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Treffpunkt (Lösungsvorschlag)

Anmerkung: Der Fall ist inhaltlich angelehnt an einen Spiegel-Online-Artikel. Die hier angesprochenen ordnungsrechtlichen Probleme sollen keine politische Empfehlung oder Stellungnahme in der anhaltenden Debatte sein.

Bevor die Frage beantwortet werden kann, ob die Bezirksbürgermeisterin zu einem Einschreiten gegen den „Drogentreffpunkt“ in der Reichenberger Straße verpflichtet ist, muss zunächst die Frage geklärt werden, ob sie hiergegen überhaupt einschreiten kann.

A. Möglichkeiten, gegen den „Treffpunkt“ polizeirechtlich vorzugehen

Möglichkeiten, gegen den „Treffpunkt“ polizeirechtlich vorzugehen, bestehen für die Bezirksbürgermeisterin nur, soweit sie überhaupt polizeirechtliche Befugnisse in Anspruch nehmen kann. Erst wenn dies bestimmt ist, kann gefragt werden, welche Maßnahmen die Bezirksbürgermeisterin konkret ergreifen kann.

Anmerkung: Vgl. auch diesen Hinweis zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts und diesen Hinweis zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Gefahrenabwehrverfügung.

I. Zuständigkeit (§ 1 Abs. 1 S. 1 ASOG)

Zunächst müsste die Bezirksbürgermeisterin für die Ergreifung von Maßnahmen gegenüber dem Treffpunkt zuständig sein.

An der örtlichen Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln[1] bestehen keine Zweifel.

Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 und § 2 Abs. 1 und 2 ASOG. Zur Abwehr von Gefahren sind nach § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 ASOG die Polizei und die Ordnungsbehörden, d. h. nach § 2 Abs. 2 ASOG die Senatsverwaltungen und Bezirksämter, zuständig. Die Bezirksbürgermeisterin bildet nach § 34 Abs. 1 S. 1 BezVG mit ihren vier Bezirksstadträten das Bezirksamt. Da zwischen den Personen offenbar keine Meinungsverschiedenheit besteht[2], kann die Bezirksbürgermeisterin als Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg handeln.

Die Ergreifung von Maßnahmen gegen den „Treffpunkt“ i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG müsste dazu dienen, „Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren“.

Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Einsatz der Polizei und der Ordnungsbehörden nicht den Zweck hat, präventiv das Eintreten von Schäden zu verhindern, sondern bereits eingetretene Schäden in Form von Straftaten zu ahnden und zu verfolgen. Letzteres umfasst den Bereich der Strafverfolgung, die nicht auf Grundlage des ASOG geschehen kann (und für die das Bezirksamt auch nicht zuständig ist). Grundlage für Maßnahmen der Strafverfolgung sind vielmehr die Vorschriften der StPO. Aufgrund des ASOG kann daher nur mit Maßnahmen gegen den „Treffpunkt“ vorgegangen werden, die präventiv orientiert sind. Diese grundsätzlich klare Abgrenzung kann jedoch im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weil präventive und repressive Maßnahmen nicht immer klar voneinander unterschieden werden können. Eine Maßnahme kann gleichzeitig präventive und repressive Zwecke verfolgen, beispielsweise kann die Durchsuchung einer Person nach Rauschgift sowohl der Ermöglichung der Strafverfolgung als auch der Verhinderung weiterer Straftaten dienen. Diese sogenannten „doppelfunktionalen Maßnahmen“ können dann auf das ASOG gestützt werden, wenn der Schwerpunkt des polizeilichen Handelns auf der Gefahrenabwehr liegt.[3] Im Ergebnis bedeutet dies, dass gefahrenabwehrende Maßnahmen nicht allein deshalb vom Anwendungsbereich des ASOG ausgenommen sind, weil sie auch auf Vorschriften der StPO gestützt werden könnten.

Solange das Bezirksamt als Ordnungsbehörde also Maßnahmen anordnet, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, bleibt es im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgabe gem. § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG und ist insoweit zuständig. Die instanzielle Zuständigkeit des Bezirksamts folgt aus § 4 Abs. 2 S. 1 AZG, § 2 Abs. 4 S. 1 ASOG i. V. m. Nr. 37 Abs. 2 a.E. ZustKat Ord.

II. Maßnahmen aufgrund § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG

Wie schon der Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG zeigt, handelt es sich bei dieser Norm lediglich um die Zuweisung einer Aufgabe. Eine solche gesetzliche Aufgabenzuweisung reicht als Rechtsgrundlage für eine polizeiliche Tätigkeit nur aus, solange nicht in (Grund-)Rechte von Bürgern eingegriffen wird. Die Polizei und die Ordnungsbehörden könnten aufgrund dieser Norm jedoch beispielsweise vermehrt Kontrollgänge rund um den Treffpunkt absolvieren oder Aufklärungsarbeit zur Vorbeugung weiterer Diebstahlsdelikte leisten. Präsenz als solche mag wohl geeignet sein, die von dem Treffpunkt ausgehenden Gefahren zumindest einzuschränken. Für eine wirksame Gefahrenabwehr müssen jedoch auch Maßnahmen getroffen werden, die mit Rechtseingriffen bei den Betroffenen verbunden sind oder verbunden sein können (z.B. Eingriffe in Art. 2, Art. 3 oder Art. 13 GG). Für solche Maßnahmen reicht die Aufgabennorm des § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG nicht aus, es ist vielmehr eine Befugnisnorm erforderlich, wie sie die §§ 17 ff. ASOG darstellen.

III. Standardmaßnahmen

Da die Standardmaßnahmen der §§ 18 ff. ASOG spezieller sind und deshalb in ihrem Anwendungsbereich der Generalklausel des § 17 ASOG vorgehen – wie diese Vorschrift in ihrem Abs. 1 ausdrücklich bestimmt –, werden im Folgenden zunächst mögliche Standardmaßnahmen geprüft.


