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Kurzlösung

A. Zulässigkeit (+)

I. Zuständigkeit des BVerfG (+)

Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, §§ 13 Nr. 8a, 90ff. BVerfGG

II. Beteiligtenfähigkeit (+)

"jedermann" - alle Grundrechtsträger

d. h. alle natürlichen Personen, hier: M

III. Prozessfähigkeit (+)

Fähigkeit, Verfahrenshandlungen selbst vorzunehmen (+)

IV. Beschwerdegegenstand (+)

jede Maßnahme öffentlicher Gewalt

d. h. jedes Handeln oder Unterlassen eines staatlichen Organs

hier: die Entscheidungen der Zivilgerichte

Das letzte Urteil muss, die anderen können angegriffen werden

V. Beschwerdebefugnis (+)

Möglichkeit der Verletzung von Art. 5 und 8 GG

M ist als Deutscher auch unter Art. 8 GG grundrechtsberechtigt

Grundrechte binden jedoch gem. Art. 1 III GG grundsätzlich nur öffentliche Gewalt

Hier aber: Verhältnis zwischen zwei Privatpersonen M und F AG

In diesem Verhältnis könnten Grundrechte Anwendung finden soweit sie generell zwischen Privaten gelten (Drittwirkung) oder die F AG unmittelbar grundrechtsverpflichtet ist

(P) Grundrechtsbindung der F AG

umfassenden Grundrechtsbindung nach Art. 1 III GG

Keine Flucht ins Privatecht

Bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben in privatrechtlicher Form Grundrechtsbindung gegeben (Verwaltungsprivatrecht)

jedenfalls soweit Staat Alleineigentümer

Hier aber: öffentliche Gewalt nur zu ca. 70% an F AG beteiligt (gemischt-wirtschaftliches Unternehmen)

(P) Unterliegen auch diese einer unmittelbaren Grundrechtsbindung?

effektive Grundrechtsbindung erfordert dies

Private Anteilseigner durch unmittelbare Grundrechtsbindung auch nicht ungerechtfertigt beeinträchtigt: nehmen freiwillig gleichermaßen an Chancen und Risiken einer Beteiligung der öffentlichen Hand

Jedenfalls private juristische Personen, die zu über 50% in Staatseigentum stehen, sind daher selbst unmittelbar an Grundrechte gebunden

Die F AG daher unmittelbar an Grundrechte gebunden.

Eine Verletzung der Grundrechte der A kann jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden, ist also möglich

M ist durch Urteile auch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen.

VI. Rechtswegerschöpfung/Subsidiarität (+)

§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG: Erschöpfung des Rechtswegs

Subsidiarität

B. Begründetheit (+)

wenn Grundrechte der A verletzt

I. Art. 8 GG

verletzt, wenn ungerechtfertigter Eingriff in Schutzbereich

1. Schutzbereich (+)

Personell: Deutscher iSv Art. 116 I GG

Sachlich: Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen

Beinhaltet auch Selbstbestimmungsrecht, wann und wo

(P) Demonstration in Flughafengebäude von Schutzbereich erfasst?

Art. 8 GG verbürgt Durchführung an Orten, die allgemeinem öffentlichen Verkehr geöffnet sind und Orte öffentlicher Kommunikation bilden, klassischerweise insbesondere der öffentliche Straßenraum.

Für Frage, ob ein anderer Ort als der öffentliche Straßenraum ein öffentlicher Kommunikationsraum ist, ist das Leitbild des öffentlichen Forums maßgeblich.

Auf ihm können, im Gegensatz zu Orten, die nur eine bestimmte Funktion haben, eine Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt werden kann und hierdurch ein vielseitiges und offenes Kommunikationsgeflecht entsteht. Ein solchermaßen für die Allgemeinheit geöffneter Ort kann nicht gegen politische Auseinandersetzung in Form einer Versammlung abgeschirmt werden. Kollektive Meinungskundgabe und die Möglichkeit, in öffentlichen Foren Aufmerksamkeit zu erregen, sind konstitutive Elemente der Demokratie.

Bei Flughafengelände ist zwischen der Land- und der Flugseite zu unterscheiden. Die Flugseite ist nur über eine individuelle Eingangskontrolle für Passagiere zugänglich. Der Zugang zu dieser ist daher nicht für den allgemeinen Verkehr, sondern lediglich für einen bestimmten Zweck eröffnet. Anders verhält es sich mit der Landseite. Diese ist, insbesondere auch laut eigener Werbung der F AG, darauf ausgerichtet durch ein vielseitiges Angebot an Läden, Dienstleistungen und Restaurants zum flanieren, verweilen und begegnen einzuladen. Die Landseite des Flughafens ist damit als öffentliches Forum zu beurteilen. Die Durchführung einer Versammlung an diesem Ort fällt daher in den Schutzbereich von Art. 8 GG.

