnungsrechtlichen Gründen auch ohne gesetzliche Grundlage ist zulässig, weil in der Leistungsverwaltung reduzierte Anforderungen: Gesetzgeber muss nur in allen wesentlichen Sachgebieten tätig werden

- Ablehnung der Journalisten ohne Sicherheitsüberprüfung gilt Schutz der Anlage und ihrer Nutzer – Fall der Annexkompetenz; Ungleichbehandlung nicht so wesentlich, dass sie einem Eingriff gleicht: Berichterstattung von der Leichtathletik-EM für Sportjournalisten wichtig, aber auch ohne Akkreditierung mgl., wenn auch schwieriger (a.A. vertretbar)

 

c) Angemessenheit der Ungleichbehandlung

- nach BVerfG Art. 3 Abs. 1 GG teilweise als Willkürverbot oder als Verbot der Unverhältnismäßigkeit von Ungleichbehandlung und der mit ihr verfolgten Zweck verstanden; wg. Erschwerung der Pressearbeit strengerer Maßstab

 

aa) Legitimer Zweck

- Gefahrenabwehr

 

bb) Geeignetheit

- nur geeignet, wenn sich die gespeicherten Taten auch auf sicherheitsrelevante Taten beziehen

 

cc) Erforderlichkeit

- milderes Mittel: bei jedem Zutritt Kontrolle,

(-); punktuelle Kontrolle nicht gleich wirksam wie Überprüfung des ganzen Hintergrundes

 

dd) Angemessenheit

- (+) Schutzpflicht des Staates (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) für seine Bürger; Großveranstaltungen mit internationalem Publikum sind attraktives Ziel für terroristische Gefahr

- Problem, dass sie als „einfache“ Zuschauerin ohne Sicherheitsüberprüfung Zugang hätte; aber einfache Zuschauer kommen nicht in gleicher Weise in Kontakt mit sicherheitsrelevanten Strukturen im Innenraum aufgrund fehlender Nähe zum Kern des Geschehens

 

d) Ergebnis zu 4.

- Ablehnung erfolgte damit im Rahmen des geltenden Rechts

 

5. Ergebnis zu I.

- kein Anordnungsanspruch

 

II. Ergebnis

- Antrag der von Sternburg zwar zulässig, aber unbegründet

 

 


Zweiter Teil: Abwandlung

 

Grundrechtsverletzung nur mgl., wenn BOC als Privatrechtssubjekt überhaupt an Grundrechte gebunden

 

- unmittelbare Drittwirkung

(+) Art. 1 Abs. 2 GG: Menschenrechte Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft

(+) Freiheitsbedrohungen gehen auch von Privaten (Konzernen etc.) aus

(-) Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG

(-) Entstehungsgeschichte der Grundrechte

(-) Systematik: einige Grundrechte gelten ausdrücklich zwischen Privaten (z.B. Art. 9 Abs. 2 S. 3, 20 Abs. 4 GG)

 

- mittelbare Drittwirkung, Grundrechte sind bei Auslegung einfachen Rechts zu beachten

(+) wg. Art. 1 Abs. 3 GG Bindung der Gerichte

(+) objektive Wertentscheidungen => Ausstrahlungswirkung in andere Rechtsbereiche

 

Anspruch auf Zulassung deshalb grundsätzlich aus §§ 826, 242 BGB (Kontrahierungszwang) mgl.; Anspruch besteht aber nur im Einzelfall, wenn andernfalls tatsächlich Grundrechte verletzt werden; Entscheidung je nach Lösung des Grundfalls

 

 

Fragen und Anregungen zur Lösung? info@hauptstadtfaelle.de


Dokumente

Zur zuletzt besuchten Textpassage | Zum Seitenanfang


© Markus Heintzen (Freie Universität Berlin) und Heike Krieger (Freie Universität Berlin)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Oktober 2016