1. § 21 Abs. 1 ASOG (Identitätsfeststellung zur Gefahrenabwehr)

Nach § 21 Abs. 1 ASOG sind die Ordnungsbehörden, also auch das Bezirksamt (vgl. § 2 Abs. 1 ASOG), berechtigt, bei Vorliegen der Voraussetzungen „die Identität einer Person“ festzustellen. Den Umfang der Maßnahmen macht Absatz 3 deutlich. Die unter den Sätzen 1 bis 4 genannten Maßnahmen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass sie die offene Datenerhebung bei dem Betroffenen beinhalten.[4] Dagegen werden Erkundigungen über die Identität einer Person bei einem Dritten oder die heimliche Identifizierung nicht von § 21 Abs. 1 ASOG erfasst. Die Identität einer Person ist dann festgestellt, wenn genügend Angaben über diese vorhanden sind, um sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen (zum Umfang der vom Betroffenen mitzuteilenden Angaben siehe § 111 OWiG). Solange keine Anhaltspunkte für eine Fälschung vorliegen, genügt indes die Vorlage eines Personalausweises.[5]

a) Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

Das Bezirksamt könnte also die in § 21 Abs. 3 ASOG aufgeführten Maßnahmen treffen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 1 vorlägen. Erforderlich dafür ist, dass die Feststellung der Identität „zur Abwehr einer Gefahr“ erfolgt. „Gefahr“ bedeutet auch hier gemäß der Legaldefinition des § 17 Abs. 1 ASOG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Eine solche Gefahr liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Verlauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung schädigen wird. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes.[6]

Unter den Begriff „öffentliche Sicherheit“ fallen sowohl der Schutz des Staates und seiner Einrichtungen als auch die gesamte Rechtsordnung und damit auch individuelle Rechtsgüter, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des Einzelnen.[7] Die „öffentliche Ordnung“ wird definiert als die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Lebens betrachtet wird.[8]

Nach der bisherigen Erfahrung der Polizei und der Anwohner besteht in der Umgebung des „Treffpunktes“ die hohe Wahrscheinlichkeit, dass weitere Straftaten im Bereich der Drogen- und Beschaffungskriminalität begangen werden, solange der Platz weiterhin in dem bisherigen Maße von Drogenabhängigen aufgesucht wird. Außerdem besteht gerade bei offenen Drogenszenen zusätzlich die Gefahr der Körperverletzung unbeteiligter Dritter (etwa Kinder), welche durch herumliegende Spritzen u. Ä. verursacht wird. Eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt also vor. Ob zudem das aggressive Betteln der Drogenkonsumenten ungeschriebene Rechtssätze im Sinne des Begriffs der öffentlichen Ordnung betreffen könnte,[9] kann daher hier dahinstehen.

b) Inanspruchnahme der richtigen Adressaten

Tatbestandsvoraussetzung einer auf § 21 Abs. 1 ASOG gestützten Maßnahme ist zudem, dass sich diese an den richtigen Adressaten richtet. § 21 Abs. 1 ASOG spricht insoweit von „Person“. Damit ist fraglich, ob zur näheren Bestimmung des Begriffs „Person“ auf die §§ 13 ff. ASOG zurückzugreifen ist, Identitätsfeststellungen also nur gegenüber dem Verursacher der Gefahr (sog. Verhaltensstörer, § 13 ASOG) bzw. dem Inhaber der tatsächlichen oder rechtlichen Gewalt über eine gefahrverursachende Sache (sog. Zustandsstörer, § 14 ASOG) getroffen werden können, oder ob letztlich jedermann von einer Identitätsfeststellung betroffen werden kann, sofern dies nach der maßgeblichen Ex-ante-Betrachtung aus der Sicht der Ordnungsbehörden dazu dienen kann, eine konkrete Gefahr abzuwehren. Für die weite Auffassung spricht insbesondere, dass eine Identitätsfeststellung gerade dann der Gefahrenabwehr dienen kann, wenn hiermit überprüft werden soll, ob jemand Störer ist – zum Beispiel die Identitätsfeststellung zur Suche nach einer selbstmordgefährdeten Person.[10] Diese Möglichkeit besteht jedoch nur, wenn auch die Identität solcher Personen rechtmäßigerweise festgestellt werden kann, bei denen sich hinterher herausstellt, dass gerade sie nicht Störer sind. Dass diese weite Sicht nicht dazu führen kann, dass die Polizei beliebig bei jedermann ohne konkreten Anlass die Identität feststellen kann, wird in § 21 Abs. 1 ASOG dadurch gewährleistet, dass die Maßnahme immer nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr erfolgen darf. Grundsätzlich kann die Polizei daher nach § 21 Abs. 1 ASOG bei jedermann die Identität feststellen, sofern dies der „Abwehr einer Gefahr dient“.

c) Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 12 Abs. 1 ASOGG, § 40 VwVfG)

Schließlich ist erforderlich, dass das eingeräumte Ermessen (§ 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG) ordnungsgemäß ausgeübt wird; insbesondere ist zu fragen, ob die Maßnahme verhältnismäßig (§ 11 ASOG) ist.

Anmerkung: Zur Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe diesen Hinweis.

Die Gefahrenabwehr stellt ein legitimes Ziel dar. Insoweit ist aber fraglich, ob die Identitätsfeststellung überhaupt ein taugliches Mittel zur Abwehr der konkreten Gefahr sein kann. Sofern die Feststellung und Speicherung der Personalien einer Person eine abschreckende Wirkung auf mögliche Straftäter haben soll, muss genau differenziert werden, ob es noch um die Abwehr einer Gefahr geht oder ob schon der Bereich des Straf- bzw. Strafverfahrensrechts erreicht ist. Die genaue Abgrenzung muss dem Einzelfall vorbehalten bleiben. Auf jeden Fall dem Polizeirecht zugehörig ist die Identitätsfeststellung dann, wenn sie der Gefahrerforschung dient, wenn also überprüft werden soll, ob jemand Störer ist. Die Feststellung der Identität von Personen, die sich am „Treffpunkt“ aufhalten, sagt freilich noch nichts Zuverlässiges über deren mögliche Störereigenschaft aus und ist deshalb nur ausnahmsweise zur Abwehr einer konkreten Gefahr geeignet und müsste zudem erforderlich und angemessen sein.

d) Ergebnis zu 1.

Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 ASOG kommen daher nur ausnahmsweise in Betracht.

2. § 21 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ASOG (Identitätsfeststellung an „gefährlichen Orten“)

Möglich wäre auch eine Identitätsfeststellung nach Maßgabe des § 21 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ASOG. Zum Umfang der Eingriffsmittel kann auf die Ausführungen zu § 21 Abs. 1 ASOG (oben A. III. 1.) verwiesen werden.

a) Zuständigkeit

Eine sog. Identitätsfeststellung an „gefährlichen Orten“ kann nach § 21 Abs. 2 ASOG nur die Polizei vornehmen. Polizei i. S. d. ASOG ist nur der Polizeipräsident in Berlin, § 5 Abs. 1 ASOG. Hier müsste also Gisela Grün ihre Freundin, die Polizeipräsidentin Beatrice von Bullenberg, einschalten, welche dann in eigener Sache tätig werden müsste.[11] Die örtliche Zuständigkeit der Berliner Polizei besteht in ganz Berlin (§ 6 ASOG).

b) Tatbestandsvoraussetzungen

Im Gegensatz zum Vorgehen nach § 21 Abs. 1 ASOG ist für eine Identitätsfeststellung nach § 21 Abs. 2 lit. a ASOG das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht erforderlich; es reicht vielmehr aus, dass sich eine Person an einem – sog. „gefährlichen“ – Ort aufhält, der unter lit. a fällt. Die Polizei müsste also aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte annehmen dürfen, dass an dem „Treffpunkt“ oder in seiner näheren Umgebung Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben (lit. a, aa) oder sich Straftäter verbergen (lit. a, cc). In Betracht kommt hier vor allem die Begehung von Delikten nach §§ 29 ff. BtMG (namentlich das Sich-Verschaffen oder der Besitz von Rauschgift in nicht nur unbedeutender Menge), die Straftaten von erheblicher Bedeutung darstellen. Darüber hinaus könnte auch ein Eingreifen zulässig sein, weil sich am „Treffpunkt“ Straftäter verbergen. Straftäter i. S. dieser Vorschrift sind flüchtige, aber bereits verurteilte und zur Strafvollstreckung anstehende Personen.[12] Sollte die Polizei z. B. aufgrund früherer Erfahrungen oder ihrer Beobachtungen den Verdacht haben, dass Süchtige im Besitz von nicht nur geringen Mengen Rauschgift oder Straftäter in dem erwähnten Sinn sich auf dem Kinderspielplatz aufhalten, wären Identitätsfeststellungen aller sich an dem Ort aufhaltenden Personen nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ASOG möglich. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die angetroffenen Personen Störer oder Nichtstörer sind, die Identitätsfeststellungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ASOG ist rein aufenthaltsbezogen auf den „gefährlichen Ort“, wobei „Aufhalten“ ein gewisses Moment des Verweilens und damit mehr als bloßes Passieren voraussetzt.[13]

c) Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 12 Abs.1 ASOG, § 40 VwVfG)

Die Anordnung der Maßnahme liegt gemäß (§ 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG) im Ermessen der Behörde, die hierbei insbesondere die Verhältnismäßigkeit (§ 11 ASOG) ihres Vorgehens zu beachten hat.

Anmerkung: Zur Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe diesen Hinweis.

Die Gefahrenabwehr stellt ein legitimes Ziel dar. Die Identitätsfeststellung ist, weil jedenfalls die Möglichkeit besteht, durch die Identitätsfeststellung bevorstehende Straftaten im Bereich der Drogenkriminalität zu verhindern und auch gesuchte Straftäter ausfindig zu machen, prinzipiell als geeignete Maßnahme zur Erfüllung der polizeilichen Aufgabe anzusehen. Sie muss darüber hinaus erforderlich, d. h. das „mildeste“, also bei gleichem Erfolgsversprechen am wenigsten in die Rechte des Einzelnen eingreifende Mittel sein. Die Angabe der Personalien stellt nur einen unwesentlichen Eingriff in die Rechte des Einzelnen dar. Weniger schwerwiegende Maßnahmen, die ebenso erfolgsversprechend sind, sind nicht ersichtlich. Die Rechtsbeeinträchtigung ist den davon Betroffenen im Hinblick auf die beabsichtigte Gefahrenabwehr durch die Polizei jedenfalls zumutbar, also verhältnismäßig i. e. S, so dass sie diese Maßnahme zulässigerweise anordnen könnte.

d) Ergebnis zu 2.

Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ASOG sind damit zur Bekämpfung der von dem Treffpunkt ausgehenden Gefahren zulässig.

3. § 21 Abs. 2 Nr. 3 ASOG (Identitätsfeststellung an besonders gefährdeten Objekten)

Auch für diese Art der Identitätsfeststellung ist allein die Polizei zuständig. Allerdings handelt es sich bei dem „Treffpunkt“ nicht um eines der besonders gefährdeten Objekte i. S. dieser Bestimmung, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Nr. 3 ASOG nicht erfüllt sind.

