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Nächtliche Schlagfertigkeit (Sachverhalt)

Am 5. Januar letzten Jahres erschien Gabriele Groß-Schlag auf der Polizeistation und teilte mit, dass sie von ihrem Ehemann, Leutnant Sigmar Schlag, körperlich misshandelt worden sei. Deshalb erstatte sie Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. In der Nacht vom 5. zum 6. Januar kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten, wobei es der Ehefrau gelang, die Wohnung zu verlassen, bevor ihr unter Alkoholeinfluss stehender Mann sie hätte schlagen können, und über Notruf die Polizei zu benachrichtigen. Die Polizeibeamten Rosa Rubin und Klaus Karow vermochten mit Hilfe der Ehefrau die Wohnung zu betreten, wo sie Sigmar Schlag schlafend vorfanden. Von deren Ankunft geweckt, sprang der sichtlich alkoholisierte und nur mit einer Unterhose bekleidete Schlag aus dem Bett auf und suchte erregt die Diskussion mit den Polizeibeamten. Nachdem er im Gespräch mehrfach betonte, er könne mit seiner Frau machen, was er wolle, sein Eheleben gehe die Polizei überhaupt nichts an und dabei in Richtung seiner abseits stehenden Frau blickend mehrmals die Faust erhob, forderten ihn die Beamten auf, sich anzuziehen und zur Vermeidung erneuten Streits mit seiner Frau zum Polizeiposten mitzukommen, um dort auszunüchtern und „abzukühlen“.

Beides lehnte Schlag jedes Mal ab, woraufhin die Polizeibeamten versuchten, dem sich wehrenden Schlag seine neben dem Bett liegende Kleidung anzuziehen. Als dieser sich jedoch weiterhin wehrte, griffen sie aus dem Badezimmer dessen Bademantel, kleideten ihn damit an, legten ihm, als er nach ihnen schlug, Handfesseln an und verbrachten ihn auf die Polizeistation, wo er bis zum Morgen festgehalten wurde. Ein Richter am zuständigen Amtsgericht Tiergarten war bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu erreichen, weil der dortige nächtliche Notdienst an diesem Abend ausnahmsweise nicht besetzt war.

Während das Verfahren wegen Körperverletzung eingestellt wurde, wurde Schlag aufgrund des Vorfalls am 6. Januar vom Amtsgericht Tiergarten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 20,- Euro verurteilt. Die von ihm eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Berlin verworfen. Zudem erhielt Schlag am 2. Februar einen Kostenbescheid der Polizeipräsidentin Beatrice von Bullenberg, in dem er aufgrund der Ingewahrsamnahme  zur Zahlung von insgesamt 60,- Euro herangezogen wurde. Der Bescheid war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die jedoch nur Rechtsmittel gegen den Kostenbescheid erläuterte. Wegen seines Verhaltens gegenüber den Polizeibeamten wurde gegen Schlag zudem ein disziplinargerichtliches Verfahren vor dem zuständigen Truppendienstgericht eingeleitet. 

Am 4. April erhebt Schlag Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen das Land Berlin mit dem Antrag festzustellen, dass seine Mitnahme durch die Polizeibeamten zur Wache rechtswidrig gewesen sei. Eine solche Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen besitze nicht nur nach § 34 WDO Bedeutung für das anhängige Disziplinarverfahren – dessen Aussetzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage er beantragt habe –, sondern sei für ihn auch aus Gründen der Rehabilitierung überaus wichtig, weil Nachbarn und Passanten seine Abführung durch die Polizisten beobachtet hätten. Im Übrigen habe weder eine Gefährdung noch eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestanden, die seine polizeiliche Ingewahrsamnahme gerechtfertigt hätte. Denn er habe seine Frau gar nicht schlagen wollen. Außerdem habe die Maßnahme der Polizei gegen das Übermaßverbot verstoßen, zumal er in Handschellen gefesselt und nur mit einem Bademantel bekleidet abgeführt worden sei.

Bitte prüfen Sie gutachtlich die Erfolgsaussichten der von Schlag erhobenen Klage.

 

Bearbeitervermerk: Bitte unterstellen Sie, dass entgegen § 31 Abs. 3 S. 1 ASOG der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist und auch § 31 Abs. 2 ASOG keine Anwendung findet. Unterstellen Sie bitte ferner, dass die ausnahmsweise Nichtbesetzung des richterlichen Notdienstes nicht zu beanstanden ist.

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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Dominik Steiger, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Juni 2018