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Boygroup (Kurzlösung)

 

- beabsichtigte Anordnung würde in Rechte des „Gegen Aids e.V.“ eingreifen; ist daher nur rechtmäßig, wenn sie sich auf eine wirksame Ermächtigungsgrundlage stützen lässt und formell sowie materiell rechtmäßig ist; Grundlage kann hier nur § 17 Abs. 1 ASOG sein

 

A. Formelle Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Anordnung

- sachliche Zuständigkeit: § 4 Abs. 2 S. 1 AZG, § 2 Abs. 4 S. 1 ASOG i.V.m. Nr. 37 Abs. 2 ZustKat ASOG a.E. Bezirksämtern; keine Unstimmigkeiten zwischen Bezirksbürgermeister und seinen Stadträten übermittelt; Bezirksbürgermeister kann als Bezirksamt tätig werden; örtliche Zuständigkeit Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf § 3 Abs. Nr. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln[1].

 

B. Materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung

- Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 ASOG

 

I. Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit

- Gefahr für individuelle Rechtsgüter (nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des einzelnen), den Staat und seine Einrichtungen oder die Rechtsordnung; Verletzung der Rechtsordnung laut Sachverhalt nicht ersichtlich

- Stadtbild und „Image“ des Ortsteils Zehlendorf „Einrichtung des Staates“; nur solche die die  Funktionsfähigkeit des Staates gewährleisten; Gefahrenabwehrbehörden sind keine Wohlfahrtspolizei

 

II. Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung

- Gefahr für die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet wird

 

1. Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung

- (-) gegen Verfassungsmäßigkeit: (1) nicht mit demokratischen Prinzip vereinbar, weil Einführung von verbindlichen Gemeinschaftswerten Aufgabe der Gesetzgebung; (2) Bestimmtheitsgebot

- (+) für Verfassungsmäßigkeit: (1) hinreichende Bestimmtheit durch jahrelange Anwendung; (2) keine Beeinträchtigung des demokratischen Prinzips, weil Gesetzgeber in vielen Regelungen an gesellschaftliche Anschauungen anknüpft (§ 138, § 242 BGB) und auch das Grundgesetz (Art. 13 Abs. 7, Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG) den Begriff verwendet

 

2. Verstoßen die Plakate gegen die öffentliche Ordnung?

- bzgl. des räumlichen Geltungsumfangs der herrschenden Anschauungen ist auf den jeweiligen Wirkbereich des Phänomens, hier des Stadtteils, abzustellen

- (+) für einen Verstoß: (1) mehrere Einwohner fühlen sich belästigt; (2) Mütter fürchten um das Wohl ihrer Kinder

- (-) gegen einen Verstoß: (1) nach der Definition reicht eine Belästigung einzelner Personen nicht aus; für das Zusammenleben unerlässliche Regeln müssen gebrochen werden; (2) Plakat muss als Ganzes betrachtet werden - Logo der Initiative zur AIDS-Aufklärung macht Schutzziel deutlich

 

3. Ergebnis zu II.

- Plakate verstoßen nicht gegen die öffentliche Ordnung.

 

III. Ergebnis zu B.

- Tatbestandsvoraussetzungen liegen nicht vor

 

C. Ergebnis

- wg. fehlender Ermächtigungsgrundlage wäre Anordnung rechtswidrig; darf daher vom Bezirksamt als Ordnungsbehörde nicht erlassen werden


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Fußnoten

[1] Auf den Verweis in das Berliner Landesrecht wird im Folgenden verzichtet.

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich
Stand der Bearbeitung: August 2015