4. § 29 Abs. 2 S. 1 ASOG (Aufenthaltsverbot)

Effektiver als eine Identitätsfeststellung könnte das Aussprechen eines Aufenthaltsverbotes nach § 29 Abs. 2 S.1 ASOG sein: Danach kann nur die Polizei und nicht die Ordnungsbehörde einer Person das Betreten eines bestimmten Ortes und das Sich-Aufhalten an einem bestimmten Ort verbieten. Voraussetzung ist insoweit, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort Straftaten begehen wird. Liegt somit im Einzelfall ein begründeter Verdacht vor, dass bestimmte Personen im „Treffpunkt“ Delikte nach den §§ 29 ff. BtMG begehen, kann ihnen verboten werden, sich dort aufzuhalten. Solche Maßnahmen dürften im Regelfall auch ermessengerecht sein, soweit die – ihrerseits eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips darstellenden – Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 S. 2 bis 4 ASOG eingehalten werden.

5. § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG (Platzverweis)

Wenn die Voraussetzungen eines Aufenthaltsverbots nach § 29 Abs. 2 ASOG nicht vorliegen, könnte auch das Aussprechen eines Platzverweises nach § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG in Betracht kommen.

a) Verhältnis zu § 29 Abs. 2 ASOG

Nach § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG können die Ordnungsbehörden, d. h. auch das Bezirksamt, und die Polizei eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Die zeitliche Beschränkung auf „vorübergehende“ Maßnahmen bildet den Unterschied des Platzverweises nach § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG zum Aufenthaltsverbot nach § 29 Abs. 2 ASOG. Umstritten ist jedoch, wie der Begriff „vorübergehend“ auszulegen ist. Nach einer Auffassung soll er sich an der Gefahr selbst orientieren, d. h. ein Platzverweis wäre zulässig, bis die Gefahr abgewehrt ist.[14] Von der zahlenmäßig herrschenden Meinung (für alle Bundesländer, deren Polizeigesetze die Standardmaßnahme „Platzverweis“ kennen) wird angenommen, dass „vorübergehend“ in diesem Sinne als „kurzfristig“ zu verstehen sei, so dass jedenfalls sich über mehrere Wochen und Monate erstreckende Platzverweise hiervon nicht mehr gedeckt seien[15]. Dafür lässt sich anführen, dass mit Art. 11 GG ein Grundrecht eingeschränkt wird, und somit eine restriktive Auslegung geboten ist. Außerdem lässt sich sonst ein systematischer Unterschied zu § 29 Abs. 2 ASOG nicht leicht begründen. Schließlich wäre „vorübergehend“ in dem weiten Verständnis der o. g. Auffassung keine echte Einschränkung. Da für jeden Platzverweis eine konkrete Gefahr vorliegen muss, wäre ein Platzverweis nach Abwehr der Gefahr ohnehin nicht mehr zulässig.

Anmerkung: In den Bundesländern, deren Polizeigesetze – anders als das ASOG – nur die Standardmaßnahme „Platzverweis“, nicht jedoch eine Standardmaßnahme „Aufenthaltsverbot“ kennen, fehlen für eine Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ als „kurzfristig“ jedoch Anhaltspunkte im Gesetz: In diesen Ländern erscheint es als angemessener, „vorübergehend“ als Gegensatz zu „dauernd“ zu verstehen und als Endzeitpunkt den Wegfall der Gefahr heranzuziehen. Ein Platzverweis wäre damit dann noch vorübergehend, wenn er bis zum Wegfall der Gefahr andauert (so Schmidbauer, BayVBl. 2002, 257, 263; hiergegen Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 132).

Unter diesen Voraussetzungen kann umgekehrt jedoch nicht angenommen werden, dass § 29 Abs. 2 ASOG in diesem Sinne „vorübergehende“ Maßnahmen nach § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG gegenüber solchen Personen ausschließt, gegenüber denen auch Maßnahmen nach § 29 Abs. 2 ASOG getroffen werden könnten. Gegenüber Aufenthaltsverboten nach § 29 Abs. 2 ASOG ist der Platzverweis nach § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG das mildere Mittel.[16]

b) Tatbestandsvoraussetzungen

Das Vorliegen einer Gefahr wurde bereits festgestellt (siehe oben A. III. 1. a)). Adressat der Maßnahme ist „eine Person“, womit nicht ausgedrückt werden soll, dass nicht auch gegen eine Vielzahl von Personen ein Platzverweis ausgesprochen werden kann. Da der Begriff der „Person“ im ASOG nicht definiert wird, ist auch die Annahme nicht zwingend, dass mit „Person“ in § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG die Störer i. S. der §§ 13 ff. ASOG gemeint sind.[17] Es dürfte insbesondere auch vertretbar sein, anzunehmen, dass die neutrale Formulierung in § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG darauf hinweist, dass auch gegen Personen ein Platzverweis ausgesprochen werden kann, die nicht „Störer“ i. S. d. §§ 13 ff. ASOG sind, ohne dass die strengen Voraussetzungen des § 16 ASOG für die Inanspruchnahme von Nichtstörern vorliegen müssen und ohne dass gegebenenfalls eine Schadensausgleichspflicht nach § 59 ASOG entstehen kann. Dies kann hier dann dahinstehen, wenn sich der Platzverweis ausdrücklich gegen Personen richtet, die der offenen Drogenszene zuzurechnen und damit Verhaltensstörer i. S. des § 13 Abs. 1 ASOG sind. Unproblematisch möglich sind daher kurzfristige Platzverweise, die gegenüber der offenen Drogenszene zugehörigen Personen ausgesprochen werden.

c) Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG)

Bei der Anordnung eines Platzverweises muss die Ordnungsbehörde das ihr durch § 12 Abs. 1 ASOG eingeräumte Ermessen pflichtgemäß (§ 40 VwVfG), d. h. vor allem unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (§ 11 ASOG), ausüben.

Die Maßnahme wäre zur Erreichung des legitimen Zwecks der Gefahrenabwehr geeignet, weil sie die Drogensüchtigen von dem Kinderspielplatz fernhalten würde, und sie wäre, weil ein weniger eingreifendes Mittel zur Abwehr der konkreten Gefahr kaum denkbar ist, auch als erforderlich anzusehen. Wegen der geringfügigen Rechtsbeeinträchtigung, die mit einem Platzverweis verbunden wäre, ist die Maßnahme im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck der Gefahrenabwehr auch als verhältnismäßig i. e. S. einzustufen.

d) Ergebnis zu 5.