2. Eingriff

Angegriffene Urteile bestätigen das auf Versammlungen beschränkte Hausverbot

3. Rechtfertigung

a) Einschränkung durch Gesetz

Recht kann gem. Art. 8 II GG für Versammlungen unter freiem Himmel eingeschränkt werden

(P) Versammlung im Terminal „unter freiem Himmel“?

nicht eng als überdachter Veranstaltungsort zu verstehen

Sinn ist vielmehr eine Unterscheidung zwischen Versammlungen im öffentlichen Raum und solchen die abgeschirmt stattfinden

Bei ersteren besteht höheres Gefahrenpotential und Interessen Dritter werden betroffen

Die Versammlung im öffentlichen Forum des landseitigen Flughafens führt unmittelbar zur Konfrontation mit Unbeteiligten. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG ist daher anwendbar.

hier: §§ 903, 1004 BGB

Müssten verfassungsgemäß sein

(P) Bestimmtheitsgebot

Da keine besonderen hoheitlichen Befugnisse verliehen werden, die einseitig durchgesetzt werden könnten, sind Anforderungen, die sonst an Eingriffsgesetze zu stellen sind reduziert, daher: (+)

(P) Zitiergebot

Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG kann gegenüber solchen unspezifischen Bestimmungen eine Warnfunktion nicht erfüllen und findet keine Anwendung

Die Zulässigkeit von Eingriffen auf unbestimmter, dem Zitiergebot nicht entsprechender Grundlage ist Konsequenz daraus, dass öffentliche Hand überhaupt in zivilrechtlicher Form handeln darf

Die Versammlungsbehörde wie auch die Vollzugspolizei bleiben selbstverständlich an das Versammlungsgesetz des Bundes gebunden, das gem. Art. 125 a I GG bis zum Erlass eines Landesgesetzes weitergilt

b) Anwendung der Gesetze

Anwendung der §§ 903, 1004 BGB durch Fachgerichte müsste verfassungsmäßig sein

BVerfG ist jedoch keine Superrevisionsinstanz, prüft ausschließlich spezifisches Verfassungsrecht

Entscheidend daher, ob Fachgerichte Bedeutung und Tragweite der Grundrechte in Anwendung der einfachgesetzlichen Normen verkannt haben

Vorliegend fraglich, ob Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten

Legitimes Ziel: Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flughafenbetriebs (+)

Nicht: freies, privatautonomes Bestimmungsrecht über Privateigentum nach § 903 BGB, das nicht unmittelbar an Grundrechte gebundenen Eigentümern zustehen würde

Geeignetheit: (+), fördert Ziel zumindest

Erforderlichkeit: (+), denkbare mildere Mittel jedenfalls nicht gleich geeignet wie vollständiges Verbot

(P) Angemessenheit / Verhältnismäßigkeit i.e.S.:

Grundlegender Bedeutung der Versammlungsfreiheit im freiheitlich demokratischen Staat ist i.S.e. Wechselwirkung  Rechnung zu tragen

Zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des komplexen logistischen Systems eines Flughafens können Beschränkungen jedoch im Einzelfall unter weniger strengen Bedingungen erlassen werden, als dies für entsprechende Versammlungen im öffentlichen Straßenraum möglich wäre

Nach Art. 8 Abs. 1 GG ist die Durchführung von Versammlungen grundsätzlich ohne Anmeldung oder Erlaubnis gewährleistet. Versammlungen können danach, jedenfalls durch einen unmittelbar grundrechtsgebundenen Rechtsträger nicht unter einen generellen Erlaubnisvorbehalt gestellt werden. Eine Anzeigepflicht, die für Eil- und Spontanversammlungen ausnahmen macht, würde hingegen keinen Bedenken begegnen. Die Untersagung einer Versammlung käme nur in Betracht, wenn eine unmittelbare, aus erkennbaren Umständen herleitbare Gefahr für mit der Versammlungsfreiheit gleichwertige, elementare Rechtsgüter vorliegt. Es Bedarf hierfür einer konkreten Gefahrenprognose.

Das von der F AG vorliegend erteilte Flughafenverbot stellt eine zeitlich unbestimmte und den gesamten Flughafen umfassende Erlaubnispflicht dar, die im Übrigen nicht erkennen lässt, wann sie erteilt würde. Die Bestätigung dieses Flughafenverbots, das den Anforderungen von Art. 8 I GG insofern nicht genügt, durch die Fachgerichte ist daher unverhältnismäßig.

 

II. Art. 5 GG

1. Schutzbereich

umfasst Wahl der Form der Flugblätterverteilung sowie Wahl von Ort und Zeit, aber nur dort, wo man auch sonst Zugang hat

2. Eingriff

Urteile bestätigen Flughafenverbot, das Betreten zum Zwecke der Meinungsäußerung von Erlaubnis abhängig macht

3. Rechtfertigung

a) Einschränkung durch allgemeines Gesetz (+)

solche, welche sich weder gegen den Prozess der Meinungsbildung, noch einzelne Meinungen richten, sondern vielmehr allgemein, ohne Rücksicht auf bestimmte Meinungen, den Schutz eines auch ansonsten geschützten Rechtsguts bezwecken

hier: §§ 903, 1004 BGB

b) Anwendung im Einzelfall

Verhältnismäßigkeit

Legitimes Ziel: Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flugbetriebs

Als unmittelbar Grundrechtsverpflichtete ist subjektive Interessenverfolgung, etwa die Schaffung einer „ ‚Wohlfühlatmosphäre’ in einer reinen Welt des Konsums“, kein legitimes Ziel, es muss ein öffentliches Interesse verfolgt werden

Geeignetheit (+), Erforderlichkeit (+)

Angemessenheit (-)

Bedeutung der Meinungsfreiheit für Demokratie wird, auch i.S.e. Wechselwirkung zwischen Grundrechtsgarantie und Schranke, durch unbegrenztes Verbot, das nicht an konkrete Gefahr anknüpft, nicht genügend Rechnung getragen: s. entsprechend oben zu Art. 8

C. Gesamtergebnis

Die Verfassungsbeschwerde des M ist zulässig und auch begründet. Das BVerfG wird gem. § 95 I, II BverfGG feststellen, dass er durch die gerügten Urteile in ihren Grundrechten aus Art. 8 und 5 GG verletzt ist, diese Urteile aufheben und die Sache an ein zuständiges Gericht zurückverweisen.

 


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© Heike Krieger (Freie Universität Berlin)