Auch Maßnahmen nach § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG sind damit zur Bekämpfung der von dem Treffpunkt ausgehenden Gefahren zulässig.

6. § 30 ASOG (Ingewahrsamnahme)

Die Ingewahrsamnahme nach § 30 ASOG ist die präventivpolizeiliche Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit.[18]

Sie umfasst nicht das kurzfristige Verbringen zur Dienststelle zur Identitätsfeststellung (sog. Sistierung), welches schon unter § 21 Abs. 3 S. 3 ASOG fällt.

Zuständig für alle Maßnahmen nach § 30 ASOG ist allein die Polizeipräsidentin. Dabei ist zu beachten, dass eine richterliche Entscheidung nach § 31 Abs. 1 S. 1 ASOG herbeizuführen wäre, wenn in der Sache eine Freiheitsentziehung und keine bloße Freiheitsbeschränkung vorläge. Diese könnte dann nach § 31 Abs. 1 S. 2 ASOG hinfällig sein, wenn sie erst nach Wegfall der Gefahr ergehen könnte.

Anmerkung: Aufgrund des unterschiedlichen Wortlauts in Art. 104 Abs. 1 und 2 GG wird zwischen der Freiheitsentziehung und der weniger intensiven Freiheitsbeschränkung unterschieden.

Die Unterscheidung fällt schwer und ist selten trennscharf möglich.

Möglich erscheint zum einen eine Unterscheidung nach Intensität und Dauer, um etwa beim Festhalten einer Person von weniger als zwei Stunden noch von einer Freiheitsbeschränkung zu sprechen.[19]

Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet wie folgt[20]: „Das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG schützt die im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen. Sein Gewährleistungsinhalt umfaßt von vornherein nicht eine Befugnis, sich unbegrenzt überall aufhalten und überall hin bewegen zu dürfen. Demgemäß liegt eine Freiheitsbeschränkung nur vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist […]. Der Tatbestand einer Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) kommt ohnehin nur in Betracht, wenn die – tatsächlich und rechtlich an sich gegebene – körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird.“

Auch diese Abgrenzung vermag die Unschärfen nicht gänzlich zu beseitigen, insbesondere, weil viele Maßnahmen, wie etwa auch eine kurzfristige Sistierung zur Personenkontrolle eine Aufhebung der körperlichen Bewegungsfreiheit mit sich bringen, ohne dass man hier von einer Freiheitsentziehung sprechen würde. Maßgeblich ist auch der Zweck der Maßnahme. Ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, also das Festsetzen der Person, Hauptzweck, so liegt regelmäßig eine Freiheitsentziehung vor, handelt es sich lediglich um eine (zurücktretende und kurzfristige) Nebenfolge des eigentlich verfolgten Zwecks, so handelt es sich um eine Freiheitsbeschränkung.[21]

Entscheidend ist letztlich ein Zusammenspiel der Kriterien und die Argumentation anhand des Sachverhalts.

a) Tatbestandsvoraussetzungen

Hier könnte die Polizei besonders nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 ASOG eingreifen, wenn für einen berauschten Drogensüchtigen eine Gefahr für dessen Leib oder Leben besteht, weil er sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befindet. Auch ein Eingreifen nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 ASOG kommt in Betracht, wenn am Treffpunkt die unmittelbar bevorstehende Begehung von Straftaten nach den §§ 29 ff. BtMG droht. Schließlich könnte der Gewahrsam noch zur Durchsetzung eines Platzverweises oder Aufenthaltsverbots (siehe A. III. 4., 5.) angeordnet werden.

Bezüglich der Störereigenschaft gilt das unter A. III. 5. b) Gesagte entsprechend. Unproblematisch sind jedenfalls Maßnahmen nach § 30 Abs. 1 ASOG, die sich gegen die Handlungsstörer i. S. d. § 13 ASOG richten

b) Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG)

Bei der Anordnung einer Ingewahrsamnahme muss die Polizei das ihr durch § 12 Abs. 1 ASOG eingeräumte Ermessen pflichtgemäß (§ 40 VwVfG), d. h. vor allem unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (§ 11 ASOG), ausüben.

Maßnahmen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 wären geeignet, erforderlich und verhältnismäßig i. e. S., wenn den berauschten Drogensüchtigen nicht mehr anders zu helfen ist. Weniger einschneidend als die Verbringung in die Ausnüchterungszelle wäre aber die Verbringung in das Drogenhilfezentrum, soweit dort medizinisch gleichwertig geholfen werden kann. Bei Maßnahmen nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ASOG ist ausweislich des Wortlauts („unerlässlich“) besonders auf die Einhaltung des Übermaßverbots zu achten. Hier muss im Einzelfall entschieden werden, ob nicht der Platzverweis als weniger eingreifende Maßnahme zur Bekämpfung der Gefahr ausreicht und ob tatsächlich die Durchsetzung eines Platzverweises nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 ASOG notwendig ist. Da hierfür keine Anzeichen im Sachverhalt enthalten sind, sind nur Maßnahmen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 ASOG verhältnismäßig.

c) Ergebnis zu 6.

Anordnungen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 ASOG sind zum Schutze der berauschten Drogensüchtigen möglich.

7. § 38 ASOG (Sicherstellung von Sachen)

Sicherstellung i. S. von § 38 ASOG bedeutet die hoheitliche Begründung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache, d. h. deren Inbesitznahme.[22] In diesem Fall wäre zunächst an die Sicherstellung von Rauschgift, Diebstahlswerkzeugen oder ähnlichem zu denken.

a) Tatbestandsvoraussetzungen

Gemäß § 38 Nr. 1 ASOG kann eine Sache sichergestellt werden, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Das Vorliegen einer Gefahr wurde schon festgestellt. Gegenwärtig ist eine Gefahr, bei der der Schadenseintritt unmittelbar oder in allernächster Zeit bevorsteht und mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist oder wenn die Störung bereits begonnen hat.[23] Die Gefahr muss m. a. W. jederzeit eintreten können oder bereits eingetreten sein. Die Gegenwärtigkeit der Gefahr muss daher vor Ort durch die Behörden jeweils geprüft werden. Anhaltspunkt für das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr könnte beispielsweise sein, dass Drogensüchtige mit Spritzen und Rauschgift beobachtet werden.

Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung nach den § 38 Nr. 2 und 3 ASOG werden dagegen normalerweise nicht vorliegen.

b) Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG)

Wie bei jeder Maßnahme müsste auch bei einer Sicherstellung das der Polizei und der Ordnungsbehörde (nach § 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG) eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt werden, insbesondere müsste die Sicherstellung im Einzelfall verhältnismäßig (§ 11 ASOG) sein.

Grundsätzlich lässt sich vorab nicht bezweifeln, dass die Maßnahme geeignet und erforderlich sowie verhältnismäßig i. e. S. sein kann, um z. B. die Begehung von Straftaten nach dem BtMG zu unterbinden.


c) Ergebnis zu 7.

Maßnahmen nach § 38 Nr. 1 ASOG können damit im Einzelfall zur Bekämpfung der von dem Treffpunkt ausgehenden Gefahren zulässig sein.

8. § 34 und § 35 ASOG (Durchsuchung von Personen und Sachen)

Soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person Sachen mit sich führt, die nach den oben genannten Grundsätzen (siehe oben A. III. 7.) sichergestellt werden dürfen, kann zudem eine Durchsuchung von Personen oder Sachen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 35 Abs. 1 Nr. 1 ASOG angeordnet werden.

IV. Generalklausel (§ 17 Abs. 1 ASOG)

Denkbar wäre auch der auf die polizeirechtliche Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG gestützte Erlass von Maßnahmen.

1. Allgemeines zur Anwendbarkeit der Generalklausel

Da ein Vorgehen gegen die den Treffpunkt nutzenden Süchtigen und Dealer – jedenfalls auch – aufgrund der Standardmaßnahmen möglich ist, ist bei der Anwendung der Generalklausel des § 17 ASOG besonders auf deren Anwendbarkeit zu achten. Die Generalklausel ist gegenüber den spezielleren Vorschriften der §§ 18 ff. ASOG subsidiär und kommt nur dann zur Anwendung, wenn die beabsichtigte Maßnahme nicht bereits in den spezielleren Vorschriften der Polizeigesetze geregelt ist (siehe § 17 Abs. 1 a. E. ASOG). Aus diesem Grund kann es daher etwa keine auf die Generalklausel gestützte Ingewahrsamnahme von Personen geben. Andernfalls könnten die besonderen Voraussetzungen der Standardmaßnahmen, wie z. B. die ausschließliche Zuständigkeit der Polizei, umgangen werden. Maßnahmen, die nicht durch eine speziellere Norm geregelt werden, können demgegenüber auf die Generalklausel gestützt werden, wenn deren Voraussetzungen vorliegen.

2. Inanspruchnahme des Bezirks?

Möglicherweise könnte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Betreiber des Spielplatzes auf Grundlage des § 17 Abs. 1 ASOG zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. So könnte die Sicherheit in dem Bereich dadurch verbessert werden, dass der Bezirk verpflichtet wird, den Spielplatz besser auszuleuchten oder ihn sogar ganz zu sperren. Diese Maßnahmen werden nicht durch speziellere Normen abgedeckt und können somit grundsätzlich auf die Generalklausel gestützt werden. Zu prüfen ist daher, ob die durch § 17 Abs. 1 ASOG normierten Voraussetzungen für diese Maßnahmen hier vorliegen. Eine „im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ liegt insoweit vor (siehe oben A. III. 1. a)).

a) Bezirk als Zustandsstörer nach § 14 ASOG

Der Bezirk müsste außerdem der richtige Adressat sein, er müsste Störer i. S. des § 13 oder des § 14 ASOG sein. Da der Bezirk nicht durch eine eigene Handlung die vorliegende Gefahr verursacht hat, kann er lediglich als Zustandsstörer gem. § 14 ASOG in Anspruch genommen werden. Der Spielplatz wurde vom Bezirk gebaut und betrieben. Er ist damit Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück, von dem die Gefahr ausgeht, also Zustandsstörer gemäß § 14 Abs. 1 ASOG.

b) Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG)

Schließlich müsste auch hier das nach (§ 12 Abs. 1 ASOG, § 40 VwVfG) eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt werden, insbesondere müsste die Maßnahme im Einzelfall verhältnismäßig (§ 11 ASOG) sein.

Die komplette Sperrung des Spielplatzes ist auf jeden Fall geeignet, die von ihm ausgehenden Gefahren abzuwehren, was ein legitimes Ziel darstellt. Fraglich ist jedoch ihre Erforderlichkeit. Sollte schon eine bessere Beleuchtung für die Gefahrenabwehr in gleichem Maße ausreichen, wäre dies ein geeignetes milderes Mittel, so dass die Notwendigkeit einer Sperrung entfiele. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit müsste daher vor der Anordnung einer kompletten Sperrung des Platzes versucht werden, mit milderen Mitteln – wie einer besseren Beleuchtung – die Gefahren abzuwehren.

c) Zulässigkeit der Inanspruchnahme von Hoheitsträgern?

Jedoch ist fraglich, ob der Bezirk als Betreiber des Spielplatzes überhaupt von dem Bezirksamt als Störer in Anspruch genommen werden kann. Insoweit wird allgemein angenommen, dass Hoheitsträger, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen,[24] zwar materiell an das Polizeirecht gebunden sind, die Ordnungsbehörden aber nicht befugt sind, sie zum Erlass bestimmter Gefahrenabwehrmaßnahmen zu verpflichten. Hiermit würden sie in den Zuständigkeitsbereich des anderen Hoheitsträgers eingreifen, welcher nach der Zuständigkeitsordnung grundsätzlich selbst darüber zu befinden habe, wie er die ihm obliegenden Aufgaben (unter Beachtung seiner materiellen Polizeipflicht) erfülle. Reichten die allgemeinen, nicht ausdrücklich auf Hoheitsträger bezogenen Befugnisnormen für Eingriffe in hoheitliche Tätigkeiten aus, wären letztlich die Gefahrenabwehrbehörden befugt, über die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit jeden vermeintlichen Rechtsverstoß anderer Verwaltungsträger zu verfolgen. Dies sei mit der grundsätzlichen Gleichordnung aller Verwaltungsträger außerhalb echter Aufsichtsverhältnisse unvereinbar. Aus dieser Gleichordnung folge vielmehr, dass jeder Verwaltungsträger grundsätzlich für die Ordnungsgemäßheit der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben selbst verantwortlich sei.[25]

Dies gilt schon dann, wenn die Gefahrenabwehrbehörden unterschiedlichen Hoheitsträgern (z. B. Gemeinde, Land) zugehören. Noch viel stärker muss dieser Grundsatz gelten, wenn – wie in Berlin – die Gefahrenabwehrbehörden denselben Hoheitsträger (das Land Berlin) haben.[26] Jedoch bleibt es nach allgemeiner Auffassung der Ordnungsbehörde unbenommen, den störenden Hoheitsträger an seine Polizeipflicht zu „erinnern“ und gegebenenfalls aufsichtsrechtliches Tätigwerden anzuregen.[27]

d) Ergebnis zu 2.

Der Bezirk kann somit nicht auf Grundlage des § 17 Abs. 1 ASOG in Anspruch genommen werden, jedoch ist er materiellrechtlich zur Gefahrenabwehr auf dem Spielplatz verpflichtet, so dass das Bezirksamt insoweit aufsichtsrechtliches Tätigwerden anregen kann.

3. Ergebnis zu IV.

Auf die polizeirechtliche Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG können vorliegend allenfalls in Sonderfällen Gefahrenabwehrmaßnahmen gestützt werden.

V. Ergebnis zu A.

Für die Abwehr der von dem Treffpunkt ausgehenden Gefahren kommen demnach Maßnahmen gegen verschiedene Verantwortliche in Betracht. Zum einen können die „Besucher“ des „Treffpunktes“ als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden (Identitätsfeststellung nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG, Aufenthaltsverbot und Platzverweis gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ASOG, Ingewahrsamnahme gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 ASOG und Sicherstellung von Sachen aufgrund von § 38 Nr. 1 ASOG, gegebenenfalls auch Durchsuchungen nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 35 ASOG). Eine Inanspruchnahme des Bezirks nach § 17 Abs. 1 ASOG als Zustandsstörer scheitert an der fehlenden Polizeipflichtigkeit. Möglich ist aber eine „Erinnerung“ desselben an seine Rechtspflicht, für Sicherheit auf dem Spielplatz zu sorgen. Die Auswahl zwischen mehreren polizeirechtlich Verantwortlichen ist eine Ermessensentscheidung. Eine grundsätzliche Regel, dass der Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer herangezogen werden müsse, besteht nicht, vielmehr ist jeder Einzelfall nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden.

Anmerkung: Siehe hierzu den „Baumfällig“-Fall.

Dabei ist sowohl der Gedanke der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit, also die Frage nach dem schonendsten Eingriff, als auch der Aspekt der Effektivität des polizeilichen Handelns, d. h. wie die Gefahr am schnellsten und wirksamsten bekämpft werden kann, in die Entscheidung mit einzubeziehen.[28] In diesem Fall ist festzustellen, dass der Bezirk selbst Opfer der durch die Verhaltensstörer verursachten Schäden ist. Der „Treffpunkt“ beschädigt den Ruf des Bezirks und verursacht erhöhte Kosten, z. B. für die Reinigung und Instandhaltung des Platzes. Unter dem Gesichtspunkt der Wahl des schonendsten Eingriffes erscheint es daher zunächst geboten, gegen die „Besucher“ des Treffpunktes als Verhaltensstörer vorzugehen, bevor man sich in irgendeiner Form an den Bezirk wendet. Gleichwohl ist letzteres, nicht zuletzt aufgrund der geringen Eingriffsintensität möglich. Letztlich entscheidend sind Gesichtspunkte der Effektivität. Hier verspricht eine unmittelbare Inanspruchnahme der Verhaltensstörer wohl den größtmöglichen Erfolg.

B. Verpflichtung, gegen den Treffpunkt polizeirechtlich vorzugehen

Da vorliegend alle zu einem Eingreifen berechtigenden Normen dem Bezirksamt und der Polizeipräsidentin aufgrund von § 12 Abs. 1 ASOG Ermessen dahingehend einräumen, ob überhaupt eingegriffen werden soll (Entschließungsermessen), kann sich eine Verpflichtung zum Eingreifen nur dann ergeben, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Sie liegt vor, wenn die der Polizei eröffneten Verhaltensmöglichkeiten in einer Weise eingeschränkt sind, dass nur noch eine einzige Entscheidung als rechtmäßig angesehen werden kann.[29] Für die Beantwortung der Frage, wann eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen ist, wird auf die Bedeutung der durch die Gefahr bedrohten Rechtsgüter abgestellt. Je gewichtiger das bedrohte Schutzgut (z. B. Leib und Leben, Gesundheit als hochwertige Schutzgüter) und je stärker die Intensität der diese Schutzgüter bedrohenden Gefahr (z. B. schädigendes Ereignis hat bereits begonnen) einzustufen sind, desto mehr reduziert sich das Ermessen der Behörde.[30]

Kinder sind bereits mehrfach beinahe in Kontakt mit herumliegenden Spritzen gekommen, und es hat sich ein Überfall mit Verletzungsfolgen ereignet, der der Beschaffungskriminalität zuzurechnen ist. Das schädigende Ereignis hat also bereits begonnen und bedroht zumindest teilweise Leib und Leben der Anwohner, also besonders hochwertige Schutzgüter. Im Zusammenspiel dieser beiden Faktoren muss daher vorliegend von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen werden. Dies bedeutet, dass das Bezirksamt als Ordnungsbehörde und die Polizeipräsidentin als Polizei verpflichtet sind, gegen den Treffpunkt vorzugehen und die von diesem ausgehenden Gefahren abzuwehren. Ermessen bleibt ihnen jedoch weiterhin bei der Wahl der von ihm einzuleitenden Maßnahmen (Auswahlermessen), etwa ob sie zunächst nur Identitätsfeststellungen vornehmen oder auch Platzverweise aussprechen.

C. Ergebnis

Das Bezirksamt und die Polizeipräsidentin könnten somit in unterschiedlicher Weise (durch Identitätsfeststellung nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG, Platzverweis und Aufenthaltsverbot gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ASOG, Ingewahrsamnahme gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 ASOG und Sicherstellung von Sachen aufgrund von § 38 Nr. 1 ASOG gegen Personen, die sich am „Treffpunkt“ aufhalten, oder durch eine Anregung zur Sperrung bzw. besseren Beleuchtung des Kinderspielplatzes bei dem Bezirk nach § 17 Abs. 1 ASOG) zur Abwehr der von dem „Treffpunkt“ ausgehenden Gefahr gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG vorgehen und sind verpflichtet, zumindest eine der hierzu geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.

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Fußnoten

[1] Auf den Verweis in das Berliner Landesrecht wird nachfolgend verzichtet.

[2] Sobald zw. den Mitgliedern des Bezirksamts Meinungsverschiedenheiten auftreten, ist zu beachten, dass jeder Bezirksstadtrat seinen Geschäftsbereich eigenständig leitet, § 38 Abs. 1, 2 BezVG.

[3] Siehe dazu Knemeyer, Rn. 122 m.w.N.; VGH München BayVBl. 1993, 429 ff.

[4] Rachor, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, E Rn. 321.

[5] Rachor, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, E Rn. 322.

[6] Zum Gefahrenbegriff: BVerwG, 6 C 12/11 v. 28.3.2012, Abs. 27 = BVerwGE 143, 74, Abs. 27; Götz, § 6 Rn. 1 ff.

[7] BVerfG, 1 BvR 233, 341/81 v. 14.5.1985, Abs. 78 = BVerfGE 69, 315, 352; BVerwG, 6 C 12/11 v. 28.3.2012, Abs. 23 = BVerwGE 143, 74, Abs. 23; Götz, § 4 Rn. 3.

[8] Siehe BVerwG, 6 C 1.13 v. 26.2.2014, Abs. 15 = NVwZ 2014, 883, Abs. 15; Götz, § 5 Rn. 1.

[9] So Haus/Wohlfahrt, Rn. 206; Holzkämper, NVwZ 1994, 146, 149; Deger, VBlBW 1996, 90, 93; offen gelassen bei VGH Mannheim VBlBW 1998, 428 und VBlBW 1999, 101; krit. hierzu Finger, Die Verwaltung 2007, 105, 112 ff.

[10] Siehe dazu Rachor, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, E Rn. 328.

[11] Daneben sind nach § 5 Abs. 2 ASOG i.V.m. der Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch Dienstkräfte der Polizei (PDieVO) v. 17. Februar 1993 weitere Dienstkräfte der Polizei zur Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben, zu denen auch die Identitätsfeststellung nach § 21 ASOG gehört, befugt.

[12] Baller, in: Baller/Eiffler/Tschisch, § 21 Rn. 12.

[13] Baller, in: Baller/Eiffler/Tschisch, § 21 Rn. 9; Rachor, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, E Rn. 333 f.

[14] So wohl auch Baller, in: Baller/Eiffler/Tschisch, § 21 Rn. 12.

[15] Siehe hierzu die Nachweise bei Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 132.

[16] VGH München NVwZ 2001, 1291, 1292.

[17] So aber VG Schleswig NVwZ 2000, 464.

[18] Götz, § 8 Rn. 29 f.

[19] So etwa Rachor, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, E Rn. 496.

[20] BVerfG, BVerfGE 94, 166, 198.

[21] BverwG, I C 78.77 v. 23.06.1981 Abs. 12.

[22] Rachor, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, E Rn. 667.

[23] Baller, in: Baller/Eiffler/Tschisch, § 38 Rn. 3.

[24] Der Spielplatz ist eine öffentliche Einrichtung; der Bezirk handelt hier im Bereich der Daseinsfürsorge. Dieser Bereich ist in Berlin weitgehend ungeregelt; dazu Musil/Kirchner, Rn. 487 ff.

[25] BVerwG, I A 1.67 v. 16.1.1968 = BVerwGE 29, 52, 58 ff.; Glöckner, NVwZ 2003, 1207, 1208; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 234; a. A. etwa Borowski, VerwArch 101 [2010], S. 58, 73 ff.; Britz, DÖV 2002, 891 ff.; Schoch, Jura 2005, 324, 326 ff.

[26] Aus den gleichen Gründen kann das Bezirksamt auch nicht gegen die Polizeipräsidentin vorgehen.

[27] Zum Ganzen Denninger, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, D Rn. 95 ff.

[28] Denninger, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, D Rn. 127 ff.

[29] Rachor, in: Lisken/Denninger, 5. Aufl. 2012, E Rn. 124 ff.

[30] BVerwGE 11, 95, 97; OVG Berlin, NJW 1983, 777, 778; Eiffler, in: Baller/Eiffler/Tschisch, § 12 Rn. 8.


© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: November 2016